1. Kapitel

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Ich sehe aus dem Fenster und beobachte die Regentropfen die die Scheibe entlang laufen, die Stadt die an mir vorbeizieht. Ich nehme weder das Radio das spielt wahr, noch wie die Stimme versucht mit mir zu reden. Komisch. Es ist so als würde das Wetter sich an meinen Gefühlen anpassen. Denn ich fühle mich gerade genau so wie das Wetter. Dunkel, kalt, alleine und mir ist zum weinen zumude. Ich würde gerne weinen, schreien, mich wehren, aus dem Wagen springen und so weit weg von hier rennen wie nur irgendwie möglich, doch ich kann einfach nicht.
Es ist so als könnte ich mich nicht bewegen. Als könnte ich gar nichts mehr machen außer atmen und blinzeln. Mein Körper ist schwer wie Blei und in meinem Hals ist ein Kloß der seit Beginn der Fahrt mir im Hals steckt. Es fühlt sich an als würde er mir die Luft zum Atmen rauben, als wäre ich nicht mehr Herr meiner Sinne und einfach eine leblose Hülle die hier im Auto sitzt und nichts machen kann, außer aus den Fenster zu schauen. Ich stürze mich hier gerade selbst in den Abgrund, doch ich kann nichts machen. Doch selbst wenn ich mich dagegen wehren könnte.. was würde mir das bringen? Man würde mich wieder einfangen und das ganze würde wieder von vorne losgehen. Immer und immer wieder.

Ich habe eine Scheiß Angst wieder dort zu sein. Dort zu leben. Alte Orte und alte Personen zu sehen. Ich habe Angst, dass alles so wie früher wird. Das ich wieder in das tiefe Loch falle, in Depressionen. Ich habe einfach Angst, dass meine Erinnerungen sich wieder in meinem Kopf abspielen würden. Erinnerungen die sich in mein Kopf gebrannt haben und die ich gerne vergessen möchte. Einfach um glücklicher zu sein. Um damit umzugehen. Erinnerungen die ich mit allen Mitteln versucht habe zu unterdrücken, wegzusperren. Genauso wie meine Empfindungen, Gefühle. Dieser Ort hat mich verändert, ins negative und nun muss ich dort wieder zurück kehren. Doch was habe ich für eine Wahl? Gar keine. Egal wie viel Angst ich habe, ich muss dort hin. In meine alte Heimatstadt.

Aber am meisten Angst habe ich wohl davor diesen einen Menschen wieder zu sehen. Sie. Taylor Summer. Das Mädchen das ich in mein Herz ließ, obwohl ich das mit niemanden tat. Das Mädchen das ich vertrauen konnte, sogar blind und ohne jegliche Orientierung. Das Mädchen das ich einst liebte. Gott, ich liebte Taylor so sehr.. Das Mädchen das ich verließ ohne mich richtig von ihr zu verabschieden.
Sie war mein Mädchen. Meine Liebe. Mein Leben. Mein ein und alles... vielleicht auch meine Liebe des Lebens. Doch ließ ich sie gehen. Wegen damals. Ich konnte es nicht mehr ertragen und musste uns beiden das Herz brechen und gehen. Ohne ein Wort, ein letzten Kuss oder eine Umarmung. Wenn ich daran zurück denke, bricht es mir das Herz. Selbst jetzt noch. Ich habe mir das nie richtig verziehen was ich mir, uns, aber vor allem ihr angetan habe. Nach dem Kontaktabbruch hat sie mir unzählige Nachrichten geschrieben, mich angerufen und mir auf die Mailbox gesprochen, da ich nicht dran ging. Ich höre ihre verweinte Stimme, die mir sagt was ein Arsch ich sei. Doch auch wie sehr sie mich liebt.

Ich erschrak, als ich etwas an meinen Wangen spürte.
Ich merkte gar nicht das ich angefangen habe zu weinen. Die Tränen liefen mir tonlos über mein Gesicht. Ich verstehe nicht warum ich weine. Die Erinnerungen sind lange nicht mehr so schmerzhaft wie früher. Außerdem bin ich kein Mensch mehr der viel weint. Der war ich früher Mal. Doch musste ich stark und kalt werden. Ich durfte keine Schwäche zeigen, also erst Recht nicht weinen. Ich fasste mir an die linke Wange. Nicht um mir die Tränen wegzuwischen, nein. Ich machte gar nichts. So als ob ich das alles erstmal realisieren müsste. Denn genau das musste ich auch. Ich hoffte das alles sei nur ein Traum. Einfach ein langer Alptraum. Ich hoffe selbst jetzt noch das ich irgendwann in meinem Bett aufwache. Verweint, verschwitzt, mit einem schnellen Herzschlag. Nur um zu bemerken das das alles ein Traum war. Einfach nur ein Alptraum den ich immer und immer wieder hätte, jedes mal auf's neue. Doch ich weiß das es kein Traum ist. Es ist die kalte Realität. Das alles passiert gerade echt. Scheiße.. Ich weiß nicht mal wie ich das durchstehen werde. Ich weiß ja nicht mal wie die Familie ist. Das wird wahrscheinlich wieder eine assi Familie sein, wo ich alles daran setze da raus zu kommen, egal wie. Es wäre nicht das erste Mal das ich fliehe. Noch nie war ich lange bei einer Familie. Ich wollte zu keiner. Ich wollte alleine sein und mein Ding machen. Ich brauche keine Familie die auf heile Welt macht. Ich brauche gar keine Familie mehr. Ich habe eine eigene. Oder.. eher hatte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als das Auto plötzlich stoppte. Mein Fahrer und gleichzeitg Erzieher sah mich von der Seite an.
"Skyler wir sind da." Ich wischte mir möglichst unauffällig die letzten Tränen weg und nickte ihm kurz zu. Jedoch blieb ich noch sitzen und starrte auf die ganzen Häuser die hier standen. Alles war so pompös, voller Luxus. Ich hasse es jetzt schon.

Mein Fahrer ist Jake. Er war mein Erzieher im Heim. Ja richtig gelesen Heim.
Er war so ziemlich mein einzigster Freund dort. Er kümmerte sich um mich, sorgte sich um mich. Er war für mich da und behandelte mich wie sein eigenes Kind.

Ich hatte im Heim nicht gerade viele Freunde da ich ein sehr verschlossener Mensch bin. Als ich vor 2 Jahren ins Heim kam war ich anders. Ich habe nicht geredet. Ich war immer in Gedanken und habe die anderen ausgeblendet. Ich wollte einfach niemanden sehen, niemanden hören und mit niemanden reden. Ich hatte keinen Grund dazu. Ich blockte jeden Annäherungsversuch ab. Auch bei Jake.

Doch er war anders. Er gab sich damit nicht zufrieden und ging mir die ganze Zeit auf die nerven. Er war immer bei mir und hat mit mir geredet, auch wenn ich nicht geantwortet habe. Er hat ständig Witze gerissen die eigentlich voll flach waren.

Ich weiß nicht wie aber irgendwann habe ich bloß gesagt "Du weißt schon das deine Witze voll schlecht sind oder?" Er sah mich bloß lächelnd an und sagte "Ja das weiß ich, aber sie waren anscheinend gut genug das du mit mir redest oder?" Ich musste Grinsen und nickte bloß. Ab da haben wir immer öfter geredet. Er hat mich aus dem Loch raus gezogen. Nun muss ich ihn für eine scheiß Pflegefamilie verlassen. Die einzige Person die mir wichtig ist.

Ich öffnete die Tür des Autos und ging zum Kofferraum wo Jake bereits mit meinem Gepäck wartete. Ich nahm es in die Hand und folgte ihm den Weg lang zu einem großen weißen Haus. Jeder Schritt war schwer und anstrengend. Meine Beine zitterten und geben wohl gleich nach. Ich fürchte mich davon was hinter diesen Wänden auf mich wartet. Vor der Tür blieb er stehen, drehte sich um und meinte " Ich werde dich echt vermissen Sky.." Ich schaute ihn mit traurigen Augen an. "Ich werde dich auch vermissen Jake.." Seine braunen Augen sind so vertraut. Sie erinnern mich an heiße Schokolade im Winter. Sein trauriger Anblick bricht mir mein Herz. Ich nahm ihn fest in meine Arme und merkte das meine Schulter leicht nass wurde. Als ich mein Kopf hob sah ich das er weinte. Doch nicht nur er weinte. Er strich mir sanft die Tränen weg und lächelte mich an. Er ließ mich komplett los. "Ich hoffe du wirst deine neue Familie mögen. Sei bitte nett zu ihnen. Versuch es für mich ok?" "Ok" sagte ich mit verweinter Stimme. Ich kann ihm nix versprechen, aber seinetwillen versuche ich mit denen klar zu kommen.
Er beugte sich runter und küsste sanft meine Stirn. "Ich bin so stolz auf dich." Flüsterte er mir zu und ging mit schnellen Schritten weg. Auch ihm fällt dieser Abschied sehr schwer. Im Auto wank er mir noch ein letztes Mal zu und im nächsten Moment auch schon weg, fuhr einfach davon.

Jetzt stand ich hier. Im Nieselregen, zitternden Knien und rot verheulten Augen. Ich stand sicher über 10 Minuten hier und überlegte was ich machen soll. Noch habe ich die Möglichkeit zu fliehen. Normalerweise sollte der Betreuer mit dabei sein. Um sicher zu gehen. Jake vertraut mir jedoch und lässt mich das alleine machen. Da kann ich ihn nicht jetzt schon enttäuschen. Ich nahm ein tiefen Atemzug bevor ich die Klingel betätigte.

Jetzt gibt es kein zurück mehr...

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