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Ich biege in eine Seitenstraße und bin da. Ich schalte den Motor ab.
Sally wohnt in diesem hässlichen Betonklotz hinter einem der vielen hundert, gleich aussehenden Fenstern. Eine dunkle Mietskaserne, wie es sie hier in Massen gibt.
Meine Sally passt nicht in diese Gegend. Sally ist rein, hübsch, dieses Viertel hässlich und dreckig.

Ich bin im fünften Stock und klingle.
Sally macht auf. Sie kann's nicht fassen, steht wie versteinert da.
Dann fällt sie mir um den Hals. Sie weint vor Freude und hält mich ganz fest, will mich gar nicht mehr loslassen.
Ich drehe Sally wie ein Kind im Kreis.
Ein riesiger Jubel, nach fast einem halben Jahr.
Ich schaue meinem blonden Schatz lieb in die Augen, die mich funkelnd anstrahlen.
Sally gesteht, dass sie schreckliche Sehnsucht nach mir gehabt habe. Oft habe sie deswegen stundenlang wachgelegen. Für immer und ewig würde sie auf mich warten, bis ans Ende aller Tage.

Wir gehen den Flur entlang Richtung Küche. Vorbei an der Kommode, auf der ein goldgerahmtes Foto von uns steht. Aufgenommen in Paris. Ein wunderschönes Bild: wir beide verliebt vor dem Eifelturm, fest aneinandergeschmiegt, als hielte uns ein eisernes Band zusammen.
So mächtig wie dieser Turm solle unsere Liebe sein, hat Sally damals gesagt.
Sally ist gerade beim Kochen, auf dem Küchenherd steht ein Topf mit Spaghetti. Die mag Sally.
Nach ihrem eigen kreierten Rezept gibt sie Nusscreme drüber, die schnell zerläuft, und würzt das Ganze mit Chili nach. Ein unglaubliches Gericht, so unglaublich wie diese Frau selbst.
Sally erzählt, dass sie die letzten Monate in der Kneipe gleich um die Ecke gekellnert habe, oft bis spät in die Nacht hinein.

Nach dem Abwasch drücke ich meinen Schatz ganz fest und gebe ihm einen dicken Kuss.
Sally meint, dass sie das Kuscheln ihres Bärchens vermisst habe und streicht mir zärtlich übers Haar. Sie ist eine sinnliche Frau.
Wir lieben uns im Schlafzimmer auf ihrem weich gefederten Bett, das pausenlos ächzt und stöhnt. Sallys weite Pupillen zeigen mir die Lust, die sie verspürt.

Erschöpft liegen wir im Bett und schmiegen uns aneinander. Ich schnuppere an ihrer Haut und sauge den betörenden Duft, den ich so lange vermisst habe, tief in mich ein. 
Sally ist die einzige Frau, mit der ich im Leben etwas hatte, und das wird auch so bleiben. Sie ist göttlich und nur ich kenne ihr süßes Geheimnis: das Piercing an intimer Stelle.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now