{ 20 } kleines Problem.. { 20 }

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23. des Sonnenhauchs| Juli, Tempelsberg; Liam

Dutzende Munterrer strömten von dem Berg weg, die Massen spalteten sich wenn sie auf uns zu kamen. Das kleine Problem war weiter oben angesiedelt, an der Spitze des Berges, wo sich normalerweise das Dorf befinden sollte. Doch außer einem schwarzen Schleier war nichts zu erkennen, höchstens noch den ein oder anderen Umriss eines Hauses. Und wie der Tempel aussehen sollte konnten wir uns gar nicht vorstellen, da dort nichts weiter als ein schwarzer Klumpen war. Die helle Grünschicht, die den erdigen Boden bedeckte war größtenteils verwelkt, wenn nicht mit schwarzem Schleim beschmutzt. Meine Schwester und ich schauten gleichzeitig zu Owl, doch folgten dann ihrem ratlosen Blick zu Traeder, der wiederum nicht anders konnte als schockiert die Katastrophe des verdorbenen Tempels zu beglotzen.
«Was jetzt Traeder? Was sollen wir tun?»
„War das unser einziger Ausweg von hier?", fragte ich dazwischen, bevor er Owls Frage beantworten konnte.
„Und wär es so schlimm, wenn wir hier bleiben würden? Ich mein ja nur.. die Erde zieht mich nicht wirklich zu sich zurück."
„Keine Frage, ihr gehört nicht hierher. Ihr seid Menschen und das hier ist nicht euer Planet. Wir gehen erstmal zurück nach Klifffang und überlegen uns die weitere Vorgehensweise. Es gibt schließlich fünf Tempel insgesamt, dann nehmen wir halt eben die weiter entfernten in Angriff.", bestimmte der Kopfgeldjäger und drehte gleich darauf um.

Und so ging der Weg zurück nach Klifffang, wo wir eigentlich ja schon eindeutig vorgewarnt worden waren.

So saßen wir nun an einem kreisrunden Tisch, wie einige an den Rändern des großen Dorfplatzes und diskutierten. Oder hörten den Diskussionen Traeders mit sich selbst zu.
„Okay, wir haben fünf Tempel: Einen bei Aqumar, einer im Tribirge irgendwo, dann noch auf der Spaltspitze und in der Wüste bei Lacusen. Und halt eben der bei Tempelsberg, aber den können wir erstmal vergessen.. Aber die Anderen sind auch alle so weit weg, wenn ich überhaupt sicher wüsste wo sie sind."
Er atmete in einem langen und genervten Zug aus, das Gesicht hatte er auf beide Hände gestützt, die Ellbogen auf die Tischplatte gestämmt.
«Weißt du überhaupt schon, was wir in so nem Tempel dann machen müssen? Die Tempel lösen und somit die Himmelspforte öffnen, klingt nich grad nach der geilsten detaillierten Beschreibung aus der man alle Infos rausziehen kann. Um nich zu sagen- ich kann mir nix drunter vorstellen.»
Diesmal sog er die Luft pfeifend zwischen den Zähnen hindurch ein und gab seine Ratlosigkeit zu:
„Nein Owl, ich hab auch keine Ahnung. Aber genau deshalb überleg ich ja, ob es so geschickt wäre, gleich zum nächsten Tempel aufzubrechen, bevor wir unnötig auf eine lange Reise gehen und am Ende nichtmal wissen, wie wir reinkommen."
«Und was sollen wir dann machen, Herr Alleswisser? War doch deine Idee die Tempel zu machen, warum überhaupt, wenn du selbst keinen blassen Schimmer davon hast?»
„Ich hab kapiert, dass ich keine Ahnung hab Owl, du musst es mir nicht ständig unter die Nase reiben!", keifte Traeder die Munterrerin an, seine Gereiztheit dadurch ausgedrückt, dass er die Hände auf den Tisch schlug und aufschaute.
„Ich hab jedenfalls keinen Bock drauf, ewig hier festzustecken.", gab ich meinen Senf dazu um den Mann noch mehr zu nerven, bekam aber Widerspruch von meiner Schwester:
„Und wieso? Was ist auf der Erde denn besser? Ich will gar nicht wieder dahin, nur weil wir ne Weile weg waren wird sich nix an der Einstellung von Mama geändert haben, Holger hockt da immer noch rum und Muck und Papa werden immer noch tot sein! Also warum willst du zurück?"
Die drei Munterrer wechselten einen sprachlosen Blick, Traeder hatte den Mund zu einem Kommentar geöffnet, zögerte aber ihn auszusprechen. Dazu kam er auch nicht mehr, als Owlgamer zum Himmel schaute und kurz darauf erschrocken brüllte:

«DUCKT EUCH! GEHT IN DECKUNG!»

Traeder folgte kurz ihrem Blick, packte dann Igelchen und warf sich von Owl begleitet hinter die Sitzbank. Felyx griff mein Handgelenk und tat wie angewiesen dasselbe. Ich zitterte ängstlich hinter der Bank, mir war beim Sitzen nicht aufgefallen, dass wie so nah an der Kante des Hangs saßen, an der wir nun lagen, vorsichtig, um nich in die Tiefe zu stürzen.
Ein ohrenbetäubender Lärm, ein Kreischen schlug auf mein Gehör. Ein heftiger Windstoß fegte an uns vorbei und wir pressten uns an den Boden. Wir hörten Bewohner schreien und die Erde unter uns war von wildem Umhertrampeln erschüttert. Das Geräusch von Flügelschlägen, gefolgt von brechendem Stein und aufkrachenden Ziegeln wurde immer lauter und verschwand mit einem letzten Wutschrei, wie ihn kein munterrisches Wesen hätte ausstoßen können, das uns bekannt war.
Ein letzter Staubwirbel blies fein an uns vorbei und zwang uns, die Augen zusammenzukneifen. Dann war alles still.
Niemand traute es sich zu bewegen.
Oder sie konnten es nicht mehr.

Vorsichtig lugten wir über den Rand der Lehne, bemerkten, dass die Gefahr vorüber war und krochen hinter unserem Versteck hervor. Ich versuchte, aufzustehen, doch sackte mit zittrigen Knien wieder zusammen, bis Felyx mir aufhalf.
„Was war das?", fragte sie mit leiser, gedämpfter Stimme, als fürchtete sie von dem Ungeheuer gehört zu werden, das schon nicht mehr zu erkennen war. Owls Antwort war dumpf, knapp und ließ meine Angst erneut aufleben

«Ein Drache.»

Und er hatte das Dorf niedergemäht. Häuser waren eingestürzt, Dächer waren zerfetzt wie alte, von Motten zerfressene Leinentücher und Fassaden bröckelten in Trümmern hinab. Munterrer krischen auf, schleppten sich aus den Bereichen der instabilen Gebäude und brachen ebenso zusammen. Es schien nicht viele Verletzte zu geben, manche hatten Wunden oder lagen verkrümmt am Boden, doch saßen Andere daneben und kümmerten sich um sie, stützten sie oder brachten sie an sichere Orte. Und wenn sie nicht verletzt waren, so sahen wir einige, die weinten. Kinder, die vergebens Eltern suchten und Eltern, die nach ihren Kindern riefen. Steine und Ziegel wurden weggeräumt, geborstene Balken versucht gemeinsam zu bewegen, um darunter begrabene Wesen zu retten. Was bei einigen allerdings nicht mehr half.

Und dann erblickten wir unter all den Grüppchen, unter den Verwundeten und ihren Helfern eine Person, ihr Brustkorb hob sich stoßartig zu einem Versuch zu atmen, immer und immer wieder aufs Neue. Zitternd lag ihr rechter Arm unter ihrem eigenen Gewicht erdrückt, in einer kleinen Lache aus ihrem eigenen Blut. Das braune Haar war verklebt von einer Platzwunde an der Stirn. Das zierliche Mädchen wirkte schwach und gebrechlich und ihr zartblaues Kleid gab ihr den Anblick eines Engelchen, der auf dem Boden aufgeschlagen war.
Sie wimmerte ein wenig, hilflos versuchte sie Jemanden auf sich aufmerksam zu machen.
Doch Niemand bemerkte sie.
Niemand kümmerte sich um die Fremde.
Sie lag dort allein.

Im Auge des Juwels - Verborgene Welt  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt