Kapitel XXVIII - Jatar

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Drei Tage nach seinem Besuch beim Senator aus Tartin und zwei Tage nach der Ankunft der Turnierkämpfer war er noch immer in Lithorin. Eigentlich war der Plan gewesen, nach zwei Tagen wieder abzureisen. Nun aber wollte er noch länger bleiben. Nicht, dass er die Gesellschaft von Elfen vermisste oder dass er Lithorin gar liebte. Nein, er mochte diese Stadt nicht und hielt alle Elfen für unfähig. Das hatte die Grausamkeit bei der Siegesfeier eindeutig bewiesen. Es war klar, dass diese Sache Folgen haben würde, mit der die Senatoren nicht im Geringsten rechneten. Im Grunde hatten sie alle, die beteiligt gewesen waren, ob Ödwacht oder die aus Lithorin, Ryonin oder sonst wo her, andere Elfen getötet und das war seit jeher ein Verbrechen. Nachdem die grausamen Soldaten aus Ödwacht befragt würden, würden sie nicht nur wahrscheinlich, sondern mit Sicherheit ausgestoßen werden. Die anderen blieben aber wohl verschont, das galt als Verteidigung und das war es auch. Unter keinem Kaiser war ein Elf, der einen anderen seiner Art umgebracht hatte, ungeschoren davon gekommen. Die Strafe richtete sich nach den Umständen, aber schon immer war sie hart gewesen.  

Als er die Schenke betrat, starrten ihn wie immer alle an. Das würde er wohl nicht loswerden, wenn er in dieser Gestalt unterwegs war. Es hatte sich leider nicht einrichten lassen, seine Haare zu färben und sein Körper war auch nicht weniger jung gelungen. So nun stellte er eine etwas seltsame Erscheinung dar. Ganz unnatürlich aber war es auch nicht wirklich. Sie brauchten gar nicht so schauen, es gab durchaus Jünglinge, die schon mit geringem Alter weiße Haare bekamen. Jatar war keiner von ihnen, aber das wusste niemand. Solange die Elfen wegen seinem Aussehen nicht ungemütlich wurden, konnte es ihm egal sein.  

Es war eine angesehene Taverne. Er hatte sich extra eine der guten ausgesucht. Da war die Wahr-scheinlichkeit, dass alles, was die Leute so erzählten, nicht völliger Blödsinn war, höher. Der Schank-raum war schon am späten Nachmittag heillos überfüllt und wurde von einem wabernden Dunst beherrscht, Jatar hätte die Fenster am liebsten sperrangelweit aufgerissen, alle. Aber sie waren verriegelt, außerdem wollte er sich keinen Ärger einfangen. An den Tischen saßen die unterschiedlichsten Gestalten. Meist waren es reichere Elfen und nicht die ganz untere Unterschicht. Keine abgerissenen Gestalten, sondern viele Händler, wohl auch weil sie in der Nähe der Binnenhafen lag. Wie sollte er hier bloß noch einen freien Tisch finden? Und vor allem, wen suchte er sich als sein Opfer aus, um ihn auszuquetschen? 

Er begab sich zuerst zur Theke. Einige Blicke folgten ihm, aber schließlich befanden auch sie, dass er nicht so interessant war, wie sie gedacht hatten. Der Wirt musterte ihn dagegen eher gelangweilt. Er zog fragend die Augenbrauen hoch und wischte sich seine Schweißhände an seiner dreckigen Schürze ab. An der Theke saßen einige schon halb betrunkene Seeleute, die von einer eifrigen Elfe bedient wurden, die mit dem Nachschenken gar nicht mehr hinterher kam. Ob er mit diesen Leuten noch vernünftig reden konnte, bezweifelte Jatar sehr. Daher versuchte, er ein Gespräch mit dem Wirt aufzubauen. Er log, dass er aus einer anderen Stadt kam und leider die gestrige Siegesfeier verpasst hätte. Er kam nicht einmal bis zum Ende seiner wirklich kurzen Geschichte, da hatte der Wirt schon das Interesse verloren. Er wandte sich ab unter dem Vorwand, er müsse einen Gast bedienen. Er hatte sogar recht, denn zu Jatar hatte sich ein weiterer Elf gesellt. Er bestellte beim Wirt kurzerhand ein Bier und drehte sich dann zu Jatar. Er war auch ein wenig von Jatars Erscheinungsform überrascht, dass konnte Jatar in seinen Augen lesen, aber er sprach ihn nicht darauf an.  

„Ich habe dich hier noch nie gesehen. Bist du ein Stammgast?", fragte er und stützte sich dabei lässig auf die Theke.  

Jatar wunderte sich, dass es ihn nicht störte, dass sein Arm soeben in einer Bierlache gelandet war. Er hatte kurze Kleidung an, als wäre es warm draußen und die Sonne würde scheinen. Das war aber nicht die Wahrheit, denn es schüttete schon seit Tagen ohne Unterlass. Außerdem hatte er schwarze Haare, die nicht sonderlich lang waren und ihm einfach über die Schultern hingen. Würde Jatar ihn einordnen müssen, dann wäre das irgendwo in der Mittelschicht, aber eher weiter unten. Er konnte sich aber natürlich auch täuschen. Mit seinen dreckigen Kleidern hielt ihn der andere sicher auch nicht für einen wohlhabenden Elfen, was ja irgendwie der Wahrheit entsprach. Wohlhabend war er, aber kein Elf! Zuren hatte eine Menge Geld von Elfen erbeutet, das Jatar nun bekommen hatte. In dem Nachtelfendorf nämlich handelte keiner mit normalem Geld, sondern es herrschte einfacher Tauschhandel.  

Der Blutschrein [2] - LithorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt