Lina hätte gedacht, dass Kim so weinen würde, wie sie sprach. Irgendwie immer ein bisschen übertrieben. Und theatralisch.
Aber ihr Weinen klang leise und ein bisschen wie das Wimmern eines Welpen. Linas Herz krampfte sich bei dem Geräusch zusammen und sie war froh, als Matthias Kim in die Arme nahm und so das Schluchzen dämpfte.
„Wir kommen hier nie mehr raus!", schniefte Kim in Matthias Brust. „Der Wald ist verhext. Wir sterben hier drinnen."Jennifer gab einen abfälligen Laut von sich. „So ein Schwachsinn! Der Plan muss falsch sein. Finn, sag doch auch mal was!"
Sie warf Finn einen Blick zu, der klar machte, dass dieser jetzt besser nichts falsches sagen sollte.
Er hüstelte und ihm war anzusehen, dass ihn die Situation überforderte.Rasch ergriff Lina das Wort: „Es gibt doch Sachen, die einem helfen, aus einem unbekannten Gebiet herausfinden? Sowas wie...einem Bach zu folgen, der dann irgendwann in größeren Gewässern endet. Oder Orientierung an den Himmelsrichtungen."
„Survival? Und Harz von einer Baumrinde lecken? Und Eichhörnchen fangen?", Kim hatte aufgehört zu heulen und schien zumindest für einen Moment wieder ganz die Alte zu sein. „Scheiße, ich will aber keinem pissigen Bach nachlaufen, in der Hoffnung, dass vielleicht irgendwann mal nach hundert Kilometern ein Dorf erscheint. Ich will jetzt nachhause verdammt nochmal! Ich dachte echt, wir hätten es geschafft, aber die sind nicht gerade hilfreich, im Gegenteil, jetzt haben wir noch mehr Mäuler zu stopfen!" Sie deutete auf Jennifer, Hexe und Finn.
Noch ehe Jennifer zu einer Antwort ansetzen und es zu einem verbalen Krieg epochalen Ausmaßes kommen konnte, schritt Matthias ein.„Leute! Es hilft absolut nichts, jetzt zu streiten. Lina hat recht. Wir halten ab jetzt Ausschau nach fließenden Gewässern."
Er war Kim einen warnenden Blick zu. Als die schwieg, fuhr er fort: „Die Aussage mit der Baumrinde war auch nicht so falsch. Wir haben kaum noch Wasser, geschweige denn Essen für die nächsten Tage. Wir wenden Survival Tricks an. Heißt erstens: Wir sammeln Regenwasser. Es gibt außerdem eine Menge essbarer Wildkräuter, dafür habe ich ein Bestimmungsbuch im Rucksack. Also Augen aufhalten.
Und ab jetzt markieren wir unserer Wegroute. Das hier ist unser Anfangspunkt." Während Matthias sprach, zog er ein graues Tuch aus seiner Hosentasche und begann, es zu schmalen Streifen zu zerreißen. Einen davon band er um einen der dürren, alleinstehenden Bäume. Mit schwarzem Edding schrieb er eine krumme „1" darauf.
„Hier starten wir. Ein bisschen „Hänsel und Gretel", nur ohne die Brotkrümel."Er blickte allen der Reihe nach in die Augen.
„Als wichtigster Punkt gilt: Keine Panik. Panik ist schlecht. Die Situation ist nicht die Beste, aber wir schaffen das schon. Wenn wir zusammenarbeiten – und nicht gegeneinander. Das ist verdammt wichtig. Zickereien und Streit bringen niemanden weiter. Verstanden?"
Sie nickten, mal mehr, mal weniger enthusiastisch. „Okay.", fuhr Matthias befriedigt fort. „Dann lasst uns jetzt eine gute Stelle für ein Nachtlager suchen."
-„Wir haben noch...Moment...eine kleine Packung Marshmallows. Eine Packung Bundeswehrkekse, steinhart. Zwei Müsliriegel und drei Dosen Ravioli. Dazu vier 0,5 Liter Flaschen Wasser und eine Dose Cola."
Jennifer hatte die Lebensmittel neben sich aufgetürmt.
„Und in...Mikes...Rucksack habe ich noch eine Tüte Salzstangen und drei Packungen Kaugummi gefunden. Und eine kleine Flasche Hochprozentiges." Die junge Frau schluckte schwer, als sie Mikes Namen aussprach.
„Außerdem einen Kompass, zwei volle Schachteln Streichhölzer, drei Taschenlampen, Batterien, Wasserreinigungstabletten, Armbanduhr, ein Erste-Hilfe-Päckchen, Vaseline, ein Schweizer Taschenmesser, ein Signalspiegel, Schlafsäcke, ein Seil, Kletterausrüstung, eine kleine Axt, ein Klappspaten....ich glaube, das wars."
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HOJA
Mystery / ThrillerEine Wanderung in den endlosen Wäldern Rumäniens wird für vier junge Menschen zum absoluten Horror-Trip. Eine Gruselgeschichte pünktlich zur düstersten Zeit des Jahres. Das ist mein erster Roman, bitte seid nett ;))