iese Tage waren ein Horror für ihn. Vor allem drei Dinge ließen ihn nicht los. Weder in seinem Trakt, in dem er regelmäßig Besuch empfangen musste, aber auch wollte, und schon gar nicht in den Ratssitzungen, in denen es immer höher kochte. Alle Senatoren waren wegen der Forderung der Generäle, den Senator aus Ödwacht abzusetzen, aufgeregt und hinzu kam noch, dass dieser Junge, den Tartin zur Befragung nach Lithorin holen lassen wollte, sich schon um Tage verspätet hatte. Das zumindest behauptete Tartin selbst, jeder Senator machte sich da aber so seine eigenen Gedanken. Das waren auch zwei der Dinge, die Tartin beschäftigten. Der Junge, von dem er sich wünschte, er würde nicht so stur sein und die Generäle, die sich seiner Meinung nach in Dinge einmischten, von denen sie nichts verstanden. Das Dritte war die Nachforschung, die er anstellte, um den fremden Elf zu enttarnen, der ihn ziemlich zum Narren gehalten hatte. Viel war er nicht voran gekommen, aber er hatte noch Hoffnung. Auch alle Leute die er ausgesandt hatte, hatten bisher nichts brauchbares gebracht, nur in welchem Gasthaus er abgestiegen war und sogar, wo er den Bogen und die Pfeile herbekommen hatte. Die Kleidung, mit der er Tartin vorgegaukelt hatte, er sei der Glasermeister, hatten sie nicht wiedergefunden und der Wirt hatte gemeint, der Fremde hätte keinen Fetzen mitge-nommen, als er gegangen sei. Genauso habe er nichts mitgebracht und die Waffen waren ebenfalls verschwunden.
Die sechs Generäle waren heute schon in die Senatssitzung hereingeplatzt und hatten ihren Stand-punkt klar gemacht. Der siebte General war ebenfalls anwesend gewesen, doch war er nur mit bleichem Gesicht neben den anderen gestanden. Er hatte nicht einmal die Kraft gehabt, den anderen zu widersprechen. Man hatte ihm angesehen, dass er schlaflose Nächte verbracht und versucht hatte, die anderen Generäle von ihrem harten Urteil abzubringen. Er war kläglich gescheitert und die Generäle triumphierten. Ihrer Meinung war aber eigentlich kein einziger Senator. Die neuen Städte hatten dem Rücktritt nichts entgegenzusetzen und würden sich weder dagegen noch dafür entscheiden. Das einzige, was sie störte, war dass sich die Generäle diese Dreistigkeit überhaupt erlaubt hatten. Die alten Städte sahen die Dinge ein wenig anders. An dieser Stelle hätte es sich für Ödwacht vielleicht doch ausgezahlt, nicht immer den neutralen gespielt zu haben, denn dann hätte er klare Verbündete gehabt. So aber nun war es den alten Städten ebenfalls relativ egal, nur lehnten sich diese noch mehr gegen den Vorstoß der Generäle auf. Hätte ein Senator den Antrag gestellt, würde Ödwacht vermutlich schon nicht mehr auf seinem Sitz Platz nehmen können. Keinem war er ein Dorn im Auge, aber hätten sie sich entscheiden können, auf Anlass eines Vorschlags eines Senators, hätten fast alle Senatoren für seinen Rücktritt gestimmt. Einfach aus dem banalen Grund, dass dann jemand anderes in den Senat kam. Man ging das Risiko ein, denn obwohl auch die anderen Städte ihn gewinnen könnten, es bestand auch eine reale Chance, dass er sich dem anderen Bündnis anschloss. Und wenn der neue ebenso neutral war, hatte man doch nichts verloren. Zwei zu drei standen die Chancen, dass man verlor, aber das Risiko konnte es durchaus wert sein.
So war nun die Tatsache, dass der Antrag von den Generälen kam, die einzige Tatsache, die die Se-natoren störte und weswegen sie noch darum kämpften, ob die Generäle zu einer solchen Tat überhaupt berechtigt waren. Es war ein Angriff auf die Macht der Senatoren und es ging vielmehr um den Erhalt dieser Macht, als um den Erhalt der Macht eines einzelnen, unbedeutenden Senators.
Es kamen immer mehr Wirte und Ladenbesitzer, die von Streiterein in ihren Räumen erzaählten. Teils mit blutigem Ausgang. Abgesehen davon, dass sie Schadensersatz forderten, meinten sie, die Sache mit Ödwacht müsse endlich geregelt werden, denn es sei ja nicht hinnehmbar, dass diese Schweine ihre schöne Stadt terrorisierten. Auch Hauptmänner und Angehörige des Militärs und der Spez waren um die Sicherheit in den Straßen besorgte. Und trotzdem hatte der Senat noch keine Antwort gefunden. So war das mit den trägen, alten Herren und den mutigen Generälen, die die Regierung umkrempeln wollten. Oder ihr zumindest ihren Willen aufzuzwängen versuchten.
Die heutige Debatte war hitzig gewesen und keineswegs angenehm. Die Generäle bildeten eine feste Einheit und ließen sich auch nicht von den Senatoren aus derselben Stadt umstimmen. Die Senatoren dagegen hatten sich alle untereinander gestritten. Die einen kümmerte es mehr, dass die Generäle diesen Angriff gewagt hatten, den anderen, wie Assadéi war das vollkommen gleichgültig. Er hatte seinen Aufstieg einzig und allein dem Militär zu verdanken. Ohne das wäre er niemals ein Senator und den zwei anderen Senatoren aus den neuen Städten ging es genauso. Tartin war nicht so abhängig vom Militär gewesen, wie Assadéi, aber dennoch hatte es ihm seinen Aufstieg erleichtert. Er war schließlich der General der alten Rebellion, die sich auch gerne die Hornlosen genannt hatten, weil sie keine Einhörner besessen hatten.
Am Ende stand alles wie am Anfang. Unentschieden zerstreuten sich die Senatoren wieder und die Generäle waren fester denn je überzeugt von ihrem Urteil. Sie hatten erkannt, dass sie durchaus mehr gegen die Senatoren ausrichten konnten, als sie bisher angenommen hatten. Auch der Senat war über-rascht, wie die Generäle es geschafft hatten, sie, die alten, ruhigen Senatoren so aufzuwirbeln. Es war einfach ein Machtgefüge, das sich langsam aber sicher in Richtung Militär verschob. Wenn sie nicht aufpassten, war es dahin mit dem Senat und der nächste Kaiser saß auf dem Thron. Schmerzlich wurde den Senatoren bewusst, dass das Militär wohl die Macht dazu hatte, sie zu stürzen oder zumindest wuchs ihre Macht gerade. Es war das Volk, das den entscheidenden Unterschied machte. Sie waren Elfen und wenn Elfen etwas nicht recht war, egal gegen wen, dann kämpften sie. Die Elfen waren nicht schwach wie die Menschen, denn jeder Elf konnte eine Waffe führen. Notfalls konnte das vereinte Volk das Militär und die ganze Regierung einfach aushebeln. Es galt diese Macht für sich zu gewinnen.
Zuvor war im Senat noch etwas diskutiert worden, was für Tartin weitaus unangenehmer war. Es stellte sich heraus, dass die Senatoren lange genug gewartet hatten, nun forderten sie, den Jungen zu sehen. Da gab es nur ein kleines Problem. Die Sturheit dieses verdammten Jünglings, die drohte, alles kaputt zu machen. So sorgfältig hatte Tartin lügen müssen und so sehr hatte er sich bemüht, nur damit dieser Junge endlich in seinen Händen war und nun nichts von sich gab, weil er meinte, er wüsste nichts mehr. Selbst die Drohung mit seinem Bruder hatte er überwunden - wohl mithilfe der Grünen - sodass er noch einen Tag gewonnen hatte und Tartin einen verloren hatte.
Das war nicht gut und noch konnte Tartin den Senat mit einigen Versprechen, er würde bald auf-tauchen und es gäbe Komplikationen bei der Reise, auf Abstand halten. Würde der Junge aber nicht bis Morgen ausplaudern, müsste Tartin ihn zeigen, denn weiter konnte er es nicht heraus zögern. Dann wäre alles umsonst, aber noch war es nicht so weit, noch hatte er den Bruder als Drohung in der Hand.
Doch inzwischen hatte sich auch das erübrigt.
Heute war eine Nachricht eingetroffen. Darin schrieb der General der Grünen voller Bedauern, der Junge konnte fliehen und sei ihnen abhanden gekommen. Tartin nahm die Hände von seinem Gesicht und stöhnte auf. Das war zu viel für ihn, er war für diesen Stress zu alt, was sollte er dem Senat sagen?
Ihm wurde übel, als er daran dachte, wie er seine eigene Unfähigkeit gestehen müsste. Wie dämlich bitte stand er dann da? Es lief in letzter Zeit tatsächlich nichts so, wie er sich das wünschte.
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Der Blutschrein [2] - Lithorin
FantasiDer Elfenjunge Jiran ist seinen Verfolgern, den Nachtelfen, mit viel Glück und der Hilfe eines Katzenjägers, der Jiran nicht nur einmal sein Leben gerettet hat, entronnen. Nun kehrt er also zurück in den Alltag, in seine geliebte Elfenstadt Ryonin...