Er rieb sich die letzte Müdigkeit aus den Augen oder versuchte es zumindest. Er hatte die Nacht gar nicht schlecht geschlafen. Besser als im Zelt, in den letzten beiden Nächten. Im Zelt waren sie immer fast schon auf dem Boden gelegen, ohne viel darunter. Das war nicht angenehm und auch wenn das Bett nicht das sauberste war, hatte Jiran gut geschlafen. Er wollte nicht wissen, was ihm so alles, während er die Augen fest geschlossen hatte, in seine Kleidung geschlüpft war.
Erst einmal nahmen sie ihre Sachen, die sie gestern gar nicht ausgepackt hatten und machten sich auf den Weg nach unten. Sie hatten vor, nur eine Kleinigkeit zu trinken und dann gleich aufzubrechen. Vielleicht konnten sie auf dem Weg zur anderen Seite der Stadt ja noch bei einem Bäcker vorbeischauen.
Der Wirt war auch schon da, aber nicht die beiden Elfen vom Vortag. Wären sie noch immer oder schon wieder hier gesessen, hätte das Jiran echt gruselig gefunden.
Die Grünen bestellten lediglich Wasser und ließen Jiran gar nicht entscheiden. Empört nippte Jiran an seinem schrecklich geschmackslosen Wasser. Es gab ein besseres Frühstück, nachdem sie bezahlt hatten, denn nicht weit die Gasse hinunter schlug ihnen der Duft von frischem Brot entgegen.
Aber nicht nur diese drei hatte der leckere Duft hierher geführt. Die Elfen standen schon an, um noch einen warmen Laib Brot abzubekommen. Die Bäckerei, ein kleines, gemütliches Häuschen, das nicht so heruntergekommen aussah, wie die Gaststätte, in der sie die Nacht verbracht hatten, war überfüllt. Unten befand sich die Backstube und im ersten Stock lebte die Familie des Bäckers.
Sie traten in einen großen Raum, der wohl fast das ganze Untergeschoss einnahm. Dort war es warm und die Elfen, die in der Schlange standen, unterhielten sich fröhlich. Sie schienen sich alle zu kennen und gingen wohl immer zur gleichen Zeit zum gleichen Bäcker. Vielleicht hatten sie mit dieser Bäckerei ja endlich einen Glückstreffer gelandet, denn die Herberge konnte man sicher nicht als solchen bezeichnen. Der Bäcker buk sein Brot in dem gleichen Raum, in dem er es auch verkaufte. Seine Frau half mit und war hauptsächlich für den Verkauf zuständig, während sich ihr Mann um das Teig kneten und die anderen Dinge beim Backen kümmerte. Einige Kinder tollten in der Stube herum und warfen sich mit Mehl ab. Schließlich wurden sie von ihrer Mutter ermahnt und der ältere aus der Gruppe beteiligte sich sogar am Backen. Er durfte nach den Broten sehen und sagte schließlich Bescheid, als sie braun waren. Der Bäcker stimmte zu und half seinem stolzen Sohn, die fertigen Brote aus dem Ofen zu holen. Von der Schaufel kamen die Brote direkt in die Auslage und der Duft nach frischem Brot wurde noch intensiver. Mit der neuen Fuhre kam die Schlange voran. Endlich standen Jiran und die Grünen vor der Auslage. Sie kauften gleich drei Laibe, denn sie mussten damit ja noch über die nächsten Tage kommen, bis sie in Lithorin waren. Sowohl die Bäckersfrau, als auch die Grünen bedankten sich.
Plötzlich auf dem Weg nach draußen bekam Jiran eine Portion Mehl ab. Verärgert wandte er sich nach dem Angreifer um. Ein kleiner Junge mit mehligen Händen stand breit grinsend vor ihm. Jiran wischte sich über sein Gesicht. Er brauchte aber gar nichts tun, denn schon kam die Ermahnung der Mutter. Der Bäcker unterbrach sogar seine Arbeit nur, um den übermütigen Sohn zurechtzuweisen. Der verzog trotzig seinen Mund und stand mit verschränkten Armen dem verärgerten Jiran gegenüber. Allerdings nahm Jiran das Ganze schon nicht mehr so ernst. Am liebsten hätte er zurück geworfen. Schließlich, nach einigen Androhungen seines Vaters, entschuldigte sich der Junge bei Jiran. Seine Augen blitzten aber dabei und Jiran wusste, dass er seine Tat nicht bereute, sondern sogar sehr lustig fand.
Einer der Grünen fand es zwar auch lustig, war aber der Meinung der Kleine würde eine Abreibung gebrauchen. Er nahm dem Bäcker kurzerhand die Mütze vom Kopf. Der schaute den Grünen verdutzt an, sagte aber nichts. Schon hatte der Grüne die Mütze über dem frechen Jungen ausgeschüttelt. Weiß regnete es von der Bäckersmütze. Der Junge rannte schnell davon und hielt seine Arme über seinen Kopf, um das Mehl wenigstens ein bisschen abzuhalten. Der Grüne verfolgte ihn, bis der Junge stolperte. Er fiel hin. Dann schien es erst so, als würde sein weißes Gesicht zu weinen anfangen. Der Grüne machte ein betrübtes Gesicht, denn das hatte er nicht beabsichtigt. Dann aber verzerrte sich das Gesicht des Jungen und auf einmal fing er schrecklich an zu lachen. Er rannte schnell und immer noch lachend davon, eine Mehlwolke hinter sich herziehend. Nun musste die ganze Bäckerei lachen. Alle, die anwesend waren, fielen mit ein auch der Bäcker, dem der Grüne seine Mütze wieder zurückgab.
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Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasyDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...