{ 8 } ein streunender Händler { 8 }

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5. Juni, Handelskreuz; Liam

Das große hölzerne Rad formte schon Abdrücke auf meinem Rücken, das T-Shirt hatte ich ausgezogen. Katha meinte, er würde es waschen, damit ich nicht alle Kunden mit meinem gruseligen Aussehen vertreibe. Ihm war seine Kundschaft äußerst wichtig. Er erzählte uns am vorigen Abend, dass er der bekannteste Händler in der Gegend bis Katzengemme sei, da er überall hinfahre. Wir wussten zwar nicht, wo Katzengemme liegt, aber es würde wohl weiter weg sein. Es war gerade am frühen Mittag, die meisten gingen um diese Zeit einkaufen, weswegen wir Beide nicht viel zu tun hatten. Wir sollten ihm zwar helfen, aber ein Blick auf die Waren hatte gereicht und wir hatten schon keinen Schimmer mehr, was das für Sachen waren. Bis auf eine schwarze Paste, Opeme genannt. Er hatte uns ein wenig davon gegeben, wir sollten es auf unsere Wunden auftragen. Bis zu einer gewissen Wundengröße schloss die Salbe sämtliche Verletzungen und war somit ein Sofortheilmittel, das jeder Munterrer besaß. Es brannte nicht einmal beim Auftragen und es war keine Spur mehr zu erkennen, bis auf die blauen Flecken, gegen die es nicht half. Nur offene Wunden. Aber das war auch das Einzige, was wir unter all den Waren kannten. Schuppenähnliche Dinge, Pasten in verschiedenen Farben und Bandagen in den seltsamsten Dicken und Oberflächen. Katha führte kein Essen im Sortiment, da es ihm zu schnell schlecht werden würde. Hauptsächlich hatte er medizinische Artikel. Die Gespräche waren somit interessant zuzuhören, wie er Kunden beriet oder den Fragen zu ihren Beschwerden lauschte.
Momentan fragte eine Frau, die aussah wie ein Labrador, wie immer menschlicher Figur, weil sie immer einen Ausschlag hinter den Ohren bekomme, wenn sie erhöhter stand.
„Das ist wirklich merkwürdig, probier es doch mal mit Wüstenflugessenz, das hilft gegen Probleme in der Höhe.", erklärte Aristomeles. Er war derjenige, der den Planwagen mit allen Sachen zog und der das meiste medizinische Wissen hatte. Katha hatte sich auch nur über ihn alles angeeignet. Die Frau bedankte sich und kaufte ein Fläschchen dieser Essenz. „Ich wünsche dir noch eine gute Besserung.", schnurrte der streunende Händler. Die Kundin winkte nur freundlich. Selbst Hund und Katz verstanden sich prima.
Es gab viel Tratsch mitzuhören, über Themen, wie sie auch auf der Erde diskutiert wurden und über uns komplett fremde Dinge. Ich hatte schon nach Kurzem aufgegeben, zu versuchen etwas daraus über Munterris zu erfahren, dafür war es viel zu komplex. Außer, dass es kein Siezen gab, wie es schon durch Traeder zu erahnen war. Interessant war vor allem aber, dass keine Nachnamen existierten. Man hatte einen einzigen Namen, der konnte alles sein, solange er nicht schon vergeben war. Und ich kannte allein in meiner Stufe fünf weitere Liams.
„Was sagst du da? Ein Blutgeist hat dich verfolgt?", fragte eine bräunliche Katzenfrau ein etwas kleineres Schwein. Es trug ein Jackett über einem weißen Hemd und Jeans. „Scheint nichts besonderes zu sein, so elegante Klamotten zu tragen.", warf meine Schwester in den Raum, „Katha, Traeder und der- alle tragen sie sowas. Kathas Smoking kann zwar Niemand übertreffen, aber Traeder hatte auch sowas an, wie der da.". Es stimmte, Traeder hatte ein weißes Hemd unter einem Jackett an. Doch der Zylinder von Katha war heilig. Er schlief sogar damit. Ich hatte leider das Gespräch der beiden Wesen nicht weiter mitverfolgt und war dementsprechend verwirrt, als Katha Teil des Gesprächs wurde: „Hast du nicht neulich schon mal einen Blutgeist gesehen, Igor?". Oh, ein normalerer Name. „Ja, ja, es war derselbe. Genau derselbe, der hat es sicherlich auf mich abgesehen.", das Schwein wirkte durcheinander und besorgt.
„Was glaubst du ist so ein Blutgeist? Denkst du, die werden auch für uns gefährlich?", fragte ich meinen Zwilling. Sie schüttelte nur den Kopf, „Sonst würden wir bestimmt nicht in einem einfachen Planwagen draußen schlafen.".
„Ich weiß einfach nicht, was ich gegen dieses Viech machen soll..", stöhnte Igor verzweifelt. Langsam wurde auch ich nervös, was man mir wohl auch anmerken konnte. „Du brauchst dich nicht zu fürchten, Liam.", beruhigte mich Aristomeles, der mich aufs Neue faszinierte. Wie er mich durch seine blinden Augen so gut wahrnehmen konnte. Im Gegensatz zu Igor, der uns gar nicht bemerkt hatte, obwohl der generell ziemlich verpeilt wirkte. Mulmig war mir immer noch, einen Grund hatte man mir noch nicht gegeben, warum ich mich sicher fühlen könnte. „Du auch nicht, Igor. Ich kann zwar nicht mit dir hier warten, wir müssen morgen bereits in der Frühe an unserem nächsten Handelspunkt sein, aber komm in den nächsten Tagen ruhig wieder hierher. Traeder war schon lange nicht mehr einkaufen, wenn du ihn erwischst kannst du ihm davon erzählen. Er wird sich schon darum kümmern.". Eigentlich fühlte ich mich dadurch kein bisschen beruhigt. Bei dem wäre mein Leben nur noch mehr in Gefahr. Igor hatte sich bedankt und war davongegangen. „Traeder beschützt uns. Er ist schon lange als eine Art Kopfgeldjäger unterwegs. Er und Owlgamer bekämpfen immer die Blutgeister, die Probleme machen.", klärte uns Aristomeles auf. „Ähh, und was sind diese Blutgeister?", stellte Felyx die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge lag.
„Verdorbene, gebrochene Herzen. Sie wirken wie ganz normale Munterrer oder munterrische Wesen, nur dass sie komplett mit einem grauen bis schwarzen Schleim überzogen sind. Sie sind nicht Herr ihrer selbst und greifen wahllos alle an, die sie gerade angreifen möchten. Ohne ersichtlichen Grund. Diese Wesen sind auch nicht mehr heilbar. Alles, was man für sie tun kann, ist sie zu töten.". Ein bitterer Ernst lag in Kathas Ton, sodass es mir kalt den Rücken runterlief. Wie auf Knopfdruck wechselte der Kater das Thema: „Gut, ihr könnt mir eben beim Abbauen helfen."
Wir standen auf, klappten die Schilder vor dem Laden zusammen und legten sie in eine Art Korb, der unter dem Wagen befestigt war. Alles mögliche an Gerümpel flog darin herum. Die Waren durften wir nicht anfassen, dafür legten wir Aristomeles sein Geschirr an.
Als Katha alle Waren sicher verstaut hatte und die offene Seite der Plane wieder heruntergerollt und befestigt hatte stiegen wir hinten ein. Er selbst saß auf dem Kutschbock und sagte seinem Kollegen wo es lang ging. „Es sind irgendwie alle so nett gewesen. Zumindest die, die seit gestern einkaufen waren.", murmelte meine Schwester. „Kann man Igor nicht irgendwie helfen?", fragte ich etwas lauter, damit auch Katha es hören konnte. „Nein, sorge dich nicht. Dem nimmt sich Traeder schon an.", rief der nach hinten, um das Hufklappern zu übertönen.
Ich schnaubte. Den würde ich am wenigsten vermissen bei unserer Weiterreise.

Im Auge des Juwels - Verborgene Welt  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt