Kapitel XIV - Dasuna

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Rauch stieg über den Dächern von Tartin auf. Er kam eindeutig vom Hafen und bevor Dasuna das Unglück sah, wusste sie schon, dass es ein Schiff sein musste, das da brannte. Es kam oft einmal vor, wenn unvorsichtig mit Kerzen oder anderem offenen Feuer umgegangen wurde. Sie wollte sich das aber nicht entgehen lassen und strömte mit der Menge, die alle genauso neugierig waren wie sie, zum Hafen. Sie musste aufpassen, dass sie ihre Einkäufe, die sie gerade getätigt hatte, nicht verlor. Sie fasste den Griff der Tasche fester und warf sich ins Getümmel.

Der Hafen, auf den die große Handelsstadt so stolz war, lag an der Mündung der Secunda ins Meer. Der große Fluss kam von Lithorin und vereinte sich im Hafenbecken von Tartin mit dem Meer. So hatte Tartin Anschluss an die großen Flüsse des heiligen Waldes, die alle irgendwie zusammenhingen und direkten Anschluss zum Meer, von wo aus man Ryonin gut erreichte. Diese Stadt lag am ungünstigsten und hatte keinn Fluss oder kein Meer in der Nähe. Deshalb hatte es einen Hafen weit außerhalb der Stadt am Meer.

Der Hafen bestand aus mehreren Becken, die alle mehr oder weniger jeweils nur von einer Stadt genutzt wurden. Es hatte sich allmählich so ergeben, dass die Händler einer Stadt immer im gleichen Becken landeten. Auch ein spezielles Hafenbecken etwas weiter außerhalb gab es, das für das Militär und die Flotte gedacht war.

Das Schiff, das nun brannte, lag im Hafenbecken, das vor allem Händler aus Ryonin nutzten. Menschenmassen drängten sich nun um das brennende Schiff. Die anwesenden Soldaten versuchten gleichzeitig die Menge einzudämmen und das Schiff zu löschen. Eine besorgte Gruppe Händler stand nahe des Schiffes und blickten wehmütig und traurig. Sie waren wohl die Eigentümer des brennenden Schiffes. Es war deutlich zu erkennen, dass dieses Schiff nun nicht mehr seetüchtig war, selbst wenn die Soldaten es vor dem endgültigen Abbrennen retten würden können. Dasuna aber suchte sich ihren Platz nicht mitten zwischen den ganzen Elfen, wo sie sowieso nichts sehen konnte. Sie umrundete die Traube und hielt auf die Hafenmauer zu, die das Becken links begrenzte und an dessen Ende die Kette angebracht war, mit der man den Hafen verschließen konnte. Dann konnte den Hafen niemand mehr ansteuern oder ihn verlassen. Aber diese Kette wurde nur selten gesenkt, nämlich dann, wenn Notstand in der Stadt herrschte und zum Beispiel ein Verbrecher gesucht wurde und der Fürst nicht wollte, dass er mit einem Schiff die Stadt verließ.

Sie lief die schmale Mauer aber nicht ganz bis zum Ende hinab, sondern verharrte dort, von wo aus sie das Geschehen am besten verfolgen konnte. Ihre Einkäufe hielt sie noch immer in der Hand und beobachtete nun, wie die Soldaten Wasser aus dem Meer schöpften, um das Schiff damit zu löschen. Es war aber ein hoffnungsloses Unterfangen, denn es war klar, dass das Schiff vollständig abbrennen würde. Die Soldaten hatten das nun auch erkannt und konzentrierten sich eher darauf, dass nicht noch ein Schiff Schaden davontrug und es bei diesem einen Opfer blieb.

Plötzlich nahm Dasuna eine Bewegung unter sich wahr. Das Wasser schlug Wellen, die gegen die Mauer platschten. Kurz darauf tauchte ein Kopf aus dem Wasser auf. Dasuna ließ erschrocken die Einkäufe fallen und hielt sich ihre Hand vor den Mund. Die Haare klebten dem Elfen vollgesogen im Gesicht. Er stemmte sich an der Mauer hoch und dabei sah Dasuna, was er in seiner Hand hielt. Eine Fackel, die aber bereits erloschen war. Kein Wunder, wenn der Elf eine Tauchtour gemacht hatte. Wassertropfen nässten die Mauer und sie färbte sich grau zu den Füßen des Elfen. Er trug noch seine volle Kleidung, die genauso wie seine Haare an seinem Körper klebten. Das weiße Leinenhemd war sogar so durchnässt, das Dasuna seinen Oberkörper darunter gut erkennen konnte. Er wandte sich zu ihr um und war keineswegs so überrascht von ihr, als das anders herum der Fall war.

Dasuna war fast klar, was dieser Elf getan hatte, wofür er die Fackeln gebraucht hatte und warum er nun hier einfach so im Hafenbecken wieder auftauchte. Sie hatte denjenigen vor sich, der das Schiff angezündet hatte. Zunächst war sie verwirrt. Eigentlich sollte sie nach den Soldaten rufen, aber der Ruf wollte ihr nicht über die Lippen gehen.

Dann war der Elf ganz nah. Er drückte ihr die Fackel in die Hand und blickte sie aus seinen grünen Augen an. Er grinste und Dasuna erkannte Aerun. Ihr wurde schlecht. Sie konnte es nicht glauben. In ihrem Kopf drehte sich auf einmal alles.

Aerun war längst wieder verschwunden, als jemand sie entdeckt hatte.

Sie stand noch immer da, mit der Fackel in der Hand und war sich klar, dass wenn die Soldaten gleich kamen, sie ganz schönen Ärger am Hals hatte. Trotzdem wollte sie sich weder rühren, noch ließ sie Fackel ins Wasser fallen. Sie musste einfach nur loslassen und schon war das beste Beweismittel verschwunden. Es war so einfach, doch ihre Hände wollten nicht gehorchen.

Sie konnte noch immer nicht fassen, wer aus dem Wasser gestiegen war und ihr diese Fackel in die Hand gedrückt hatte. Die Soldaten hatten sie schon und zerrten sie, ohne dass sie Gegenwehr leistete von der kleinen Mauer. Wie in Trance war sie und bekam den Weg zu den Kasernen nicht richtig mit. Sie wurde in eine Zelle geschmissen und konnte nicht begreifen, was eben passiert war. Es war alles so schnell gegangen.

Der Blutschrein [2] - LithorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt