(Charlet's Sicht)
Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Natürlich konnte er nicht wissen wie ich mich wegen dieser Frage jetzt fühlte und auf der anderen Seite war sie ja auch berechtigt. Dennoch fühlte ich mich absolut unfähig darauf zu antworten. Ich hatte mich ihm gegenüber schon zu sehr geöffnet, als das ich ihm direkt meine komplette Gefühlswelt offen legen wollte. Die Sache mit meiner Mutter ging ihn definitv nichts an und mal davon abgesehen würde er es auch nicht verstehen. Wie sollte er auch, er hatte ja beide Elternteile noch, oder? Wenn ich so drüber nachdachte konnte ich mir dessen eigentlich nicht sicher sein, aber ich ging mal davon aus, denn im Normalfall hatte man ja eine Mutter und einen Vater.
Ich merkte wie Wincent seine Hand auf meine Schulter legte. Vorsichtig sah ich ihn wieder an und in seinen Augen lag nicht nur dieses Verständnis welches ich sonst nur von meiner Tante kannte, sondern auch ein gewisser Schmerz welcher mir versicherte das auch er seine Probleme mit sich rum trug. Das alles machte die Situation zwischen uns um einiges erträglicher, da ich mit einem Mal nicht mehr das Gefühl hatte sein Leben sei perfekt. ,,Tut mir leid, wenn ich dir damit zu nah getreten bin. Ich hatte nicht das Recht dazu ...'', sagte er irgendwann als er merkte das ich darauf nicht antworten würde. ,,Darüber kann ich einfach nicht sprechen, das hat aber nichts mit dir zutun.'', erwiderte ich. ,,Dann musst du das auch nicht.'', entgegnete er mit einem verständnisvollen Lächeln. ,,Du würdest es eh nicht verstehen.'', flüsterte ich leise, doch da er direkt neben mir saß hörte er es trotzdem. ,,Warum sagst du immer ich würde dich nicht verstehen? Bis jetzt hab ich das doch, oder etwa nicht?''
Ja, irgendwie hatte er damit recht, aber das war eben nochmal eine andere Sache. ,,Ich will dir nicht zu nahe treten, aber das kann man einfach nicht verstehen wenn man sowohl eine Mutter, als auch einen Vater hat.'', erwiderte ich. ,,Und woher willst du wissen das ich beides habe?'', antwortete er direkt und machte mich für einen kurzen Augenblick sprachlos. Mein Blick war ihm natürlich nicht entgangen, da er kurz auflachte jedoch sofort wieder ernst wurde. Ich traute mich nicht nochwas zu sagen, aus Angst es könnte falsch sein. Lag ich mit meiner Vermutung eines perfekten Lebens bei Wincent etwa so falsch? Irgendwie konnte ich ihn gerade kein bisschen einschätzen und merkte außerdem wie wenig ich ihn doch kannte, was nebenbei bemerkt ziemlich schade ist. Andererseits war ich das auch selbst in Schuld, also durfte ich mich jetzt nicht beschweren.
Wincent merkte wohl das ich nicht weiter wusste, weswegen er uns beide aus diesem unangenehmen Schweigen raus holte und mir einfach seine Geschichte erzählte. ,,Ich habe tatsächlich nur meine Mutter, auf die ich mich aber immer zu 110% verlassen kann. Meinen Vater kenne ich nicht, er ist gegangen als meine Mutter mit mir schwanger wurde und seitdem ist er auch nicht mehr aufgetaucht. Das war in dem Sinne aber kein Verlust für mich und diese Vaterfigur hat mir auch nur bedingt gefehlt. Ich habe einen jungen Opa und einen Onkel die das übernommen haben und meine Mutter hat das nebebei bemerkt auch super alleine hinbekommen. Wenn du also keine Mutter hast, warum auch immer, dann kann ich dich verstehen, weil ich wie gesagt auch keinen Vater habe.''
Seine Worte berührten mich zutiefst und mit einem Mal hatte ich das Gefühl ihm die ganze Zeit Unrecht getan zu haben. ,,Das tut mir leid, ich wusste das nicht.'', sagte ich nur während ich ihm tief in die Augen schaute. Zu meiner Verwunderung leuchteten sie. Er schien trotzdem absolut glücklich zu sein. ,,Vermisst du ihn denn gar nicht?'', fragte ich, da ich mir seinen Zustand einfach nicht erklären konnte. Ich vermisste meine Mutter zu jeder Tages und Nachtzeit. Manchmal war das so schlimm das mich Albträume plagten oder ich einfach gar nicht schlafen konnte. ,,Wie soll man jemanden vermissen den man nicht kennt? Das ist wie sich an jemanden erinnern zu wollen den man noch nie gesehen hat, es funktioniert nicht.''
Verdammt, er hatte so recht mit dem was er sagte und ich fand es absolut bewundernswert wie er damit umging. Ich wünschte ich könnte das auch von mir behaupten, aber dem war definitiv nicht so. Mich machte das Thema jedes Mal fertig und ich schaffte es einfach nicht darüber zu sprechen, wobei das vielleicht ja mal ganz gut tun würde.
,,Da hast du natürlich recht.'', gab ich letztendlich zu. ,,Ist zwischen uns jetzt alles gut?'', wechselte er schließlich das Thema woraufhin ich ihn wieder ansah und lächelnd nickte. ,,Ja, ich denke schon.'', erwiderte ich.
Er nahm daraufhin sein Handy und wählte eine Nummer. ,,Jo Flo, könnt ihr uns jetzt mal wieder hier raus lassen? .... Ja wir haben alles geklärt ... ja wirklich, ich sag das nicht nur so! ... Oke bis gleich.'' Nachdem er aufgelegt hatte fing er an zu lachen woraufhin ich ihn nur verwirrt ansah. ,,In 10 Minuten lassen die uns hier raus.'', antwortete er amüsiert. ,,Warum brauchen die denn so lange?'' ,,Die sind Pizza essen gegangen und müssen jetzt noch zurück laufen.'', erklärte er mir was auch sein Lachen rechtfertigte. Ich stimmte in sein Lachen mit ein doch irgendwann verstummten wir wieder. In dem Moment der Stille knurrte letztendlich mein Magen. ,,Ich glaube wir gehen dann gleich auch erstmal was essen.'', kommentierte er lachend.
10 Minuten später hörten wir wie sich ein Schlüssel im Schloss umdrehte und sich die Tür öffnete. Wincent und ich hatten in der Zwischenzeit weiterhin auf dem Sofa gesessen und einfach über ein paar belanglose Dinge geredet. Scheinbar konnten es seine Jungs wirklich nicht glauben, dass wir unsere Differenzen tatsächlich beigelegt hatten, denn alle 4 standen fassungslos im Türrahmen. ,,Ey die reden ja wirklich miteinander, ich dachte das sei nur ein Trick von Wincent.'', sagte Benni erstaunt zu Manu. ,,Jungs ich bitte euch, als ob ich sowas machen würde.'', erwiderte Wincent während er aufstand um zu seiner Band zu gehen. ,,Na ja hat ja jetzt auch lange genug gedauert.'', kommentierte Flo.
Gemeinsam verließen wir den Raum wieder um weiter proben zu können. Die Stimmung war direkt viel angenehmer und auch wenn es mir schwer viel meine Schutzmauer abzulegen gelang es mir für den Anfang doch recht gut.
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- BETWEEN THE LINES - (pausiert)
FanfictionDie 23 Jährige Charlet singt für ihr Leben gern und das auch noch ziemlich gut. Sie lebt außerdem in einer ziemlich ungewöhnlichen Wg mit ihrem Vater zusammen. Die Beiden haben einen ziemlich guten Draht zueinander, weswegen er sie unterstützt wo er...