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Mit Hilfe der Wasserschutzpolizei hielten Kommissar Treibel und Paul auf den vor Anker liegenden und den auslaufenden Schiffen Ausschau nach dem flüchtigen Pärchen.

Gerade klapperten die beiden Ermittler die Überseedampfer ab, die friedlich an den Liegeplätzen lagen.
Treibel zeigte den Seeleuten das Foto der Gesuchten und bediente sich der Notlüge, dass es sich bei den Tätern um gefährliche Meuchelmörder handle. Nur mit Hilfe dieses Tricks gelang es dem Kommissar, die harten Seefahrer zumindest zu einem flüchtigen Blick auf das Foto zu bewegen.
Doch niemand schien die beiden Personen je zuvor gesehen zu haben.

Gegen vierzehn Uhr hatten die Ermittler erst die Hälfte der Boote abgegrast, die unter anderem nach China, Brasilien oder Kenia ausliefen, doch marschierten die Fahnder beharrlich weiter von Schiff zu Schiff.
Treibel schwante allmählich, dass dieser Fall wohl zu den 3,7 Prozent zu rechnen sein würde, in denen es dem Kommissar nicht gelungen war, den Täter zu verhaften. Das wirkte sich zwar negativ auf Treibels persönliche Erfolgsbilanz aus, doch behielt diese weiterhin unangefochten einen Spitzenplatz.
Logik und Willenskraft hatten sich bei der Aufklärung dieses Mordfalls wie zwei Gegner gegenübergestanden und die Willenkraft hatte nach einem mehr oder weniger schweren Gefecht gesiegt. Die Flüchtigen hatten sich als mental stark und beachtlich klug erwiesen. In gewisser Weise gönnte ihnen Treibel die gewonnene Freiheit, eröffnete sie doch den jungen Menschen die Möglichkeit, mit dem Leben noch einmal ganz von vorn zu beginnen. Eine Vorstellung, die Treibel auch für sich nicht uninteressant fand.
Der Kommissar hatte sich im Laufe seiner Dienstjahre angeeignet, die Täter einer differenzierten Betrachtung zu unterziehen. Ein solches Denken hatte sich schon beim jungen Tillmann bemerkbar gemacht, der in der Schule dadurch aufgefallen war, nicht wie seine Mitschüler schablonenhaft nach Gut und Böse zu werten, sondern für den vermeintlichen Schurken, etwa Büchners Woyzeck, Mitgefühl zu zeigen.

Vor einem Antiquariat für Seekarten blieb Treibel stehen und gestand seinem Praktikanten den Verdacht, dass die Gesuchten sich zwischenzeitlich längst abgesetzt haben könnten und über alle Berge oder - in diesem Fall - über alle Meere seien.
Paul öffnete erstaunt den Mund und stand sprachlos da.
Dann kam wieder Leben in die Mimik des Praktikanten und er stellte - noch völlig perplex vom Eingeständnis der Niederlage - fest, dass diese gerissenen Täter die Polizei ganz schön an der Nase herumgeführt hätten.
Dies musste Treibel leider so anerkennen, doch bat er Paul, diesen Sachverhalt beim Anfertigen des Fallberichts doch bitte mit anderen Worten zu formulieren.
Pauls leise Hoffnung, dass der Fall ähnlich wie bei Bonnie und Clyde in die Kriminalgeschichte eingehen könnte, hatte sich von einer Sekunde auf die andere zerschlagen.
Treibel ahnte, was in seinem Praktikanten vor sich ging, und munterte ihn durch das Angebot auf, beim Anfertigen des Fallberichts behilflich zu sein. Diese Form von Unterstützung könne man als Kollegenhilfe ohne Weiteres durchgehen lassen.
Paul konnte solchen Beistand gut gebrauchen, denn oft fehlten dem Praktikanten einfach die entsprechenden Fachbegriffe, was seine Arbeit mühsam und zeitaufwendig machte.
Paul war auch gleich viel besserer Laune und meinte, dass die Sache dann schnell geschrieben sei und bestimmt noch Zeit bleibe, das Drehbuch, an dem er gerade arbeite, zu beenden.
Es gehe da um einen Doggenzüchter, der die Einwohner seiner Heimatstadt nach und nach erdolche, um sie an die Hunde zu verfüttern. Was die Doggen von den Opfern übrig ließen, schmeiße der Killer auf seinen Komposthaufen. Das ergebe einen ausgezeichneten Dünger, der Blumen und Gemüse hervorragend wachsen lasse.
Das war wieder einer der wenigen Momente, in denen man Treibel laut lachen hörte, denn er fand diese makabren Fantasien seines Praktikanten geradezu erheiternd und gar nicht schlecht.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now