25. des Sonnenhauchs| Juli, Traeders Zuhause; Felyx
Ungewöhnlicherweise hatte Traeder uns einen freien Tag gewährt, nachdem wir noch am selben Abend wieder zurückkommen waren. Die freie Zeit hatte mein Bruder damit verbracht, mit Igelchen in Owls Zimmer zu spielen. Die Munterrerin hockte im Schneidersitz auf der freien Tischplatte, obwohl sie nicht wirklich frei war, sondern sie bloß einige Sachen zur Seite geschoben hatten, weshalb sich einige Dinge aufeinander aufstapelten, von denen ich sicher war, dass sie zerbrechlich waren. Generell war ihr Zimmer ein einziges Chaos, sie hatte sechs Uhren rumfliegen, beziehungsweise schief an den Wänden hängen. Davon ging allerdings nur eine richtig, zwei standen komplett still. Ihre Raumhälfte bot genug Platz, um mir Igelchen Verstecken u spielen, doch während Liam sein Bestes gab den Kleinen zu finden, lehnte ich neben Owlgamer am Holz und blätterte mal wieder durch mein schlaues Buch, das ich bei der letzten Reise leider zurücklassen musste. Ich schaute kurz zu meinen Beinen hinab, als ich eine leichte Berührung spürte und zwei Knopfaugen glänzten mich verspielt an, den Zeigefinger der dreifingrigen Hand vor den Mund gehalten als Aufforderung, dass ich sein Versteck war. Und so tat ich schmunzelnd so, als hätte ich den Sechsjährigen nirgends sehen können, als Liam sich nach ihm Ausschau haltend im Kreis drehte. Traeder hatte sich die ganze Zeit in seinem Zimmer verkrochen oder saß oben am Küchentisch und grübelte, sprach ich ihn an, dann motzte er sogar nicht wie üblich zurück, sondern schwieg, als hätte er nichts gehört. Auch eine angenehme Änderung. Mein Geld hatte er tatsächlich behalten, weshalb ich es etwas bereute, es ihm zugeworfen zu haben. „Harhar! Hab dich!", rief mein Bruder, woraufhin ich grinsend von den Seiten aufschaute. Ich hatte gar nicht wirklich darin gelesen, sondern ihn schielend beobachtet, wie sich seine Suche nach Igelchen entwickelt. Owlgamer neben mir kaute gerade auf einem Schokoriegel rum, den sie anscheinend zwischen dem ganzen Krimskrams gefunden haben musste, also entschied ich mich, nicht nach dem Haltbarkeitsdatum zu fragen. Schlimmer als Keramikschalen konnte es eh nicht sein. „Äh.. Owl, wir haben doch grade erst gefrühstückt.. wie kannst du eigentlich immer essen?", fragte Liam, neben dem nun Igelchen stand. Bevor das Mädchen etwas sagen konnte, geschweige denn bevor sie schlucken konnte, hatte sich Traeder unserer Gesellschaft angeschlossen und stand an der Treppe, woraufhin Igelchen gleich zu ihm eilte und sich an sein Bein schmiegte. Neugierig schauten wir zu dem Mann, erwarteten, dass er etwas zu berichten hatte, weil sonst hätte er sich nie zu uns begeben und uns mit einem Blick geehrt. „Wir sollten uns auf den Weg machen. Die Entfernung zu Beche ist fast so weit wie zum Fuß des Tempelsberg, aber dort gibt es keinen Zwischenstopp. Wir sollten also aufbrechen, damit wir nicht zu viel im Dunkeln laufen müssen."
Und wie auf Befehl waren wir in kürzester Zeit abmarschbereit und folgten dem Kopfgeldjäger in einer Reihe wie die Soldaten. Oder eher wie die Gänse. Doch weiter als bis zum Platz von Handelskreuz kamen wir nicht, bis wir von einem Rufen aufgehalten wurden. Ich hatte ein wenig ein Déjà-vue, die Stimme und das Setting kamen mir so bekannt vor.
„Die Zwillinge und der Herr Traeder mit seiner Bande! Wie schön euch wieder zu treffen!"
Ein kleiner grauer Kater rief schnurrend von seinem Planwagen aus unsere Gruppe, den Zentaur neben sich, der mit einem hufartigen Arm winkte, die blinden Augen geschlossen.
Ohne auf Traeder zu achten, der uns jedoch folgte, hasteten wir in großen Schritten zu den bekannten Gesichtern. „Katha, Aristomeles! Ihr seid wieder hier!", erwiderte ich ebenso erfreut die Begrüßung. „Ja natürlich. Der Handel muss ja fortbestehen und auf die Nachfrage von Kunden in den ganzen Katzengemmen muss bedient werden. Wir können Handelskreuz doch nicht von unseren hochwertigen Gütern abhalten!", maunzte der Kater so hochgesprochen wie eh und je.
„Ah, wo du grade davon sprichst, hast du noch Opeme und Anti-Schmee da? Wenn ja, wie viel kostet es grade?", fragte Liam, sein Geldbeutelchen gezückt. Der Händler nannte ihm einen fairen Preis, obwohl ich sicher war einen höheren auf dem Preisschild zu erkennen. „Gut, danke.", lächelte er freundlich, „Hier Felyx, die Portion ist für dich.", fuhr er dann an mich gewandt fort. Ich nahm nur dankend an. Mit etwas gesenkten Ohren sprach Katha aber weiter: „Wir können allerdings, so fürchte ich, die Konversation nicht länger ausführen. Aristomeles und ich waren eigentlich gerade dabei, alles für die Weiterreise zu richten. Wir haben noch einen längeren Weg vor uns."
„Oh..", murmelten wir Beide gleichzeitig, es betrübte uns auffällig, uns schon wieder verabschieden zu müssen. „Wo müsst ihr denn hin?", versuchte ich dennoch, etwas weiterzureden. Diesmal gab Aristomeles die Antwort, ein freundlicher Tonfall überdeckte die leichte Bedrückung: „Wir gehen zu einem Dorf weiter westlich von hier, nach Beche.", doch ließen uns seine Worte aufstrahlen. Traeder war es, der unsere Hoffnung als Frage formulierte: „Wir sind zufällig auch auf dem Weg dorthin, wenn es denn in Ordnung wäre, könnten wir vielleicht mitkommen?"
Trotz der Freude über das Wiedersehen schaute der Kater mit verengten Augen skeptisch auf den Kopfgeldjäger. „Wieso, wir sind schließlich keine Reisegesellschaft?"
Verständnisvoll erklärte Traeder die Situation und legte die überzeugendsten Gründe dar: „Wir waren schon bis vorgestern sehr viel unterwegs, wir sind zu Fuß nach Tempelsberg und wieder zurück gelaufen, weil wir dort nicht weiterkamen. Und weil das nicht schon anstrengend genug war, wurde unser Zwischenhalt Klifffang auch noch von dem Drachen Lynx angegriffen. Außerdem ist Igelchen mit dabei und wir haben es relativ eilig. Ich will dem Kleinen ungerne nochmal so eine Riesenstrecke antun."
Warum wir es eilig haben sollten war mir unklar, aber immerhin hatte ich jetzt auch mal den Namen des Monsters gehört, das dieses Chaos verursacht hatte.
Kathe nickte zustimmen, „Ja, das wirkt einleuchtend auf mich. Der Wagen dürfte genügend Platz für eine Gruppe eurer Größe bieten, vor allem bei der geringen Körpergröße eurer beiden Freunde.", spielte der selbst kleingewachsene Munterrer auf den Sechsjährigen und Owlgamer an. „Aber wie geht es dir damit, Aristomeles? Gibst du auch dein Einverständnis, die Fünf mitzunehmen, schließlich musst du uns ja ziehen?"
Es hätte uns tatsächlich überrascht, hätte der gutmütige Zentaur abgelehnt. „Natürlich, das ist kein Problem für mich. Bevor du deinen Gerümpelkorb unter dem Wagen ausgemistet hast, war es auch viel schwerer alles zu ziehen. Und damit können die Fünf sicher nicht mithalten. Und für unsere Freunde kann man auch mal was tun, es ist ja auch im Interesse von Liam und Felyx."
Wir waren verwundert, wechselten erst unsichere Blicke, Freunde? Die Händler sahen uns Beide wirklich als Freunde an. Doch als ich den Satz wiederholte, Katha und Aristomeles in die Augen schauend, wurde der Satz vertrauter für mich. Und so halfen wir beim Zusammenpacken, bedankten uns für die Mitfahrgelegenheit und quetschten uns in den bedeckten Bereich des Planwagens, wir Zwei vorne hinter dem Kutschbock, sodass wir uns mit den Händlern unterhalten konnten. Reisen mit Freunden war etwas unfassbar schönes.
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Im Auge des Juwels - Verborgene Welt
FantasyKatzen mit der Statur eines Menschen, Drachen mit Pferdekopf und junge wie vor Alter graue Magier schlendern über den Dorfplatz, den man durch die Fenster erkennt. In einem der Räume des kleinen unterirdischen Hauses hängt eine grüne, weiß bestaubte...