{ 34 } Owl und Vernunft { 34 }

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6. des Sonnennebelbeginns| August, Traeders Haus;  Liam

Der schöner weise bodenebene Rückweg nach Handelskreuz war deutlich gesprächiger gewesen, als all unsere Wege zuvor, Igelchen war immer noch total begeistert von unserem Kampf, was irgendwas Makaberes hatte. Das Kind muss wirklich schon schlimmes gesehen haben, damit ihn der Anblick von einem geköpften Tier nicht verstört. Nicht so sehr, wie meine Schwester, die sich ja selbst als Henkerin bewiesen hatte. Wir ließen sie natürlich nicht mit solchen Kommentaren in Ruhe, den ganzen Weg über. Nur vorm Schlafen, wieder bei den zwei kleinen Seen, ruhten wir kurz und sprachen über angenehmere Themen. Owl, der wir mittlerweile schon alles erzählt hatten, das sie verpasst hatte, mit ein paar Scherzen eingebaut, die sie glauben ließ, sie hätte soeben das größte Wunder Munterris verpasst, hatte in die Sterne gestarrt und mit uns gemeinsam Sachen ausgedacht, die man zusammen machen könnte. Jetzt würden wir ja wohl genug Zeit hier haben, um sich Gedanken über Abenteuer machen zu können. Sie vermisste offensichtlich die Reisen mit Traeder früher. Alles mögliche hatte sie aufgezählt, wo wir hin mussten, was wir sehen mussten und dass wir ihr alles von der Erde erzählen mussten, was uns einfiel. Sie war unfassbar neugierig und wissbegierig wenn es um unseren Heimatplaneten ging, dort war sie allerdings, zu ihrem Bedauern, noch nie.
Und jetzt war unser Quasselweg zu Ende und wir saßen wieder, wie schon so oft, in unserem kleinen Zimmerchen mit nichts weiter als unseren zwei Betten und dem Nachttischlein.
Felyx ging gerade ihr Buch durch und las etwas über die magischen Barrieren, die bei geschlossenen Türen eines Raumes verhinderten, dass jeglicher Schall nach außen oder innen drang. Auch wenn, wie in unserem Fall, die "Fenster" nur viereckige Löcher in der Wand sind, mit Vorhang aber ohne Glas, dennoch kam auch die Kühle des Abends nicht herein, nur der Lichtdunst der beiden Monde im frühen Dunkel. Ich spähte nur kurz auf die Seite mit der Skizze, die die Wirkung des Zaubers erklärte, der in jedem munterrischen Haus wirkte, als es mir erst dämmerte, dass unsere Tür gar nicht geschlossen war. Sie stand einen Spalt weit offen und ließ die ganze Zeit über die Geräusche von Schritten, Getrappel und Kleppern von Sachen auf Owls Müllhaldentisch zu uns ließ. Ich wollte gerade den Lärm aussperren und die Tür schließen, um weiter in Ruhe die Decke nach Flecken untersuchen zu können. Doch dann zwangen Stimmen meine Neugier, die Tür doch unbemerkt offen zu lassen. Felyx legte ebenfalls interessiert ihr Buch weg und kroch von ihrem Bett hinunter langsam zu den Worten, bis sie neben mir stand, das Ohr dem Spalt zugewandt bei dem Versuch, auch noch hindurchzulugen und dahinter Traeder und Owlgamer in der Diskussion zu erkennen.

«Traeder, du kannst das nicht machen, das ist reiner Selbstmord!»
„Das ist das einzig richtige, was wir jetzt tun könnten. Es ist das... beste."
«Achja, ist es das? Mal ganz abgesehen von deren Meinung zu der Sache, die ganz sicher auch nicht hoch erfreut sein wird nach deinem Erzählausbruch da neulich, für Igelchen und mich ist das auch nicht grade ne tolle Situation. Und ganz zu schweigen von DIR! Du könntest gleich von der Spaltspitze springen, wenn du das wirklich machen willst! Dein Rücken sieht eh schon so aus wie ein Flickenteppich!»
„Owl, es geht nicht um mich. Und ich will grade sowas wie diesen.. Erzählausbruch.. vermeiden, ich will den Beiden nicht noch mehr erzählen, das sie nicht wissen wollen oder sollten. Sie haben es eh schon schwer genug und-"
«Tz, wieso wohl, bei deiner Gastfreundlichkeit..»
„Owl, ernsthaft, mir ist sehr wohl klar, dass das riskant ist, aber nur für MICH. Du hast nix zu befürchten, Igelchen auch nicht."
«Schön, aber du weißt genau, dass es kein Scherz von mir is, wenn ich meine, dass du Arme und Beine einbüßen wirst. Du bist ein toter Mann, wenn du das durchziehen willst! Das IST mein voller ERNST! Und tu nicht so, als wüsstest du das nicht, das ist alles, worum es mir grade geht. Is ja schön, wenn du auch endlich mal anfängst daran zu denken, dass Menschen genauso Gefühle haben wie Munterrer und Tiere, aber so ne unvernünftige Aktion hilft uns auch nicht.»

Die Luft auspustend wechselte ich einen Blick mit meinem Zwilling, es musste etwas wirklich Extremes sein, wenn selbst Owl Bedenken hat. Dabei verstehen sich Owl und Vernunft normalerweise nicht so. Dennoch war sie es in diesem Moment, die sonst so vorausdenkenden Traeder von irgendwas Riskantem abhalten wollte.
„Versteh doch Owl, ich weiß, dass es gefährlich sein könnte und dass sie vielleicht gar keine Lust haben, aber ich will es den Zwillingen trotzdem nicht einfach so vorenthalten.."
Und mit diesem Satz reizte er unsere Neugier so sehr aus, dass wir kaum noch hinter unserem Spalt bleiben konnten, was durch Owlgamers letzten Satz unmöglich wurde:
«Es könnte gefährlich werden? Du weißt ganz genau, wie gut Rikse auf dich zu sprechen ist-»
„Was ist denn überhaupt mit Rikse, dass er so schlecht auf Traeder zu sprechen ist?", fragte ich als erster in den zweigeteilten Raum tretend nach, obwohl mir selbst schon einige Antworten einfielen. Owl stand nur mit den Mundwinkeln zuckend da, sie hatte uns nicht erwartet. Traeder schaute uns wieder mit so einem mitleidig, elendigen Blick an: „Liam.. eh.. ich will nicht, dass ihr Beide euren Vater wegen so alten Geschichten hasst, aber es ist einiges zwischen uns vorgefallen, weswegen er.. naja, eben nicht so gut auf mich klar kommt."
Felyx nahm schon fas einen genauso bemitleidenden Blick an, wie der Kerl vor uns, der wohl nicht seine eigenen Fehler nennen konnte.
„Pff, wenn dus nicht sagen willst, ist ja eh egal, mir fällt genug ein. Ich kanns nachvollziehen, warum unser Vater keinen Bock auf dich hat, dass er überhaupt erst mit dir unterwegs war ist schon schwer genug zu glauben, weil ich würde am liebsten keinen Tag mehr mit dir verbringen!", machte ich ihm auch klar, dass ihn sehr wohl nicht alle leiden konnten. Sofort verlor er seine weiche Miene und verzog sein Gesicht zu dem gewohnten Ernst, doch als er sprach klang er nicht genervt. Eine Schärfe, schlimmer als sein Degen, schnitt die Luft beim Reden und brachte selbst Owl dazu, mit zugekniffenem Mund klein daneben zu stehen:
„Pass bloß auf, was du sagst, du hast nicht den Hauch einer Ahnung, zu was euer Vater fähig war, ich bin sicher, du würdest ihn nicht als deinen Held ansehen, den du so tüchtig nachäffst, wie eine kleiner geratene Kopie. Ich hab euch hier aufgenommen, obwohl ihr seine Kinder seid und du steckst mich in die Täterrolle, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben, was passiert ist."
Nach seinem energischen Zischen wirbelte er um und stapfte in derselben Bewegung die Stufen hinauf. Durch ein Zucken tappte Felyx ein bisschen nach vorne, als wäre sie gerne hinter ihm her gegangen, sie blieb dann aber doch stehen und stellte an die noch anwesende Terra ihre Frage: „Wieso habt ihr grad überhaupt von unserem Vater geredet?", was tatsächlich eine gute Frage war. «Naja..», knirschte die Munterrerin, mit einem merkbaren Unwohlsein: «Traeder wollte, dass ihr mal mit eurem Vater reden könnt, ihn wiedertreffen und vielleicht sogar... und dass vielleicht wenigstens ihr alles mit ihm klären könnt, was so vorgefallen ist. Deshalb wollte Traeder mit uns nach Ruhenbruch, nicht ganz sooo weit weg von hier gehen, da hat Rikse schon immer gewohnt. Also, als er in Munterris gewohnt hat.»
Wow, das war eine klasse Idee. Ich wollte unbedingt von unserem Vater selbst wissen, was passiert ist, was seine Gründe für all die Geheimniskrämerei waren und so viel mehr. Felyx Begeisterung äußerte sich anscheinend aber anders. Oder eher, jemand anderem: „Was echt, Traeder wollte wirklich mit uns zu Rikse gehen, obwohl er ihn nicht leiden kann?"
«Pf, ja, obwohl Rikse ihn zu Geschnetzeltem verarbeitet triffts besser. Aber ja, beruht denke ich auf Gegenseitigkeit. Traeder meinte, ihr hättet Antworten von ihm direkt verdient, die habt ihr vielleicht lieber als von ihm.», es war seltsam, wenn sie so monoton ihre Erklärung lallte. Sie wirkte erstaunlich beleidigt, dass der Kopfgeldjäger nicht auf ihren Rat gehört hatte, wo sie doch schon mal an das Risiko als was negatives dachte. „Ja, ich hätte echt mal lieber Antworten von Papa als von Traeder, außerdem hab ich den nie darum gebeten, mich hier aufzunehmen, ich kann gerne bei Rikse bleiben."
Owlgamer hatte nichts mehr hinzuzufügen, beäugte mich nur kritisch, was die ganze Situation um sie herum nur noch unangenehmer machte und verschwand dann nach oben, so wie wir in unser Zimmer. Meine Schwester schloss hinter sich die Tür und lehnte kurz nur an jener, ehe sie mir einen deutlich kritischeren Blick zuwarf, als Owl, die wohl wegen exklusivem Hintergrundwissen so skeptisch war. Jegliche Begeisterung war so schnell wieder erloschen und so schaute ich in das Gesicht meines leicht genervten ungleichen Klons und erwartete sonst was, als sie mit ernstem Ton anfing: „Liam, ich will mal kurz mit dir reden." 

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