Kapitel XXII - Dasuna

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Sie wurde aus ihrer Zelle gezerrt. Ein Soldat, griff nach ihrem Arm, sie ließ es geschehen. Wie sollte sie hier auch entkommen, wo überall Soldaten herum standen und allein drei sie bewachten und außerhalb von Tartin würden sich sicher noch weitere ihrer Gruppe anschließen. Weniger aber, um sicherzustellen, dass Dasuna nach Ryonin kam, sondern eher, weil sie alle heil dorthin kommen wollten und nicht, weil sie nur so wenige waren, einfach überfordert waren mit den Gefahren des heiligen Waldes.  

Sie wurde einmal wieder durch dunkle, graue Wände geführt. Voran der Hauptmann, der mit ihr auch schon das vollkommen sinnlose Verhör abgehalten hatte. Ihr war kalt und sie fühlte sich so schrecklich, wie sich in ihrem ganzen Leben noch nicht gefühlt hatte. Nun also war der Tag gekommen, an dem sie nach Lithorin gebracht wurde, um dann schließlich zu einer Nachtelfe gemacht zu werden. Sie zitterte, sie hatte die letzten Tage nur karges Essen genießen dürfen und dazu gesellte sich gelegentliches Fieber. Sie hoffte, dass ihr die frische und vor allem die warme Luft gut tun würde.  

Der Schlüsselbund des Hauptmannes klapperte bei jedem Schritt, den er stolz durch die Kerker machte. Konnte er wirklich auf seinen Kerker stolz sein? Sie kamen an unzähligen Git-terstäben mit erbärmlichen Gestalten dahinter vorbei. Dasuna wusste nicht, wohin sie schauen sollte, denn sie wollte den armen Elfen nicht in die Gesichter sehen. So gesehen hatte sie es fast besser, sie würde wenigstens wieder frei leben, auch wenn sie dafür diese Gesellschaft für immer verlassen musste. Wenigstens lebte sie dann an der frischen Luft und vielleicht fand sie Freunde, die besser waren als die, die sie als Elfe hatte oder gehabt hatte. An diese Gedanken klammerte sie sich.  

Es ging eine steile Wendeltreppe hoch, deren Stufen unterschiedlich hoch waren, weshalb Dasuna immer wieder stolperte. Der Soldat stieß sie dann stets weiter. Sie hasste ihn dafür, ließ sich sogar noch mehr Zeit und nahm dafür die Schläge in Kauf. Sie sollten schon sehen, dass sie an Kraft gewonnen und nicht verloren hatte. Daran hatte sie festgehalten, die ganzen letzten schrecklichen, vielen Stunden. Sie würde stärker werden durch ihren Aufenthalt in den schlimmen Kerkern. Sie würde sich nicht von ihrem verdammten Schicksal unterkriegen lassen. Sie würde für die Nachtelfen kämpfen und dafür, dass sie den Blutschrein zurück erkämpfen würden. Dafür würde sie ihr Leben geben, für Gerechtigkeit, denn das, was ihr widerfahren 

war, konnte man nicht so nennen. Gerechtigkeit ist etwas anderes.  

Sie kämpfte sich die Stufen hoch und bemerkte erst auf der letzten Stufe, dass ihre Hände blutig geschürft waren. Sie konnte sich aber nicht erinnern, was passiert war. War sie wirklich so heftig gefallen? Oben tat sich ein deutlich besseres Bild ab, als in den Untergeschossen der Kasernen. Keine grauen Wände, sondern wenigstens ein wenig behangen und geschmückte. Zwar waren die Teppiche nicht wertvoll, aber sie machten den Raum angenehmer. Ein Pult stand in einer der Ecken in dem Raum, der den Verwaltungsraum für die Kerker darstellte. Dahinter saß ein ergrauter Elf, der sich mit einem Vergrößerungsglas über einige Papiere beugte. Er sah nicht einmal auf, als die Gruppe vorüber zog. Es war schon alles abgemacht, einfach so bestimmt durch den Hauptmann, der sie nun kurzerhand nach Lithorin führte und sie dann verbannen ließ. Nicht einmal Zeugen hatte er für seine Entscheidung berücksichtig, er hatte einfach entschieden.  

Durch eine massive Holztür, die nicht abgeschlossen war, führte sie der klingelnde Haupt-mann in den Flur des weiträumigen Gebäudes, das in Tartin als Kaserne bekannt war. Nicht viel besser als das Vorzimmer zu den Kerkern, waren die Gänge geschmückt, die durch das gro-ße Gebäude mit mehreren Stockwerken führten. Sie begegneten ständig Soldaten. Die einen in Rüstung und mit Schwert an der Seite, die anderen in normaler Zivilkleidung. Einige hielten Wache vor wichtigen Türen und durch manche Fenster drangen die Kampfgeräusche von den Übungsplätze. Außerdem war die Luft besser als in den modrigen Kerkern. Und Dasuna fühlte sich auf einmal wohl und genoss die Wärme auf ihrer Haut. Die Gruppe führte sie zügig über schmale und breite Flure. 

Der Blutschrein [2] - LithorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt