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Über die neuerliche Saure-Gurken-Zeit, in denen es mit den Ermittlungen nicht vorangehen wollte, war Kommissar Treibel alles andere als glücklich. Dass seine Arbeit einen so schleppenden Verlauf nahm, passierte Treibel nicht allzu oft.
Weil das Verbrecherpaar nach seiner Ansicht an einem abgelegenen Ort untergeschlupft sein musste, hatte der Kommissar auf einer Wanderkarte der Gegend, wo das Sportcoupé des Industriellensohns verunglückt war, 33 einsam gelegenen Plätze markiert. Darunter befanden sich Wanderhütten, einsam gelegenene Bauernhöfe und auch das Schloss Hohenfels, wohin Treibel und Paul gerade mit dem Wagen unterwegs waren.
Die alte Bäuerin, bei der die beiden vorbildlich Erste Hilfe geleistet hatten, war in der vergangenen Nacht auf der Intensivstation verstorben. Der behandelnde Internist hatte am Telefon mitgeteilt, dass die Dame friedlich eingeschlafen sei.
Ein schöner Tod, fand Treibel, das Herz der Frau hatte einfach aufgehört zu schlagen wie eine altersschwache Uhr.
Nachfahren hatte die Frau keine. Der Hund wurde ins Tierheim gesteckt, die anderen Tiere zum Schlachter gebracht.  Der Hof mit seiner jahrhundertealten Geschichte lag verwaist.
Paul starrte verträumt in die Landschaft, die am dahintuckernden Auto vorüberzog, und musste wieder eine der gefürchteten Lehrstunden seines Chefs über sich ergehen lassen. Diesmal predigte er, dass es unerheblich sei, möglichst viel zu erleben und die Zeit mit allerlei Unnützem vollzustopfen, wie es der Zeitgeist suggeriere, sondern vielmehr entscheidend, sich im Leben auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren und sich diesem intensiv zu widmen. Nur so könne man auf einem Gebiet herausragende Leistungen bringen.

Einige Minuten später war es mit Treibels Vortrag vorbei. Denn auf dem unbefestigten Weg, der zum Schloss führte, passierte den Ermittlern bereits ihr zweites Missgeschick, nachdem vorhin fast um Haaresbreite ein riesiger Hirsch ins Auto gelaufen war.
Der Wagen steckte mit den Rädern im Schlamm des Weges fest, den der vorbeifließende Bach bei dem Gewitterschauer neulich überflutet und in einen Sumpf verwandelt hatte.
Der Kommissar bemühte sich vergeblich, durch vorsichtiges Betätigen des Gaspedals freizukommen und war daher gezwungen auszusteigen.
Zu seinem Bedauern musste Treibel feststellen, dass die Reifen tief im Morast versunken waren.
Der Kommissar rief Paul zu, er solle bitte auf die Fahrerseite hinüberkriechen, den Motor starten und leicht Gas geben.
Gleichzeitig wollte Treibel das Fahrzeug von hinten anschieben.

Doch dieses Mal war Paul zu übereifrig und drückte das Pedal bis zum Anschlag durch, sodass es zwar gelang, den Wagen mit lautem Geheul aus dem Sumpf zu befreien, doch Treibel durch den Schlamm, den die durchdrehenden Räder nach hinten geworfen hatten, zu einer unkenntlichen Mumie geworden war.
Mit einer bösen Vorahnung drehte Paul seinen Kopf nach hinten und erschrak bei diesem Anblick. Der Kommissar sah nun aus wie eine zum Leben erweckte Moorleiche.
Verlegen und kleinlaut bat der Praktikant seinen Vorgesetzten um Verzeihung.
Treibel begann sofort mit einer japanischen Atemübung, die ihn davon abhielt, ein unbeherrschtes Donnerwetter loszulassen.
Anschließend bat der Kommissar seinen Praktikanten um Taschentücher, die vorne im Handschuhfach lagen, und begann, zunächst die Brille und danach - so gut es ging - den Anzug zu säubern.
Weil der Weg zu diesem entlegenen Schloss zu beschwerlich war, entschied Treibel, den Besuch bei dem adligen Paar abzusagen.
Der Kommissar hatte den Baron eh schon telefonisch befragt, doch hatte er Treibel nicht weiterhelfen können.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now