Rumms!
Das war schon das gefühlt hundertste Buch heute gewesen, das an der Wand und danach am Boden landete. Elijo hoffte jedenfalls, dass es ein Buch war, oder nur Bücher gewesen waren. Wenn es etwas anderes war, dass erheblicheren Schaden verursachte oder das selbst wertvoll war, würden danach noch mehr Bücher fliegen. Den ganzen Vormittag schon hallte dieser Lärm durch das Holzhaus. Er war so laut, dass es Elijo nicht wundern würde, wenn man ihn im ganzen Dorf hören konnte.
Schon lange waren keine Bücher mehr geflogen. Das letzte Mal war es gewesen, als zehn Leute aus ihrem Clan einfach spurlos verschwunden waren. Auch ihre Leichen waren unauffindbar gewesen. Und das nahe bei Motoro. Alantir hatte befürchtet, dass sie von den Elfen gefangen genommen wurden. Das wäre eine Katastrophe gewesen, denn sie hätten unter Folter den Standort des Dorfes preisgeben können. Eine Woche später hatte man aber ihre halb verwesten Leichen dann doch gefunden und Alantir war wieder beruhigt gewesen.
Eigentlich war es heute genau die gleiche Katastrophe, die Alantir befürchten musste und damit auch der gesamte restliche Clan. Nämlich, dass der kleine Elf sie an den Senat verriet. Und diesmal war es fast gewiss, dass die Soldaten der Elfen kommen würden. Wieso sollte der Elf den Rückzugsort seines größten Feindes, der ihn auch noch gefangen gehalten hatte, nicht einfach ausplaudern? Noch war es nicht sicher, ob der Elf Ryonin erfolgreich erreicht hatte, oder ob Sargil und seine zugeteilte Gruppe ihn nicht doch noch erwischt hatten. Aber mit jeder Stunde, die verstrich, ohne dass Sargil zurückkehrte, war es wahrscheinlicher, dass der kleine Elf seine Heimat unbeschadet erreicht hatte und den Standort seines Nachtelfendorfes verriet.
Auch Elijo ärgerte sich gewaltig, aber er konnte seine Wut wenigstens im Zaum halten. Er wusste andere Möglichkeiten, seine Wut herauszulassen, als Bücher gegen die Wand zu werfen. Er hielt lieber einen richtigen Schwertkampf mit einem seiner Freunde ab. Da konnte er so richtig draufhauen. Für seine Freunde ging das in Ordnung, denn sie wussten sich zu wehren und außerdem tat er dasselbe für sie umgekehrt. Aber jeder eben auf seine Art, auch wenn die Art, auf die Alantir es tat, nicht gerade schonend für Ohren und Bücher war. Auch, dass er es immer in unregelmäßigen Abständen tat, schädigte, denn jedes Mal zuckte Elijo wieder zusammen.
Langsam aber wurde es Zeit, dass Alantirs Wut verrauchte und Elijo vorgelassen wurde. Eigentlich musste er nicht vorgelassen werden, aber er wartete lieber noch ein wenig, bevor er es riskierte, sich dem vor Zorn rauchenden Alantir zu stellen.
Er hatte zwar keine sonderlich bewegende Nachricht, aber trotzdem wollte er sie endlich los werden. Er hatte noch anderes zu tun heute. Er musste heute nämlich noch in die Géélahaine mit seinem Vater und die Ernte für diesen Monat einzufahren. Er konnte sich besseres vorstellen, als Géélafrüchte von den Bäumen zu pflücken, aber wenigstens hatte er dort seine Ruhe. Er wollte sich nicht um den wütenden Alantir kümmern. Das konnte er selber machen. Für die Arbeit mit seinem Vater ging sein freier Tag drauf, aber er tat seinem Vater damit einen großen Gefallen. Auf zwei Schultern verteilt war die Arbeit deutlich leichter. Das hatte auch er selbst schon einmal spüren müssen.
Damals war sein Vater lange fort gewesen und Elijo musste die Früchte alle alleine einsammeln. Gut, man musste seine kleine Schwester auch mit ein rechnen. Sie hatte so über den Daumen gepeilt vier Früchte gepflückt und den Rest gegessen. Danach hatte sie schreckliche Bauchschmerzen bekommen und war eine Woche nur gelegen. Sie hatte es auch ein wenig verdient. Daraus hatte sie vielleicht, aber viel wichtiger, auch ihre Mutter gelernt. Seitdem durfte sich nicht mehr mit zum Pflücken. Heute war sie schon älter, aber sie nutzte die Sorge ihrer Mutter noch immer aus und ging nicht mit zum Ernten, obwohl sie groß genug war, um richtig mithelfen zu können. Elijo konnte es heute noch einmal versuchen, seine Mutter zu überzeugen, dass Niea, seine Schwester, doch mitgehen durfte.
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Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasyDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...