{ 31 } ein gefrorenes Licht { 31 }

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2. des Sonnennebelbeginns| August, Himelis;  Felyx

Er schnaubte mit einer leichten Belustigung über meinen Kommentar. „Nein, das ist kein Anmachspruch. Es ist eine ernstgemeinte Bitte. Die Augen haben eine besondere Bedeutung hier in Munterris.. Sie zeigen, was die Person ausmacht, wer die Person ist. Deshalb ist es ziemlich üblich sich zu sagen, was man in den Augen des Anderen sieht. Nichts Owlgamer, Igelchen und so, wir haben das glaub ich alle schon gemacht, also was heißt ich glaube, ich weiß es. Oft wird gar nicht erst darum gebeten, man kriegt es einfach gesagt. Ich weiß nicht mehr, wie viele Leute es mir gesagt haben, aber ich weiß, was sie gesagt haben, es war nämlich immer dasselbe. Kalte Augen, Kälte, Eis.. dass sie Niemanden hinter dem Eis sehen.", ich hatte das Gefühl, dass seine Stimme bei dem Wort "Niemand" brach, obwohl er ganz normal weitersprach.
Die Erinnerung an Owls Erklärung flackerte auf, dass Traeder neben Lobou noch viele andere Namen hatte. Ein Mann mit was weiß ich wie vielen Namen, die er sich alle selbst gegeben hat.. Er muss wirklich Angst davor haben, ein Niemand zu sein. Was ich jedoch verstand, was sollte man hinter einem Wall aus Eis auch schon sehen? So genau hatte ich ihm noch nie in die Augen geschaut, die Konfrontation hatte mir immer ein mulmiges Gefühl bereitet. Wusste er das? War es das, was ihn bedrückte, dass Leute seinen Blick scheuten, weil sie nicht frieren wollten?
„Und warum fragst du jetzt ausgerechnet mich..? Also, du meintest ja, Owl, Igelchen und Andere hätten dir auch schon alle gesagt, was sie in deinen Augen sehen, also warum willst du, dass ich jetzt was sage?", warum ich drumherumredete war mir unklar, es stellte kein Problem für mich dar.
„Wie gesagt, alle haben sie Niemanden in mir gesehen und.. wie bescheuert es klingt.. es gibt nichts schlimmeres, als ein Niemand zu sein und ich hoffe, dass irgendjemand etwas Anderes sieht. Und du hast in der Zeit, die du bei uns bist wache Augen bewiesen, dir entgeht nicht wirklich etwas, dir fallen viele Kleinigkeiten auf. außerdem bist du eine scheiß Lügnerin. Man merkt sofort, wenn du nicht die Wahrheit sagst.". Charmant, war das etwa ein Kompliment?
„Gut.. ich kann ja mal schauen..", wie ironisch. Vorsichtig reckte ich meinen Kopf in seine Richtung, er war mir noch immer zugewandt und schaute mir direkt in die Augen. Ich hatte wieder ein unwohles Gefühl und meine Augen wollten zur Seite wandern, oder sich in das Dunkel der Augenlider fliehen, was ich nicht zulassen wollte. „..Wenn ich dir was sagen soll, dann musst du mir auch auf Augenhöhe sein.", versuchte ich mein Glück, das Gefühl zu bessern.
Er reagierte kaum merklich, als er ein bisschen mit dem Kopf rückte, weswegen ich etwas unsicher nachhalf. „Ähm.. eher so.. eh, darf ich..?", murmelte ich schüchtern, legte die Fingerspitze von meinem Daumen und Zeigefinger an sein Kinn und zupfte ihn auf Augenhöhe.
Das Gefühl verblasste tatsächlich allmählich und ich konnte ihm beruhigt in die Augen starren.
„Deine Augen... strahlen so eine Kälte aus, wie Eis..", sein zuvor neutraler Blick verzog sich zu einer Verdrießlichkeit, seine Pupillen wanderten zur Seite, als wollte er sich in ein Wegschielen flüchten. Doch als ich fortfuhr erwiderte er den Augenkontakt wieder mit einem plötzlichen Erstaunen: „Aber nicht einfach nur Kälte, viel mehr wie... eingefrorenes Licht. Ich kenne deine Geschichte nicht, aber da ist mehr hinter deinen Augen als Andere sehen, mehr als du zulässt. Irgendwas, oder wer, der irgendwann mal gefroren ist und keine Wärme annimmt, die ihn auftauen würde." Nein, ein Niemand lag da bestimmt nicht hinter seinen Augen. Aber auf jeden Fall lag jetzt ein Erstaunen in ihnen, meine Ehrlichkeit hatte er erkannt.
