{ 27 } ich würde immer fallen { 27 }

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?. des ?| ?, irgendwo in Munterris;  ???

Meine Füße schienen zu fliegen, so fegten sie über den laubbedeckten Boden des Buntwaldes. Die Wipfel der vielen farbenfrohen Bäume ließen immer mehr von dem fahlen Licht der vernebelten Sonne durch und erzeugten so ein riesiges Gemälde aus den klarsten Farben, wie ein Regenbogen, der den Wald bis zu den untersten Schichten in seiner Pracht tränkte. Eine unwahrscheinlich idyllische Atmosphäre, eine Ruhe lag über dem langsam still werdenden Dickicht und so manch müdes Tierchen zog sich schon bei dieser Nachmittagssonne in sein Versteck zurück. Ein kaum hörbares Rascheln wirbelte Blätter auf, als mein Fliegengewicht vorbeiraste, so konnte ich nie viel, aber wegrennen schon immer gut. Und so gelang es mir, den Mann abzuhängen, der mir auf den Fersen war. Meine Lunge arbeitete wie ein Blasebalg, mein Puls pochte bis zu meinem Kopf hoch, sein klopfendes Geräusch mischte sich unter die schweren Schritte meines Verfolgers, Koro war als ausgewachsener, großer Mann einfach von Natur aus zu schwer, um meinen wachen Ohren zu entkommen. Ganz im Gegensatz zu mir, da er kaum näher kam, sondern nur immer weiter abgehängt wurde.
„Heeeey! Komm zurüück! Es wird schon bald dunkel und wir sind schon so weit weg! Es wird zu gefährlich im Wald und wir müssen noch zurückgehen!", hallte sein Rufen durch die kahler werdenden Äste zu mir, ein Echo seiner Warnung kam bei meinen Gedanken an, doch wurde sie bald weggeschoben, da es mir spaßiger schien seine Warnungen und Aufforderungen zu ignorieren, anstatt einfach so abzubrechen. Koro musste mich schon fangen, wenn er mich wieder mit zu den Anderen nehmen wollte. Sollte er sich doch denken, dass das an meinem "trotzigen Alter" lag, doch sobald ich aus den 14 Jahren rausgewachsen war würde das bestimmt nicht aufhören, wo es ja schon als Kleinkind bei mir angefangen hatte.
Ich hörte, dass er seinen Versuch mich einzufangen nicht aufgegeben hatte, doch ihm brannten seine eigenen Worte so im Hinterkopf, dass sie ihn zügiger trieben, er mir näher kam mit einem festen Ziel, weil ihm genauso klar war, er müsste mich kriegen, um mich zurückzuholen.
Sein Atmen wurde hinter mir schon hörbar, wurde zu einem Hecheln, das es ihm nicht erlaubte, meinen Namen zu rufen, da er nicht so wie ich einen Überschuss an Energie hatte.
Ich wollte mich nicht mehr nur auf meine Ohren verlassen, wollte mir ein Bild davon machen, wie ich triumphierte, bevor ich mich vielleicht doch geschlagen gab, der Klügere gibt schließlich nach.
Den Blick als weiter rennend über die Schulter geworfen konnte ich die verklebten Haare erkennen, die Schweißperlen auf seinem Gesicht, das sich nicht mehr der Kälte ergab, sondern eindeutig zeigte, wie heiß ihm trotz kurzer Hosen und T-Shirt war.
Ich wusste den Erfolg schon sicher, lachte fröhlich, die doch immer so aufmerksamen Augen zugekniffen, während seine schon von Schock aufgerissen waren, ihm einen Adrenalinschub verliehen, als ich die Augen wieder öffnete und einem Licht ausgesetzt war, wie es im Wald nicht möglich gewesen wäre. Nichts dämpfte den hellen Schein, der mich blendete. Ich war aus dem Wald herausgeprescht und wollte in dem Moment, in dem ich es bemerkte abbremsen, meinen endlos wirkenden Lauf stoppen, doch ich stolperte über meine eigenen Füße, rutschte aus und schlitterte diese wenigen Meter, eher Zentimeter der offenen Fläche nach vorne, wo nicht nur das Baumdickicht endete, sondern auch der Boden unter meinen Füßen -
Auf der westlichen Seite des Buntwaldes ragten spitze Klippen in die Ferne, brachen nach einer Kürze ab, als hätte man ein Stück Land herausgebrochen. Und am Boden, meterweite Tiefen hinter diesen Abhängen war die Steinküste, bevor das Meer seinen Weg fand, an Festland zu kriechen. Am Boden, meterweite Tiefen hinter diesen Abhängen erkannte ich schon den steinernen Aufschlag, der meine leichten Knochen erwartete, von der eigenen Unachtsamkeit in den Tod getrieben, wenn ich das Ende des Waldes gesehen hätte, wenn ich rechtzeitig versucht hätte, festen Halt zu fassen, würde ich nicht fallen. Doch egal, was ich tat, ich würde immer fallen.

Doch sollte ich nicht aufkrachen.

Mitten im Fall, ein Blatt im zu Boden säuselnden Wind, holte mich ein Gewicht ein, riss mich aus meinem Hinabgleiten, legte sich um mich wie eine Schale und anstatt meinem Verderben entgegen starren zu müssen, wirbelte es mich herum, einem Salto gleich und ich spürte diese Hitze. Ich erblickte den Himmel und spürte in meinem Rücken ein Aufstechen, von einem auflodernden Feuer, das mich umschlang, so wie es seine Arme taten. Koro war mir hinterher gesprungen, hatte mich gepackt und in der Umdrehung an sich geklammert, sodass er mich dabei nicht verlor, als er vornüber wirbelte und anstelle von meinem nun sein Genick nach vorne rollte und wir mit einem Krachen auf dem Stein aufschlugen. In der Bewegung des Umkippen hatte uns der Boden gestoppt. Der Griff um mich lockerte sich, löste sich und die mich zuvor haltenden Arme fielen von meinen Schultern neben den, dem sie gehörten. Ich kullerte paralysiert von ihm herunter. Ich schaffte es gerade mit meinen zu Kreisen aufgerissenen Augen meinen Körper einmal zu überfliegen, an dem ich kaum einen Kratzer ausmachen konnte, höchstens einen blauen Fleck. Als mein Blick zu Koro huschte. Er lag seltsam verdreht, Blut rann in einem dünnen Strich aus seinem Mundwinkel und sein helles Oberteil färbte sich von der Unterseite her rot und man hätte denken können, die Abendsonne färbte eine Pfütze des anliegenden Meeres so, doch war es Blut, das aus einer Wunde floss. Eine Stelle an seinem Rücken, wo die Wirbelsäule entzwei geborsten war und durch das Fleisch herausgestochen.

„Was auch ist, ich lasse dich nicht sterben."


1. des Sonnennebels| August, Mooseben;  Liam

„Owl, jetzt wach schon auf, wir wollen weiter!", rüttelte ich an der träumerisch murmelnden Munterrerin, die wie erstarrt nicht aufwachte. Wir hatten an den zwei Seen, an denen Traeder Pause machen wollte übernachtet, was durch das hohe weiche Gras und die eingepackten dicken Decken nicht so unangenehm war, wie befürchtet. Mittlerweile war der Morgen schon längst angebrochen und selbst Igelchen war durch Traeders sanfte Art ihn zu wecken und dem weißen Lichtdunst der Sonne aufgestanden. «Hä, wie was? Oh, achso.. ja, ich bin wach.», schmatzte Owlgamer noch immer etwas schlaftrunken, redete dann nicht weiter und zog nur ihre Pilotenjacke und dazugehörige Stiefel und Helm mit Brille an, um den Rest ihres Outfits zu ergänzen. Es war erstaunlich, wie Jemand, der im Gegensatz zu meiner Schwester und mir verschiedene Anziehsachen hatte, ständig in dasselbe Muster verfiel. So trug Igelchen wie immer eine Latzhose mit Langarmshirt darunter, Owlgamer ihr Pilotenoutfit und Traeder eine Jeans zu seinem ordentlich gebügelten weißen Hemd und den Anzugsschuhen. Beides war trotz der Reise und der Übernachtung im Freien noch immer erstaunlich elegant.
Und auch diese Reise sollte jetzt weitergehen, so trotteten wir den linealgeraden Weg weiter, nicht lange bis wir an den ersten, noch kleinen Bäumen ankamen. Es war angenehm, der Geruch von Nadeln und vom Tau feuchten Holz, die düsteren Tiefen des Waldes, die, obwohl die Sonne so klar schien, kaum ein Licht aufwiesen. Der Weg war etwas freier, der Boden aus dunkler Erde, angepasst an die dunkelbraunen, grauen oder sogar grünen Stämme der Bäume und deren tiefst dunklen Nadeln, deren dunkelgrau schon bald in ein Schwarz überging, wenn sich die Schatten der höheren Wipfel über sie legten. Eine bedrückende Stimmung kam auf, keine Lichtung war auch nur in der Ferne auszumachen und alles schien, als waberte man in einem pflanzengewordenen Blutrauschschleim umher, so ein einheitliches Dunkel umgab einen. Ich verstand auf jeden Fall, warum Traeder hier auf keinen Fall die Nacht verbringen wollte. Bilder von tanzenden Wipfeln, von Augen von schreienden Vögeln als einzige Lichtquelle erhoben sich in meinem Kopf. Ich versuchte mir vorzustellen, wie selbst der Lichtdunst der zwei Monde und aller Sterne keine Chance hatte, durch das dichte Dach zu dringen.
Von dem Boden, dem Gefleuche und Gekreuche in den Moos- und Erdschichten abgelenkt, bemerkte ich nicht einmal den ebenso finsteren Berg, dessen gigantischer Schatten mit der Sonne im Rücken den Wald nicht mehr dunkler machen konnte. Die Spitze war wie kahl rasiert, die Bäume nahmen immer mehr ab und so endete auf dem grade noch im wolkenfreien Himmel erkennbaren Gipfel das Schattenmeer in einer erstrahlten Steinspitze, besät von winzig wirkenden Häusern, Punkten, die an dem Berg zu haften schienen. Und vor uns teilte sich das Baummassiv, zu der ersten Lichtung und wohl auch einzigen des ganzen Grauwaldes. Sie schien künstlich geschaffen worden zu sein, um einer großen Holzplatte mit einer gut ein Meter hohen Umrandung, einem Geländer mit einer offen stehenden Tür zur Vorderseite. Eine Schiene führte den Berg hinauf, auf der das Fahrstuhlgebilde befestigt war. Holzbänke ragten aus der Aufzugplatte, flach an dessen Boden, sodass die Geländer gerade noch höher ragten als die Sitze. Ich versuchte der Schiene mit den Augen bis nach oben zu folgen, bis mein Nacken noch einmal einen Knick hatte und ich mich dem überwältigenden Anblick des mittleren Berges des Tribirges hingab.

Im Auge des Juwels - Verborgene Welt  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt