Der Bullenwagen steht am Straßenrand, doch niemand sitzt drin.
Meine Sinne sind geschärft. Ich glaube, von irgendwoher Stimmen zu hören. Meine Pupillen hetzen hin und her, versuchen angestrengt, durch eine Ritze in der Holzwand die Fremden zu entdecken.
Es gelingt. Ich sehe zwei Bullen auf den Schuppen zukommen. Immer wieder bleiben sie stehen und blicken sich nach allen Seiten um.
Jetzt ist es zu spät, Sally zu wecken. Das würde zu viel Krach machen, uns gleich verraten.
Ich starre zur Tür, die ich mit Holzstämmen verrammt habe. Irgendwie muss ich die beiden außer Gefecht setzen, ohne ein Gemetzel zu veranstalten.
Instinktiv stelle ich mich an die Wand seitlich zur Tür, werde dort auf meine Beute lauern und zur rechten Zeit zuschnappen.Sekunden später stößt einer der Bullen mit einem wuchtigen Fußtritt die Tür auf. Die Holzstämme purzeln mit lautem Krachen zu Boden.
Der Typ hat seine Knarre im Anschlag. Er sieht Sally, die vom Lärm aufgeschreckt ist, und zögert irritiert.
Das ist mein Moment. Was jetzt folgt, tue ich nicht gern. Doch manchmal lässt einem das Leben keine Wahl.
Ich pfeffere dem Bullen von hinten meine Fäuste auf die Schultern. Der lässt auch gleich die Waffe los. Doch verdammt! Vorher hat sich ein Schuss gelöst und Sally schreit auf.
Schnell schleudere ich den zweiten Kerl mit einem Ellbogencheck gegen die Wand. Diese Attacke war heftig. Natürlich ist der Bulle auf der Stelle bewusstlos, sodass ich dem andern, der durch durch den Schlag auf die Schultern bereits kampfunfähig ist, den Rest geben kann. Mit einem gut dosierten Faustschlag. Er schickt den Kerl auf eine längere Reise ins Schlummerland.Sofort wende ich mich meiner Sally zu. Mist! Sie hat's erwischt. Eine Blutlache hat sich unter ihrem Oberarm gebildet.
Doch Sally sieht's gelassen und hält die Wunde nur für einen Kratzer, der nicht der Rede wert sei. Ich müsse doch langsam wissen, dass sie nichts so leicht umbringen könne.
Ich nehme die Wunde in Augenschein. Zum Glück nur ein Streifschuss, es steckt keine Kugel.
Ich halte es für meine Bestimmung, Sally zu schützen. Versage ich, bleibt mir nur der Tod von eigener Hand.
Sally erinnert mich an den Unfall, den sie mit sieben gehabt habe. Beim Klettern auf einen Kirschbaum sei sie damals abgerutscht und ein Ast habe ihren Oberschenkel komplett durchbohrt. Über zwei Stunden habe sie an diesem Ast gehangen, bis ein Bauer die Hilferufe gehört habe.
Da die Schusswunde immer noch blutet, hole ich den Verbandskasten aus dem Mercedes, lege Kompressen auf die Wunde und wickle eine Mullbinde herum.
Weil die Wunde sich entzünden und Sally an einer Blutvergiftung krepieren könnte, halte ich es für das Beste, einen Arzt aufzusuchen.
Sally findet das zu gefährlich. Bei ihr heilten alle Verletzungen schnell und auf eine Narbe mehr oder weniger komme es ihr nicht an.Die Bullen liegen immer noch bewusstlos am Boden.
Sally lobt mich, findet, ich hätte eine gute Schlacht geschlagen und keinen von den Typen da ins Jenseits befördert. Die machten auch nur ihren Job. Doch seien die beiden keine ernstzunehmende Gegner für mich.
Ich bin mir sicher, dass Sally das genauso hingekriegt hätte. Ich erinnere mich, wie sie sich damals bei dem Überfall in der Tiefgarage verhalten hat. Sally trat dem vorbestraften Sextäter mit voller Wucht gegen das Schienbein und zog ihm den Autoschlüssel quer durchs Gesicht. Der Kerl ließ augenblicklich von Sally ab.Der eine Bulle blinzelt schon wieder mit dem rechten Auge. Das linke ist zugeschwollen.
Ich packe den jungen Kerl am Kragen und stelle ihn auf die Beine.
Noch ist er unsicher, schwankt hin und her. Und kann sich an nichts mehr erinnern, fragt, wo er eigentlich sei.
Ich frische sein Gedächtnis auf und trichtere ihm ein, was er über Funk durchsagen soll. Wenn er's nicht tue oder irgendwelche Mätzchen mache, würde ich ihm mit seiner eigenen Waffe ein Riesenloch in den Schädel pusten.
Diese deutlichen Worte hat der Bulle verstanden.Wir gehen zum Auto und während der Typ durchsagt, was ich ihm aufgetragen habe, halte ich die Knarre fest an seine Schläfe.
Er funkt, dass die gemeldete Hütte im Wald leer sei und sie sich in der Umgebung noch etwas umsehen wollten. Deshalb seien sie vorerst nicht erreichbar.
In der Hütte fesseln wir die Bullen mit dem übrig gebliebenen Material aus dem Verbandskasten, verschnüren sie zu einem Paket, wie Sally es ausdrückt.
Die Knarren stecken wir ein. Die können uns noch gute Dienste erweisen.Das Polentenauto fahre ich, so tief es geht, in den Wald.
Er umhüllt den Wagen wie ein grünes Tuch und macht ihn nahezu unsichtbar.
Ich werfe gleich noch einen Blick in die Computerdatei der Bullen und finde auch was über uns. Wir haben es mittlerweile zu einer gewissen Berühmtheit gebracht.
Sally freut sich, dass sie als „hübsche Erscheinung" beschrieben wird.
Mich stufen die Bullen als hochgefährlich ein. Angeblich soll ich eine starke Neigung zu Gewaltausbrüchen haben. Diese Aussage bringt mich in Rage und mit einem kräftigen Faustschlag zerschmettere ich den Rechner.
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Der Entflohene
Mystery / ThrillerDie Geschichte eines Entflohenen. Er wird gejagt. Doch die Häscher kommen immer näher. Gibt es ein Entrinnen?