Er schwieg stumm, ich nutzte die Stille, um in die unbekannte Geschichte reinzugrätschen: „Du hast Igelchen damals das Leben gerettet, gell?"
Das Erstaunen wich nicht, doch konnte er es nun auch mit Worten ausdrücken: „Woher weißt du das denn jetzt wieder?"
„Na, woher wohl. Oder von wem wohl."
Ohne dass ich Owlgamers Namen erwähnen musste, nickte er ein „war ja klar.." murmelnd.
„Sie hat erzählt, dass du ihn aus dem Feuer geholt hast, bei dem.."
„Allen anderen Spiks umgekommen sind.", beendete er trübe wegschauend meinen Satz. „Es war das ehemalige Heim der Spiks, Arborien. Ein Volk, das an einem der zwei Riesenbäume der Katzengemmen lebte, bis eben dieser Riesenbaum, das Hauptstück der Stadt, durch einen blutigen Drachen in Brand gesteckt wurde"
„Was ist ein blutiger Drache..? Ist das ein von Blutrausch befallener?", mein Raten schien sich als richtig herauszustellen, wobei Traeder nicht direkt antwortete: „Mhm, wie wir ja schon in Klifffang bemerkt haben, sind sie unfassbar gefährlich, und der ist nur durchgeflogen."
„Ganz Arborien ist abgebrannt, sodass niemand überleben konnte, und du bist einfach so reingerannt.. wolltest du sterben oder wusstest du, dass du jemanden retten kannst?"
Er gluckste kurz, als hätte ich recht gehabt und er müsste abwägen, welches von beiden er besser sagen würde: „Ich konnte ihn hören. Igelchen war erst ein paar Monate alt und seine Eltern waren neben ihm erstickt. Sie mussten durch den ganzen Ort gerannt sein, um ihn zu finden, sie hätten sich nämlich noch retten können, wenn sie mit ihm dort gewesen wären, als das Feuer ausbrach. Er war wie gesagt noch fast ein Baby und hat die ganze Zeit geschrieen, wodurch ich ihn finden konnte."
„Wow.. das.. das ist schrecklich natürlich, aber.. du hast echt.. naja eine Heldentat eigentlich vollbracht. Igelchen ist echt wundervoll und es ist schön, dass er mit bei uns ist. Wenn du ihn nicht gerettet und dich um ihn gekümmert hättest-"
Er unterbrach das ihm wohl peinlich werdende Lob mit einer falschen Bescheidenheit: „Nah, Owlgamer hat sich verdammt viel um ihn gekümmert und viel mit ihm unternommen und Wesen vor den Schrecken der Blutgeister zu retten ist mein Job.. Ich hab schon oft gefährliche Situationen gehabt, das war eben das einzige mal, dass ich meinen.. Schützling. aufgenommen hab, ansonsten mach ich, und Owlgamer auch, das ständig."
Wenn Igelchen der einzige Schützling war, den Traeder aufgenommen hatte, wie kam Owl dann zu ihm? Bevor ich die Frage stellen konnte, schlich sich eine viel wichtigere in meinen Kopf:
„Was ist eigentlich aus deiner goldenen Regel geworden? Hast ja schon ziemlich oft mit mir geredet heute und das, obwohl ich ein Mensch bin." und Rikses Kind, was mir wie der eigentliche Grund für seine Abneigung schien.
Er lachte kurz in sich hinein: „Ts, naja, sieht ja so aus, als hätte ich euch ja noch länger am Hals."
Ich schmunzelte, als ich bemerkte, dass er nicht so enttäuscht klang, wie man vor ein paar Wochen noch hätte erwarten können. Sein Blick huschte kurz zu mir, an meinem Gesicht vorbei auf meine linke Schulter. Beim Anblick meiner großen Narbe verzog sich sein Gesicht zu einem zerknirschten Ausdruck. „Ich geh dann mal schlafen.. gute Nacht.. und tut mir leid, nochmal.", murmelte er noch immer auf meine Narbe schielend. „Öh, was? Hä, achso, ja, ist schon ok... schlaf gut.". Mit einem freundlichen Nicken verschwand er in seinem Zimmer und auch ich entschied mich, mich in mein Bett zu verkriechen.

3. des Sonnennebelbeginns| August, Himelis;  Felyx

„Wo gehen wir dann als nächstes hin?", fragte Igelchen vorfreudig, als wir den Weg zum Fahrstuhl wieder herunterkraxelten. „Erstmal nach Hause, wir müssen schauen, wie wir weitermachen. Mir fällt grade nicht wirklich was ein, was wir machen könnten.", gab Traeder ehrlich zu.
Liam hatte noch einen erstaunlich festen Gang, seine Knie zitterten nicht wie bei einem Erdbeben und seine Stimme klang beim Reden auch sicherer als bei unserer Anreise. „Gehts dir eigentlich besser als gestern?", fragte er mich, ich hatte ihm vom gestrigen Abend erzählt, nur hatte ich das Gespräch mit Traeder im Wohnzimmer nicht erwähnt. Die Handregel bei Bällen allerdings schon, das würde ihm vielleicht auch noch nützlich werden. „Ja, mir gehts gut.. äh.. Aber Owl, ist bei dir alles in Ordnung?".
Die Terra schlurfte erschöpft hinter uns her, keine Spur von ihrer gewohnten Quirligkeit. «Ja, alles prima, ich.. hab nur ein bisschen Kopfweh.», was verständlich war. Die Luft war stickig und brannte in der Nase beim Atmen. Der Himmel drückte auf unsere Köpfe und verschob ein krampfartiges Gefühl zu unseren Herzen. „Verdammt, was ist das?", knirschte mein Bruder zwischen zusammengekniffen Zähnen hervor, mit einer Hand an seine Brust, wo das Herzliegen musste, gefasst, als wollte er ihm einen schützenden Käfig geben. Ein Knurren gab die Antwort, lauter werdend und in einem Kanon verschwimmend. „Da sind zwei Blutgeister! Zwei Wolfs passt auf!", rief uns der Kopfgeldjäger zu, der Glaive schon gezückt in der Hand hielt, bereit zum Kampf. Igelchen versteckte sich bei Owlgamer, die sich neben einen der Felsen gesetzt hatte und sich die Stirn hielt. Lange versteckten sich die zwei blutigen Wolfs nicht zwischen den Felskanten und schlichen hervor, als weiter wie ein Motor knurrend. Ihre leidenden Augen fixierten uns, ein schmerzerfülltes Hilferufen drang von ihren Blicken zu uns, doch der schwarze Schleim, der ihre Körper bedeckte quoll die Ohren hinab und verdeckte ihre Sicht. Reflexartig zog Liam seine beiden Dolche und auch ich griff zu der Degenscheide neben der Buchhalterung. Die silbern schimmernde Klinge spiegelte meinen Angreifer wider, der sich Stück für Stück immer weiter näherte, Angesicht in Angesicht standen mein Zwilling und ich den sich gleichenden Blutgeistern gegenüber.

„Scheiße, Owl, verdammt, nicht jetzt!
Verdammt, wach auf, Owl,
das ist ein scheiß Zeitpunkt grade,
Owl!"

schrie Traeder, Glaive neben sich liegend, Owlgamer an, die bewusstlos neben dem Stein lag.
Der Mann stützte sie besorgt mit den Armen, ihr Kopf hing schlaff hinunter auf ihre Schulter. „Sie hat sich nicht genug Wüstenflugessenz gespritzt!", rief er uns zu, „Ich muss mich um sie kümmern, ihr müsst kämpfen!", schrie er beinahe, Angst sträubte Igelchens kurzes Fell, während er neben seiner Freundin auf und ab tappelte. Ich konnte es mir nicht erlauben, die drei länger anzuschauen, als sich der erste Wölf in eine bedrohlich kampfbereite Pose begab und mich mit gefletschten Zähnen anstarrte. Es stimmte, es war ein schrecklicher Moment für Owlgamer um in Ohnmacht zu fallen.

Im Auge des Juwels - Verborgene Welt  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt