3. des Sonnennebelbeginns|August, Himelis; Liam
„Sie hat ihre Medizin genommen, aber nicht genug!", schrie uns Traeder den neusten Wissenstand zu Owlgamer zu. Doch wir Beide waren anderweitig abgelenkt, als der erste Wölf mit seinen Pfoten den Boden verließ und auf meine Schwester zustürzte. Mit einem geschickten Wegrollen wich sie dem Angriff aus, konnte die Nervosität aber nicht verstecken, die sie bei dem Versuch ihre Panik zu unterdrücken verspürte. „Ihr müsst euch selbst um die Blutgeister kümmern, ich muss nach Owl schauen. Sie braucht ein gewisses Gegenmittel!"
„Ich hoffe mal-", doch Felyx brach ihn ihrem Satz ab, als der Wölf zu ihr herumwirbelte und nach ihr schnappte. Mit einem konternden Hieb traf sie die Schnauze des Geistes, was sie ebenso zurückwarf. „Dass du das Mittel auch hast!", schrie sie das geplante Satzende nun in Traeders Richtung. Ich stand teilnahmelos am Rand des Geschehens und versuchte mit hektisch umherschweifendem Blick den zweiten Wölf auszumachen, während sich mein Zwilling mit dem ersten abgab und eine Kette aus Angriff und Konterschlag ausführte, wobei sie immer weitere Strecken zurücklegten. „Achtung Liam!", zerriss ein Quieken die Luft. Igelchen hatte mit noch weiter aufgerissenen Augen als eh schon etwas hinter mir fixiert, weshalb ich mich sofort zur Seite warf, ohne nachzudenken, was er gesehen hatte. Mein spontaner Gedanke war richtig: An der Stelle, wo ich zuvor stand, krachte der blutige Wölf mit dem Gesicht auf dem steinernen Boden auf und verdrehte sich unter einem quietschenden Aufkreischen. Die Dolche, die ich eng an meinen Körper gepresst hatte, damit ich sie mir bei der Rolle nicht selbst in den Magen steche, schlug ich nun in die Luft und hielt sie abwehrend vor mich. Der Blugeist, der mich attackiert hatte, war ein Stück größer als der, mit dem sich meine Schwester noch immer zankte. Es würde nicht reichen, den Dolch auf ihn zu werfen, ich müsste ihn erstechen. Mein Drang zur Bewegung, nach vorne zu preschen endete in einem zögernden Zucken. Ich war mittlerweile gut genug im Kämpfen, aber nicht zu einem Mörder ausgebildet. Vor mir stand ein Lebewesen, von welcher Verderbnis auch immer befallen, der Anblick von dem Wesen, dessen Lunge unter dem Brustkorb sich schnell hob und senkte, sorgte für meine Hemmung diesen Atem zu beenden. „Liaam, Achtuuung!", brüllte mir Felyx zu, was in einem gereizten Husten endete. Mein Kopf riss nach oben und im letzten Moment erkannte ich den Gegner meiner Schwester, den sie aus dem Griff verloren hatte über mir. Wohin ich ausweichen sollte war meinem Hirn in dem Bruchteil einer Sekunde nicht klar, also sprang ich aus meinem kampfbereitem Stand ab und knallte in den schleimigen Körper hinein. Das Schwarz verteilte sich wie Teer auf meiner Haut und brannte heiß. Abgesehen von der Haut glühte mein Herz, wie ein Zischen klang es, als es gefühlt zerriss und mir dämmerte eine entscheidende Erkenntnis - wie ein leisestes Winseln dröhnt der unhörbare, aber existierende Wunsch des gequälten Tieres in meinen Ohren. Blutrausch entstand, wenn es einem Wesen furchtbar geht. Wenn es sich in einer, psychischen oder physischen, Folter sah und sein Herz gebrochen ist. So wie ich ein Brechen eines Knochen vernahm, in dem Moment, in dem wir Beide wieder auf den Steinboden aufschlugen. Jedoch kam das Geräusch nicht von mir, nicht von dem Wesen unter mir. Ich sprang sofort von dem schleimüberzogenen Wölf hinab, spürte das klebrige Schwarz wie Fäden an mir hängen bleiben und dann zu Boden tropfen. Ich war nicht so gebrochen, dass ich es an mich heranlassen würde.
Der wohl jüngere Blutgeist lag heulend am Boden, sein vorderes Bein war gegen die eigentliche Richtung verdreht und er schaffte es nicht, sich aufzurichten. Ein weiterer Hieb schubste mich von den Kreaturen weg, als ein Pfotenhieb des soeben durch mich gestürzten Wesens Staub aufwirbelte. „Pass auf Liam..", keuchte Felyx nur angestrengt. Diesmal war ich am Zug, in den Kampf einzuschreiten. Trotz des verdrehten Beines schnappte der kleinere Wölf nach uns Beiden, rutschte ein Stück nach vorne und hätte meinen Zwilling wohl am Bein erwischt, hätte sich nicht die Klinge meines Dolches in seinen Rachen geschnitten. Ich hatte ihn geworfen und mitten in das aufgerissene Maul des Blutgeistes getroffen, der nun zu Boden sank. Der Blutrausch floss wie verflüssigt von seinem klebrigen Fell hinunter, das nun bräunlich durchschimmern konnte und das Blut gab dem Verderben einen roten Stich.
Eine Sekunde hatte mich die Hemmung wieder eingeholt bei dem Anblick meines Opfers, doch genau das sollte mir zum Verhängnis werden. Mit einem Aufkreischen flog meine Schwester durch die Luft und mein Kopf krachte dröhnend auf den Steinuntergrund. Der Aufschrei wurde im Keim erstickt, in dem Moment, in dem Felyx mit Wucht gegen die Felskante prallte. Traeder riss den Kopf hoch, als der Körper über ihn hinweg geflogen war, doch sogleich regte der Angreifer sein Gehör, weshalb er sich schützend über Owlgamer lehnte und Igelchen zu sich heranzog.
Mir stand der Schreck im Gesicht, meinen rotklebrigen Dolch konnte ich schon wieder aus der Leiche herausziehen, deren Augenlider ich nach Ende des Kampfes schließen würde, aber den Rest unserer Gruppe konnte ich nicht erreichen.
Allerdings war das gar nicht notwendig.
Ein kurzes Funkeln blendete durch das Sonnenlicht, ein silberner Schein schnitt durch die Luft und letztlich auch durch Fleisch und Knochen des Blutgeists. Felyx hatte sich Glaive gepackt und war dem Wölf entgegen gesprungen, den Degen zu einem seitlichen Hieb gerichtet, der ohne Probleme den Kopf abtrennte. Meine Schwester landete zwar sicher auf den Füßen, zitterte aber und blickte wankend dem Haupt zu, das den Berg hinunterrollte. Mit einem Böllern doppste er auch neben mir auf, wurde immer schneller und verschwand irgendwo im Abhang. Der kopflose Leichnam lag ausblutend und ebenfalls im flüssigen Blutrausch nicht weit entfernt von der Gruppe. „Schepper, depper, klepper, rolle, roll.", summte ich geistesabwesend den Text der Blechbüchsen. Langsam ratterte der Blick meiner verstörten Schwester zu mir, die das wohl gar nicht witzig fand. Diese Respektlosigkeit musste ich gleich wieder loswerden und so entschuldigte ich mich sogleich, „Entschuldige, das ist mir nur so rausgerutscht..", sprach aber weniger meinen Zwilling als vielmehr den vor Tod tauben Wölf an.
„Keine Sorge.. am Anfang ist es immer schwer, aber.. nunja... man gewöhnt sich dran...", gab Traeder kleinlaut zu, als er zu uns trat. Sicher gewöhnte man sich daran, sonst könnte er trotz der Blutsprenkel auf seinem Gesicht nicht so ruhig bleiben. „.. du hattest Recht..", murmelte Felyx auf Glaive in ihrer Hand schauend, „.. das mit meiner SChulter war wirklich nur ein Kratzer.. ich hab kaum zugehauen.. ich hatte kaum die Kraft dazu, aber trotzdem..."
Ich machte einen Schritt auf sie zu, doch Traeder hatte schon eine Hand an ihrer Schulter: „Ist schon gut.." und in Gedanken hatte er sicher noch ergänzt "und ja, du hast Glück, dass du damals nicht deinen Arm verloren hast.". Seltsam, meine Hemmung war bei dem Gedanken daran fast gänzlich verschollen, wobei er doch als kleinere Gefahr als die Geister galt.
„Was ist mit Owl?", schüttelte ich den Gedanken ab, worauf ich nach einem Aufschauen eine Antwort erhielt: „Ihr geht es besser, ich hab ihr eine Wüstenflugessenz ähnliche Lösung verabreicht, das hat ihren Puls stabilisiert und vor allem ihren Atem wieder in Gang gebracht. Trotzdem muss sie dringend wieder auf den Boden, damit sie wieder aufwachen kann."
„Gut. Dann sollten wir uns beeilen, runterzukommen.", sagte Felyx mit wieder klaren Stimme.
Traeder teilte uns aber gleich das Problem mit, beziehungsweise, inwiefern wir helfen müssten: „Ich würde Owl den restlichen Weg tragen, aber einer von euch muss den Rucksack nehmen. Außerdem wäre es besser, wenn Igelchen diesen Abstieg nicht selbst geht, es ist mir zu riskant, dass er bei seiner Größe so leicht stolpern könnte. Kann einer von euch ihn bitte tragen?"
Ohne zu zögern bot sich meine Schwester als Taxi für Igelchen an, ich wälzte mir nur ohne Worte den erstaunlich leichten Rucksack auf die Schultern. War da nicht all unser Zeug drin?
„Kann ich Huckepack, Felyx? Das ist am bequemsten.", bat Igelchen um seine Lieblingsart, getragen zu werden. Lächelnd stimmte das erschöpfte Mädchen zu und kniete sich hin, damit der Kleine auf ihren erdbedeckten Rücken klettern konnte. Offensichtlich war er von dem Kopfgeldjäger den Anblick von Kämpfen gewöhnt, schließlich störte es ihn kein bisschen, ebenso wenig wie der rote Fleck auf dem neuen hellgrauen T-Shirt meiner Schwester.
Die bewusstlose Owlgamer ruhte mit ihrem Kopf auf der Schulter von Traeder, der sie vor sich gehalten trug, nicht wie Felyx Igelchen auf dem Rücken. Mit einer Hand hielt er ihre Beine, mit der Anderen ihre Schulterblätter. Mein Zwilling und ich wechselten besorgte Blicke um die junge Terra, hoffentlich wachte sie bald wieder auf...
DU LIEST GERADE
Im Auge des Juwels - Verborgene Welt
FantasíaKatzen mit der Statur eines Menschen, Drachen mit Pferdekopf und junge wie vor Alter graue Magier schlendern über den Dorfplatz, den man durch die Fenster erkennt. In einem der Räume des kleinen unterirdischen Hauses hängt eine grüne, weiß bestaubte...