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Den ständigen Quartierwechsel, der notwendig wurde, wenn Treibel auf der Jagd nach Serienmördern war, fand er lästig.
Meist wählte der Kommissar in solchen Fällen eine preiswerte Pension, obwohl niemand etwas gegen die Unterbringung in einem Hotel der gehobenen Klasse gesagt hätte.
Diesen Abend hatten er und Paul zwei Einzelzimmer, die gleich nebeneinanderlagen, in einem schlichten Gästehaus belegt.

Gegen 23.10 Uhr erhielt der Kommissar einen Anruf auf dem Diensthandy.
Ein Kollege berichtete, dass die Gesuchten in einer Scheune aufgespürt worden, doch leider von dort geflohen waren.
„Immer wieder das gleiche Lied", murrte Treibel, und verzichtete darauf, Paul zu solch später Stunde noch zu belästigen.
Der Kommissar ahnte bereits, dass der Einsatz die ganze Nacht dauern konnte.
Doch um Paul zumindest eine Nachricht zu hinterlassen, wo sein Vorgesetzter sich gerade befand, schob er seinem Praktikanten eine handgeschriebene Notiz durch den Türspalt.
Dann fuhr Treibel zu der besagten Scheune, die 70 Kilometer von der Pension entfernt lag.

Am Ort des Geschehens ließ er sich berichten, was vorgefallen war.
Treibels Gesicht wurde immer länger, als er die Einzelheiten des blamablen Polizeieinsatzes erfuhr. Die Schuld an dem Misserfolg lag in den Augen des Kommissars in erster Linie bei Polizeihauptmeister Knakenhauer, dem Dienststellenleiter der örtlichen Polizeinspektion. Er war verantwortlich für den nächtlichen Einsatz.
Knakenhauer war nach dem Anruf des Landwirts, der die Gesuchten erkannt hatte, einfach mit den beiden verfügbaren Polizeiwagen zu diesem Hof geeilt, ohne vorher das Spezialkommando zu verständigen.
Die vier Landpolizisten, die gewöhnlich mit Parksündern und Ladendieben zu tun hatten, waren mit dieser Situation völlig überfordert und hatten sich vom gerissenen Pärchen übertölpeln lassen.

Treibel redete ein ernstes Wort mit dem Polizeihauptmeister und übte Kritik an seinem Handeln. Den traf diese Rüge hart, schätzte er doch den Kommissar sehr. Immerhin handelte es sich dabei um den Mann, der vor einigen Jahren den berüchtigten Serienkiller vom Hexenmoor zur Strecke gebracht hatte.
Knakenhauer versuchte sich zu rechtfertigen und erklärte, dass drei Kollegen und er sich vorschriftsmäßig vor dem Scheunentor postiert hätten. Niemand habe auf die Weisung, mit erhobenen Händen die Scheune zu verlassen, reagiert. Weil die Polizisten dann unter Beschuss geraten seien, hätten sie hinter den Wagen Schutz gesucht. Kurz darauf sei ein großer Krach in der Scheune zu hören gewesen, doch hätte man der Sache nicht nachgehen können, da immer wieder Schüsse gefallen seien. Als die vier Mann schließlich Axthiebe vernommen hätten, sei plötzlich ein ganzes Arsenal an Geschossen abgefeuert worden. Dann sei Ruhe eingekehrt und Knakenhauer und seine drei Kollegen hätten sofort die Verfolgung der Täter aufgenommen, doch nur noch zwei Gestalten in den Wald huschen sehen.
Treibel sah Knakenhauer streng durch die Hornbrille an und stellte fest, dass diese gescheiterte Aktion keine Heldentat gewesen sei. Wenn die beiden Flüchtigen es darauf angelegt hätten, würde niemand der vier Gesetzeshüter mehr leben.
Treibel ging zurück zu seinem Fahrzeug, setzte sich hinein und wandte, um sich abzureagieren, die japanische Atemübung an.
Insgeheim zollte Treibel den Flüchtigen Respekt, waren die beiden doch auf raffinierte Weise wieder einmal einer heiklen Situation entkommen.

Das zu spät angeforderte Spezialkommando durchkämmte mit Nachtsichtgeräten systematisch das Waldgebiet.
Treibel saß mit in einem Hubschrauber, der versuchte, die Flüchtigen im Gelände aufzustöbern. Es war laut hier drin. Die Rotorblätter kreisten mit einem gleichmäßigen Surren im strömenden Regen. Der gleißende Lichtstrahl des Suchscheinwerfers durchdrang die Finsternis und grub sich tief in den Wald hinein.

Der EntfloheneWhere stories live. Discover now