Schmerz durchzuckte ihn, als er wieder zu sich kam. Keine schöne Begrüßung. Trotzdem hob er froh seine schweren Augenlider, er war wieder aufgewacht, die Götter hatten ihm seinen Wunsch erfüllt. Dafür war er unendlich dankbar, aber es kam ihm auch ein wenig lächerlich vor. Die Götter, wann hatte ein Elf je schon an Götter geglaubt.
Er war mitten in einem Wald, der sich noch nicht ganz klar darstellte, denn seine Sicht war ver-schwommen. Er blinzelte und versuchte, während er auf die Vögel hörte, seinen Blick zu schärfen. Langsam begannen die Bäume scharf zu werden, und waren nicht länger ein undeutlicher brauner Strich mit einem großen grünen Fleck obendrauf. Jemand unterhielt sich in seiner Nähe, aber deren Stimmen waren gesenkt und kaum zu verstehen. Elijo war zugedeckt, eine braune Decke, an der überall spitze Ästchen hafteten. Gedankenverloren zupfte er einen Zweig nach dem anderen aus der Decke. Dabei dachte er über die schreckliche Schlacht nach. Diese Schlacht, die er überlebt hatte und einige andere auch noch, die die dort hinten miteinander redeten. Elijo hatte aber nicht viel Hoffnung, dass seine Eltern oder seine Schwester das Gemetzel überlebt hatten. Irgendwie wusste er einfach, dass sie tot waren, dass er nun alleine dastand. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er wollte aber nicht hier weinen, nicht wenn ihm die anderen Nachtelfen vielleicht zusahen. Trotzdem überwältigte ihn der Schmerz so sehr, dass die Wunde am Arm, die sorgfältig verbunden worden war, gar nicht mehr schmerzte. Er hatte größere Wunden aus dieser Schlacht davon getragen. Wunden, die vielleicht nie oder nur sehr schlecht heilen würden. Er hatte selbst keine Kraft mehr dazu, die Elfen zu verwünschen, er trauerte nur um seine Familie.
Das Laub knisterte und dann standen ein Paar hohe Soldatenstiefel vor ihm. Erschrocken schaute Elijo auf und blickte in ein schwarzes Gesicht. Ein Nachtelf, er kannte ihn, es war derjenige, der die Bogenschützen auf dem Hügel in der Schlacht befehligt hatte, Ferin. Wenigstens einer, dessen Name Elijo kannte und den er schon kennen gelernt hatte. Er war doch nicht so alleine, aber der Nachtelf konnte sein Familie nie ersetzen.
„Wie geht es deinem Arm?", fragte der hagere Schütze.
Elijo krächzte nur ein paar unverständliche Worte. Seine Kehle war schrecklich rau, er drohte wieder zu weinen zu beginnen und wandte sich ab. Der Nachtelf verließ ihn. Kein weiteres Wort, weder dass sich Elijo zusammenreißen sollte, noch ein Wort, das seine Trauer milderte. Die Schritte entfernten sich wieder und die Gespräche begannen wieder. Elijo hatte nichts dagegen, er brauchte erst einmal eine Weile, bis er diese Erinnerungen, diesen Schmerz verarbeitet hatte. Vielleicht würde es ihm nie wirklich gelingen.
Er zwang sich dazu, realistisch zu denken, nicht mehr an die Opfer, an seine Familie, an diese ver-dammten Elfen, vor allem den miesen, kleinen Verräter. Also. Er wusste nicht einmal, wo sie waren, stellte er fest. Allerdings nicht weit weg vom Schlachtfeld, denn die Nachtelfen, die überlebt hatten, hatten dem verlassenen Schlachtfeld zumindest einmal einen Besuch abgestattet, wieso sonst konnte Ferin diese guten Soldatenstiefel tragen, die ganz sicher einmal einem Elfen gehört hatten? Das hieß, sie hatten den schrecklichen Ort schon gesehen und dennoch trauerten sie nicht oder kaum merklich, sondern unterhielten sich gefasst? Wenn sie allerdings über die Zukunft sprachen, konnte Elijo das verstehen. Das war ihm jetzt auch wichtig, er wollte wissen, wie es weiter ging. Das würde ihm helfen, hoffte er zumindest.
Er stand auf, doch als er seine Hand zum abstützen benutzen wollte, schmerzte ihn wieder sein Arm. Die Kraft wich und der Arm knickte ein. Er landete unsanft auf dem Boden. Daraufhin musste er sich mit der linken Hand begnügen. Die Decke rollte er mühevoll zusammen und achtete darauf, dass er seinen Arm nicht zufällig benutzte, weil es Gewohnheit war. Er klemmte sich die Rolle unter den Arm und machte sich auf, die anderen aus der Gruppe aufzusuchen, die überlebt hatten.
Die Soldaten waren wieder abgezogen und hatten sie offensichtlich auch nicht entdeckt. Elijo hatte unglaubliches Glück und er bewunderte auch Ferin, der, wie er sich erinnern konnte, ihn mitgenommen hatte. Ihm hatte er wohl sein Leben zu verdanken. Zusammen waren sie geflohen, aber da war alles nur noch schnell und verschwommen in Elijos Erinnerung. Kein klares Bild wollte sich ergeben, er wusste nur noch, dass sie in einen Wald geflüchtet waren, in dem er sich eben wiederfand.
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Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasyDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...