Sehr geehrter Herr Senator,
Ich möchte es mir hiermit erlauben, dich zu einem kleinen Treffen unter Freunden einzuladen. Dazu möchte ich dich in DIE GALERIE DER KUNST bitten, wo ich dich am Eingang erwarte.
Ich würde dich außerdem gerne um einen Gefallen bitten, was deine persönliche Leibwache angeht, denn ich wäre nicht sehr erfreut, wenn sie dir in großer Zahl folgen würde. Ich bin der Meinung ein erfahrener Wächter tut es auch. Bis dann, ich freue mich schon darauf! Übrigens findet das Treffen natürlich heute Abend statt. Vielleicht so ein oder zwei Stunden vor Sonnenuntergang?
Liebe Grüße,
ein unbekannter Elf, der dich gerne einladen möchte
PS: Ich erwarte, dass du meinen Bitten folgst, es könnten sonst gewisse Wahrheiten ausgeplaudert werden. Du weißt ja welche?
Diesen Brief hatte Tartin auf höchst ungewöhnlich Weise erhalten. Er war geradewegs durch das Fenster um einen Pfeil gerollt ins Zimmer geflogen. Die Fensterscheibe musste nun ersetzt werden und Tartin zollte dem Schützen und dem Bogen Anerkennung, dass er es geschafft hatte, das richtige Fenster zu finden und den Pfeil stark genug zu schießen. Allerdings vermutete er schon nicht mehr, wer der Elf war, der ihn gerne einladen wollte, war, denn er wusste es bereits. Es war der seltsame Elf, der ihn damals kurz vor der Siegesfeier schon besucht hatte. Tartin hatte nur darauf gewartet, dass er sich wieder meldete. Er hatte aber auch gehofft, dass der Elf einen Fehler begehen würde, einen solchen, damit er gefasst werden konnte. Diese Dummheit hatte er sich zu Tartins Bedauerung nicht erlaubt. Er hatte die Einladung für ihre nächste Begegnung sorgfältig und umsichtig verschickt. Er musste so etwas zumindest schon einmal angedacht haben, als er hier war, wieso sonst kannte er das richtige Fenster? Tartin hatte keine Angst, auch nicht, weil ihm dazu geraten worden war, nur eine Wache mitzunehmen. Er war neugierig und wollte mehr über diesen Elfen erfahren, der ihn offenbar sehr geschickt verarschte - um es einmal heftig auszudrücken. Er hatte ihn jedenfalls perfekt im Griff, Tartin hatte keine Chance, aber die würde sich schon noch auftun, da war Tartin zuversichtlich. Gerade solche Typen, die viel von sich hielten, machten die größten Fehler, man musste nur geduldig sein und das hatte Tartin in vielen Jahren als Senator mehr als nur ausführlich gelernt.
Er hatte seinen Diener soeben einen Glasermeister holen lassen, der den Schaden wieder reparierte und wartete nun auf dessen Besuch. Währenddessen machte er es sich beim Tee gemütlich und dachte nach, was der Elf nun von ihm wollte. War es Absicht, dass er ihn in DIE GALERIE DER KUNST einlud, hatte er dabei einen Hintergedanken? Sicher, dieser Elf tat wohl nichts ohne irgendwelche Hintergedanken. Viel schwieriger war es aber, dorthin zu kommen. Er musste sich wohl wieder in die Öffentlichkeit wagen, sosehr er sich auch dagegen sträubte. Er hasste es, wenn die Leute einen angafften, anschrien und auf den Jubel konnte er ebenfalls verzichten. Außerdem würden Fragen aufkommen, denn selten verließ einer der sieben Vertreter der Städte den Palast. Andererseits konnte er nicht schwänzen, darunter würde unvermeidlich sein Ruf leiden, das hatte ihm der Seltsame deutlich klar gemacht.
Er legte den Brief nachdenklich auf sein Tischchen zurück und nahm sich noch einen von den her-vorragenden Keksen. Seinen guten Koch hatten sie ihm wenigstens gelassen. Dabei machte er sich noch andere Gedanken. Da war schließlich noch der Junge. Tartin biss vorsichtig vom Keks und hielt reflexartig die Hand unter den Mund. Er fing die Brösel auf und beförderte sie dem Keks in seinen Mund hinterher.
Der Junge stellte sich leider als extrem stur heraus. Er wollte nicht mit den Informationen herausrücken und verärgerte damit Tartins Mann. Der wurde schon ungeduldig, denn der Adelige wollte nicht in diesem leer stehenden Haus wohnen, das war, wie er deutlich gemacht hatte, unter seiner Würde. Tartin aber wollte es auch nicht ändern, sollte der Adelige schmollen, aber er unterstand seinem Befehl und wenn es ungemütlich war, würde er sich eher beeilen, als wenn er in seinen weichen Federn ruhte. Nun hatte Tartin ihm auch erlaubt den Bruder des Jungen als Druckmittel einzusetzen. Er war sich nicht sicher, ob er an den Bruder herankommen konnte, aber es war nie schlecht, ein wenig mehr zu behaupten, als man eigentlich vermochte. Jetzt würde der Junge gewiss darüber nachdenken, denn sonst würde er seine Familie in Schwierigkeiten bringen. Außerdem gefiel es Tartin gar nicht, dass sich der Junge mit den Grünmänteln angefreundet hat, das war vielleicht nicht von Vorteil, wenn es hart auf hart kommen sollte.
DU LIEST GERADE
Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasyDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...