Kapitel XLVI - Jiran

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Sein erster Versuch war kläglich gescheitert. Das war im Moment aber zweitranging. 

Sein Kopf fühlte sich an, als würde er explodieren, solche Schmerzen musste er aushalten und dann nebenbei auch noch die nervigen Fragen von Berìn beantworten. Immer wieder hatte er das panische Gefühl, keine Luft zu bekommen. Dann schnappte er hektisch nach Luft, er verschluckte sich und musste husten. Damit war das Gespräch unterbrochen, ein mitleidiger Blick von Tiklos und schon fing Berìn wieder mit seiner Fragerei an.  

Jiran saß auf seinem Bett, zumindest war er in dem Zimmer, in dem er die letzten Tage verbracht hatte. So wie es aussah, waren es nicht die letzten gewesen, es kamen noch welche hinzu, nachdem seine Flucht so abrupt geendet hatte. Im Nahhinein schalt er sich für seine Dummheit. Er hatte ernsthaft geglaubt, im tiefen Fluss tauchen zu können mit dem kiloschweren Gepäck auf dem Rücken. Hätte ihm ein anderer genau diesen Vorschlag gemacht, hätte Jiran ihm den Vogel gezeigt und mit Vergnügen aufgezählt, wie viele tausend Dinge bei seinem Plan schief gehen konnten. Aber das wusste er jetzt auch, auf sich selbst konnte er nicht hören. 

Er war zugedeckt und steckte in neuer, trockener Kleidung. Als er aufgewacht war, hatte es nicht lange gedauert, bis er die Geschichte zu hören bekam, was ihm widerfahren war. Er hatte es sich schon ausmalen können und wollte sein Versagen gar nicht hören.  

Berìn wollte wissen, warum er das getan hatte, was verständlich war, Jiran aber mit einer Lüge beantwortete. Außerdem, warum er beinahe im Fluss ertrunken wäre, er konnte doch schwimmen. Auch hier log Jiran wieder ungeschickt, aber wer kam nicht drauf, dass er fliehen wollte, bei diesen offensichtlichen Hinweisen. So hatten auch die Grünmäntel schnell erkannt, dass er log, dass er hatte fliehen wollen und urplötzlich ließen sie von ihm ab. Sie verordneten ihm viel Schlaf und nachdem es schon tief in der Nacht war, fiel es Jiran nicht schwer, die Augen zu schließen. Er hoffte, sein Gehirn würde aufgeräumt haben, wenn er wieder aufwachen würde.  

Es schien, als würde genau das sein Kopf mit Träumen tun. Mit Alpträumen, die ihn kurz nach dem Einschlafen plagten.

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Es ist blau um mich herum. Oben ist das blau heller und nach unten verschwimmt es immer mehr zu einem dunklen schwarz. Ich schwebe, mein Körper fühlt sich herrlich leicht an. Alle meine Sorgen und Ängste sind auf einmal wie weggefegt. Glitzernde Vielecke brechen durch das helle Blau, sie stechen mir in die Augen. Und dann überkommt es mich auf einmal heiß und kalt. Ich bin im Wasser. 

Meine Leichtigkeit ist dahin, sie weicht der Panik. Auf einmal lastet schwer das Gewicht des Wasser auf mir, zerrt mich in die Tiefe. Das helle Blau, es lässt mich los, übergibt mich an die Schwärze. Ich strampele panisch, öffne meinen Mund. Ich bekomme keine Luft mehr. Ein Schwall blubbernder Blasen dringt aus meinem Mund und gleichzeitig versucht das Wasser sich einen Weg in meine Atemwege zu bahnen. Es drängt vorwärts, ich kann nicht gegen die Tiefe und das in meine Nase und meinen Mund drängende Wasser ankämpfen. Unvermittelt habe ich riesige Ängste, Todesängste.  

Luft schnappend wachte er auf. Er richtete sich auf und einen Moment lang wollte er noch mit seinen Beinen strampeln, aber da war kein Widerstand. Seine Decke war längst auf dem Boden gelandet, er hatte sie von sich gestrampelt. Der Schweiß lief ihm seinen Rücken hinab und sog sich in sein Hemd. Er legte seine Hand über seine Augen und besann sich einen Moment lang. Es war heiß im Zimmer. Wackelig stand er auf und tapste zum Fenster. Er drückte das schöne Glasfenster auf und streckte seufzend seinen Kopf hinaus in die kühle Nachtluft.  

Sie strich um ihn und gelangte auch zu seinen Füßen. Er genoss die kühle Luft auf seiner verschwitzten, heißen Haut, doch die Freude währte nicht lange. Plötzlich begann er zu zittern, die Nachtluft erschein ihm auf einmal nicht mehr erfrischend, sondern kalt und unbarmherzig. Gedanken rasten auf ihn ein, der gescheiterte Fluchtversuch, sein Bruder, der dafür bezahlen musste und der rote, missmutige Elf, der nicht glauben wollte, dass Jiran ihm nichts mehr verraten konnte. All das ließ ihn frösteln und zittern. Er schloss das Fenster wieder und legte sich zurück auf sein Bett. Er hatte das Fenster nur einen Augenblick aufgehabt und schon war es kalt im Zimmer. Oder er bildete sich das nur ein.  

Der Blutschrein [2] - LithorinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt