{ 3 } Die Hölle auf Erden { 3 }

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4. Juni, „Zuhause";  Felyx

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte mich nicht wehren. Es war kein dummer Klassenkamerad, der sich aufspielte, sondern Jemand, von dem ich mir nicht sicher war, ob Muck sein letztes Opfer werden würde.
„Jetzt flenn nicht so rum. Es war doch nur ein Hamster, dann hol dir halt nen Neuen oder so. Aber schmeiß das Ding gefälligst weg, das stinkt jetzt schon.", maulte er mit seiner widerlichen Stimme. „Das einzige was hier stinkt, bist du. Du und deine scheiß Masche.", entfuhr es mir kaum hörbar. Anscheinend aber hörbar genug: „Was hast du da gesagt?!".
Meine Klappe wurde mir noch zum Verhängnis, doch ich wollte das nicht mehr auf mir sitzen lassen. Ich konnte nicht still sein, wenn mein Bruder zusammengeschlagen am Boden lag. Auch wenn ich es besser getan hätte. „Wir sollen Muck wegschmeißen und einen Neuen holen, ja? Genau wie Mama mit Papa. Am besten holen wir uns noch so einen richtigen Arschlochhamster, dann haben wir dieselbe Situation wie mit dir. Keiner wollte dich, du bist nur da, weil Papa nicht mehr lebt und alles, was ich mir wünschen kann ist, dass es dich und nicht ihn erwischt hätte."
Wieso wusste ich nicht, doch Holger ging nicht auf mich los. Er quälte bloß Liam weiter, indem er ohne Worte den Eimer mit dem Putzwasser nahm und auf dem Boden ausschüttete, dabei aber nicht auf meinen Bruder achtete, oder wahrscheinlich gerade weil dieser dort lag, das Wasser mit dem Putzmittel über ihn kippte. Er krisch auf, als die Chemikalien seine aufgerissene Haut berührten. Bereit meinem Bruder aufzuhelfen hastete ich von meinem Bett, doch wurde am Ohr gepackt, was mir nicht fremd war. Holger zerrte mich am Ohr die Treppen runter und um den Schmerz zu reduzieren gab ich nach, nicht mal zurückschauen konnte ich. Ich stolperte als diese Arschstradivari mich schubste. Wir waren im Wohnzimmer. „Du kennst es ja schon, jetzt mach sauber.", grummelte er, als wäre nichts gewesen, während er sich mitten auf der Couch breit machte. Der Rauch seiner Zigarette brannte mir beim Staub wischen in der Nase, es würde nicht helfen ihn zu bitten, aufzuhören. Sollte er doch an seinem Nikotin verrecken, davon hätte die Welt mehr, so bereitete er uns nur die Hölle auf Erden. Meinen Rücken hatte ich ihm zugewandt, aber seine Blicke spürte ich wie ein Stechen. Nicht im Rücken. Und auch nicht im Nacken. Ein Zucken durchfuhr mich, als ich spürte, wie Finger meinen Hintern griffen. Ich schauderte, schon beim Umdrehen war mir klar, dass nur Holger hinter mir sitzen könnte. Quietschend hopste ich zurück. „Lass mich in Ruhe du-!", brach aber in einem Würgen ab. Er stand allmählich vom Sofa auf und kam auf mich zu. Die Gemütlichkeit in seinen Bewegungen ließ es mir aufstoßen. „Was, was bin ich, Felicia?", fragte er so schmierig, dass er wohl hoffentlich nur mit seiner Zunge ausgerutscht war. Leider falsch. Er berührte mich am Träger meines Tanktops. Die Berührung ließ mich zurückweichen, doch das brachte ihn dazu, mich zu packen und auf die Couch zu schmeißen. Mit einem Ruck versuchte ich, mich aufzusetzen, Holger kam dem Vorhaben in den Weg. Er setzte sich auf meine Beine und beugte sich über mich, ich öffnete den Mund zu einem Schrei, der nie entweichen sollte. Seine Hand legte er über meinen Mund und bei meinem Versuch, den Kopf wegzudrehen, riss er ihn wieder rum, sodass ich ihm ins Gesicht starren musste, wie ein Reh das Auto anschaut, kurz bevor es getroffen wird. Angefahren. Wissend, dass es dem Fluss seines Blutes zuschauen müsste, während es auf den Tod wartete. Ich konnte die Augen kaum zusammenkneifen, schon drückte er meine Wangen an die Knochen. Mehr als ein Quieken drang nicht hervor. „Jetzt hör schon auf, du kannst doch eh nichts tun.", redete er auf mich ein, kein böser, sondern derselbe widerliche Tonfall wie zuvor lag in seiner Stimme. Ich hörte nicht auf ihn. „Och, Felicia..", murmelte er, die Zigarette in der freien Hand haltend, „wenn du so weitermachst tut es dir noch weh. Und glaub mir, ich kann dir weh tun.". Mein Kreischen unterdrückte er, indem er seine freie Hand noch fester auf meine Kiefer presste. Die andere Hand hatte er nun an meinem Körper, nachdem er die Zigarette an meiner linken Schulter ausgedrückt hatte. „Siehst du. Ich kann dir weh tun.". Er zerrte an mir, an meinen Klamotten und ich spürte die Finger wie fette Maden unter den Stoff gleiten, wie Würmer wanden sie sich an meiner Hüfte. Ich zappelte und wand mich, versuchte zu treten, aber alles blieb vergeblich. Alles war mir in dem Moment lieber, solange ich mich damit irgendwie wehren könnte. Also biss ich zu, wodurch mein Gesicht für einen Augenblick von Holgers Griff erlöst wurde.

Im Auge des Juwels - Verborgene Welt  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt