Der schneeweiße Kopfkissenbezug mit roten Blumenstickereien roch angenehm nach Waschmittel und ein bisschen nach Daunenfedern, als Lina ihren Kopf darin vergrub.
Kim lag leise schnarchend im Bett am anderen Ende des Zimmers, während die beiden Männer den Raum gegenüber bezogen hatten. Von draußen hörte man einen Hund bellen und leise Stimmen, die irgendetwas auf rumänisch sprachen.„Willst du das echt offen lassen?", hatte Kim vorhin gefragt und auf das Fenster mit den bauschigen, gelben Gardinen gedeutet. „Was ist, wenn hier nachts ein Vampir rein fliegt? Wenn es Vampire gibt, dann nämlich auf jeden Fall hier in Transsilvanien. "
Die Scheibe stand jetzt auf leichten Kipp und ließ ein wenig frische Nachtluft hinein, die Lina angenehm kühl übers Gesicht wehte. Obwohl der Tag sehr anstrengend gewesen war, ließ der Schlaf auf sich warten. Die Ruhe war so ungewohnt. In ihrer kleinen Wohnung direkt in der Münchener Innenstadt war es nie so still. Man hörte 24 Stunden Autolärm oder die nervigen Nachbarn von nebenan, die sich seit Jahren jeden Abend zofften und auch mal Teller an die Wand fliegen ließen. Scheinbar gewöhnte man sich zu sehr an solche Geräuschkulissen. Linas Gedanken schwebten umher und blieben bei ihrer Familie hängen. Ein unangenehmes Thema, das sie eigentlich am liebsten verdrängen wollte. Und musste. Erneut presste sie ihr Gesicht in das Kissen und zog schließlich die dünne Decke über sich. Dunkelheit empfing sie. Und irgendwann, hörte sie auf zu denken und ihr Körper ergab sich einem tiefen, traumlosen Schlaf.
Sie wurden von der Reinigungsfachkraft geweckt, die laut an die Türe klopfte und etwas unverständliches rief. Lina rieb sich die Augen und stöhnte. Es war definitiv zu früh. Viel zu früh – der Wecker zeigte gerade einmal 7:30 Uhr. Kim schien es nicht viel besser zu gehen. Sie bedachte die Putzfrau draußen vor der Tür mit einem heiseren Schwall an Schimpfwörtern, setzte sich dann aber trotzdem auf und griff sich einen Stapel Klamotten. Als Kim im Bad verschwand, schlich Lina zur Tür und öffnete diese einen Spalt. Draußen war niemand zu sehen. Verärgert setzte sie sich zurück auf das Bett und überlegte, einfach noch eine Stunde zu schlafen. Aber von draußen strahlte die Sonne schon zu dieser frühen Zeit so stark ins Zimmer, dass sie sich dann doch dagegen entschloss und dafür schon einmal begann, ihre Habseligkeiten in den großen Rucksack zu packen. Als Kim eine knappe Stunde später endlich fertig geduscht hatte, machte sich auch Lina fertig für den Tag. Um Neun wurden dann langsam, ganz langsam, auch Matthias und Chris wach und wenig später gingen sie hinunter in den kleinen Speisesaal.
Rumänisches Frühstück bestand zum größten Teil aus Eiern in jeglicher Form. Rührei, Spiegelei und Omelette lagen auf dem Buffet-Tisch. Dazu gab es eine Menge Wurst und eingelegtes Gemüse.
Lina begnügte sich mit ein wenig Rührei und einem Stück Toast. „Hat euch die Putzfrau auch geweckt und wie irre an eure Tür geklopft?", fragte Kim, während sie sich Milch in den Kaffee goss. „Ich frag mich echt, was das sollte!"Es stellte sich heraus, dass die beiden Jungs selig geschlafen hatten und erst durch Chris' Handywecker aufgewacht waren. Dafür brauchten sie nach dem Frühstück mehr Zeit, um sich fertig zu machen – Zeit, die Lina und Kim nutzten, um ein letztes Mal durch Törzburg zu laufen und sich, auch wenn es noch früh und das Frühstück nicht lange her war, ein Eis kauften.
Dabei schlossen sie Freundschaft mit einem kleinen schwarzen Mischling, der in der Nähe des Hotels herumlief und der schwanzwedelnd Streicheleinheiten einforderte. Für einen Straßenhund war er außerordentlich gut genährt und seine braunen Augen guckten so süß, dass die beiden ihn am liebsten mit nach Hause hätten.
„Dem geht es sicher gut hier. Bei so vielen Touristen bekommt er bestimmt so viel Aufmerksamkeit und Futter, dass es ihm fast zu viel wird.", beruhigte Lina sich selbst, als sie zusammen mit Kim, Chris und Matthias am Busbahnhof stand und den schwarzen, buschigen Schwanz des Hundes um die Ecke verschwinden sah.
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HOJA
Misteri / ThrillerEine Wanderung in den endlosen Wäldern Rumäniens wird für vier junge Menschen zum absoluten Horror-Trip. Eine Gruselgeschichte pünktlich zur düstersten Zeit des Jahres. Das ist mein erster Roman, bitte seid nett ;))