Sie machten sich an den Abstieg.
Rechts von ihnen klaffte ein schräger Abgrund hinunter ins Tal. Felsen, dürres Unkraut und Steine, dazwischen aber auch unregelmäßige kleine Plattformen zum pausieren.
Matthias und Chris holten die Ausrüstung aus den Rucksäcken. Sicherungsseil, Hüftgurte, Karabiner. Lina hatte keine Ahnung vom Klettern. Ihr Bruder hatte sie ein paar Mal zum Bouldern überredet und sie hatte durchaus Spaß gehabt, bei den exorbitant hohen Mitgliedsgebühren im Boulderzentrum aber relativ schnell wieder aufgegeben. Und beim richtigen Klettern hätte ihre latent vorhandene Höhenangst nicht mitgespielt. An die konnte und wollte sie jetzt allerdings keine Gedanken verschwenden.
Chris seilte sich zuerst ab. Es sah spielend leicht aus, wie er mit einigen Schlägen den ersten Haken im Fels verankerte und sich an dem daran hängenden Seil hinuntergleiten ließ. Der erste Vorsprung war schnell erreicht und nach rund fünfzehn Minuten hatte Chris den sicheren Boden erreicht hatte. „Seil frei!" hörten sie ihn von unten rufen und Kim wagte sich als nächste in die Tiefe.
Es dauerte über eine halbe Stunde, bis sie sicher hinuntergeklettert war und als Kim endlich feste Erde unter den Füßen hatte, fiel ihnen allen ein kleiner Stein vom Herzen. Nicht auszudenken, wenn sie wieder ohnmächtig geworden wäre...Jetzt kam Linas Zug. Sie schlüpfte in den Klettergurt, den Matthias ihr reichte und tat ein paar Schritte an die Felskante. Eben noch hatte das doch noch nicht ganz so steil ausgesehen, oder?!
Doch es half nichts, sie musste absteigen. Matthias raunte ihr noch ein kurzes „Das schaffst du!" zu, und nachdem sie ihren Karabiner in dem metallenen Haken befestigt hatte, ließ sie sich langsam abwärts gleiten. Wenn man nicht daran dachte, mehrere Meter ohne Boden unter sich zu haben, machte es sogar irgendwie Spaß. Sie fühlte sich leicht, fast schwerelos, wie sie sich abstieß und die Füße gleich darauf wieder an der Felswand aufkamen. Das erste Plateau erreichte sie problemlos. Dann wurde es ein wenig komplizierter. Links und rechts ragten klaffene Löcher aus dem Gestein hervor, die so groß waren, dass ein Mensch locker hineinfallen könnte. Dahinter lag tiefe Schwärze. Das Innere des Berges.
Lina wandte den Kopf. Kim und Chris standen etwa 15 Meter unter ihr und schienen sich zu streiten. Einmal mehr in diesen Tagen. Lina hatte das starke Gefühl, dass die Beziehung der beiden diesen Auflug nicht überstehen würde. Und so wie Kim sich an Matthias ranmachte...
Gut, dass der mit Kim nichts anzufangen wusste, wie er Lina einmal anvertraut hatte. Der Gedanke, ihn und sie zusammen zu wissen, wäre auch -Lina konnte nicht zuende denken. Ein Ruck durchfuhr sie, so stark, dass es sich anfühlte, als wäre sie auf einer Achterbahn und würde gerade den Looping mitnehmen.
Dem Ruck folgte ein Reissen, nicht laut, aber für Lina klang es ohrenbetäubend.
Und dann sah sie nur noch schwarz.
Stille umgab sie. Es war noch immer schwarz, aber ein leichter Lichtschein drang zu ihr und erleuchtete das Bild in einem trüben bläulichen Farbton. Langsam, unendlich langsam formten sich die Geschehnisse in ihrem Gehirn zusammen. Sie war abgestürzt! Das Seil musste gerissen sein! Aber sie lag weder verletzt auf einem der Felsvorsprünge, noch mit zerschmettertem Körper auf dem Boden. Unwillkürlich bewegte sie ihre Beine. Ja, sie waren da. Alles noch heil und scheinbar heil. Nur der Rücken tat weh. Lina bemerkte, dass ihr rechter Arm auf etwas lag. Unter Schmerzen richtete sie sich zumindest so weit auf, dass sie sehen konnte, wo sie überhaupt war. Dann fiel ihr Blick auf den Arm und sie begann zu schreien.
„Lina?"
„LINA?"
„LINA!!"
Ihr Schrei vermischte sich mit den gedämpften Rufen nach ihrem Namen, aber sie konnte ihn nicht stoppen.
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HOJA
Misteri / ThrillerEine Wanderung in den endlosen Wäldern Rumäniens wird für vier junge Menschen zum absoluten Horror-Trip. Eine Gruselgeschichte pünktlich zur düstersten Zeit des Jahres. Das ist mein erster Roman, bitte seid nett ;))