Er sah zum Fenster heraus und sah nur grau. Regen, Regen und noch einmal Regen. Er beherrschte das Wetter schon seit dem letzten Abend. Ein ziemlich dreckiges Wetter für die Ankunft der Kämpfer, die vom Turnier kamen. Sie würden bei strömendem Regen einziehen und vor allem der Sieger würde darunter leiden, denn bei diesem Wetter ließ es sich nicht so gut feiern, wie wenn die Sonne strahlte. Der Regen prasselte laut auf den Fenstersims und Tartin starrte versunken hinein.
Für das Turnier hatte er nur wenige Gedanken übrig. Noch immer schwirrte ihm die Begegnung mit dem fremden Elfen im Kopf herum. Sie wollte ihn nicht loslassen, sie flößte ihm Angst ein. Das war ein Gefühl, das ihn die letzte Woche oft beherrscht hatte. Erst war da die Lügengeschichte und dann auch noch der provozierende Fremde. Tartin hatte keine Ahnung, was die ganze Aktion eigentlich sollte. Er hatte keinen Plan, was der Fremde wollte. Wollte er wirklich nur ein paar Bücher? Dann wäre er nicht so schnell verschwunden, wo er sich doch so überlegen gefühlt hatte, nur weil er keinen Zugriff zu diesen Büchern hatte. Nein, sein Ziel war vorrangig etwas anderes gewesen. Tartin hatte den Verdacht, dass der Fremde ihm einfach nur zeigen wollte, dass er von Dingen wusste, die eigentlich schon seit Jahrzehnten geheim waren. Von Dingen, von denen ein normaler Elf besser nicht wusste. Er war damit eine Gefahr für den Senat, denn würden diese Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, würde der Senat nicht mehr lange im heiligen Wald herrschen. Außerdem war sich Tartin sicher, dass dieser eine Besuch nicht der einzige bleiben würde. Was wollte der Elf damit erreichen und warum verdammt, hatte er unbedingt mit ihm sprechen wollen? Konnte er nicht die anderen Senatoren nerven, Tartin hatte auch so genügend Probleme.
Gegen Mittag, nachdem er fürstlich gespeist hatte, endlich mal wieder eine Mahlzeit alleine, kam dann die Nachricht, dass die Kämpfer in Kürze die Stadt erreichen würden. Tartin machte sich fertig, zog sich etwas Frisches an und drückte noch einmal die Daumen, dass seine Leute gewinnen würden. Seine Sänfte stand bereit und er ließ sich gerne in die großen Samtkissen sinken. Die Diener trugen ihn nach draußen.
Vor den großen Toren war eine große Plane aufgespannt worden. Die gehobene Gesellschaft Litho-rins und natürlich die Senatoren nahmen darunter Platz. Sie waren dort zwar trocken, aber das Prasseln des Regens auf die Plane, war fast unerträglich. Die Stimmung auf dem Platz hatte trotzdem nicht gelitten. Viele hatten sich mehrere Mäntel umgelegt, um eine Weile ausharren zu können, bis das Wasser zu ihrer Haut vordrang. Sie grölten und jubelten. Die Stimmung war vielleicht nicht so gut, wie wenn gutes Wetter herrschte, aber sie war des Turnieres wert.
Die Soldaten zogen ein. Sie machten trotz des Regens glückliche Gesichter. Sie strahlten über das ganze Gesicht, sofern es nicht von den nassen Haarsträhnen verdeckt war. Ihre Kleidung und auch das Gepäck waren durchnässt. Sie liefen stolz und fast schien es so, als würde ihnen der Regen nichts anhaben können und einfach an ihnen abprallen. Die Menge jubelte noch mehr und die meisten riefen Lithorin.
Dann endlich kamen die Soldaten über den Platz unter die Plane geschritten. Sie wurden von sieben Senatoren und dem Tribun ganz vorne erwartet. Außen herum saßen die Reichen Lithorins am Rand auf Stühlen, die nach Reichtum variierten. Es war viel Raum unter der Plane freigelassen worden. Dort stellten sich die Soldaten nun geordnet unter der Aufsicht des Tribuns hin. Sie strahlten und hielten fast alle stolz die Hände auf den Knäufen ihrer Schwerter. In der Mitte zwischen ihnen stand ein kleiner Altar. Er war dem Blutschrein nachgeahmt, doch war er kleiner und nicht so schön verziert. Es war ein langer Quader, der auf Hüfthöhe endete. Schwarzes Gold war in Streifen über den ganzen Altar gezogen worden. Dazwischen weißes Gold und überall, wo sich beide Farben berührten bildeten sich rote Streifen. Außerdem waren die Wappen der sieben Städte eingemeißelt und zwei Einhörner waren links und rechts aufgestellt. Figuren etwa handgroß, die sich auf die Hinterbeine stellten und beide identisch aussahen. Nur war das eine schwarz und das andere weiß.
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Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasyDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...