(Charlet's Sicht)
Auch bei den darauf folgenden Proben bewahrheiteten sich Wincent's Worte. Je mehr ich von meiner Arroganz abließ, desto besser klappte das Zusammenspiel mit meiner Band. Wir wurden quasi eine Einheit und das was ich gesanglich fabrizierte beeindruckte auch den Rest des Teams. Auf der Bühne verhielt ich mich dennoch selbstbewusst und gab selbst bei den Proben alles was ich hatte. Wincent filmte mich sogar ein paar Mal und postete dies auf seiner Instagram Seite. Es waren wirklich Top Aufnahmen auf die ich wirklich stolz sein konnte, doch leider hatten sie auch einen bitteren Beigeschmack. So froh Wincent auch mittlerweile war mich als Support Act zu haben, desto mehr Gegenwind bekam ich von seinen Fans.
Eines Abends saßen wir wieder mal in einer gemütlichen Runde zusammen beim Essen. Dies war fast schon ein Ritual geworden, denn wir hatten beschlossen beim Italiener um die Ecke des Probenraums einmal die ganze Karte zu probieren. Da wir uns nicht an einem Abend ins Koma ''fressen'' wollten haben wir also beschlossen einfach jeden Abend dort essen zu gehen. Am Anfang hatten wir uns immer über die Proben ausgetauscht aber mit der Zeit waren wir untereinander zu privaten Themen übergegangen. Von außen betrachtet waren wir echt ein verrückter Haufen und ich liebte es immer mehr Zeit mit allen zu verbringen. An diesem Abend jedoch, sollte es nicht so harmonisch bleiben.
Wincent hatte gerade wieder ein Video von den Proben gepostet, wo ich unter anderem spaßeshalber Beyoncè imitierte und dies bekamen die Fans nun in den komplett falschen Hals. Während die Anderen ihren Gesprächen weiter nachgingen las ich mir mit Wincent zusammen die Kommentare unter dem Video durch. Was ich dort las ließ mein Herz für einen Moment aussetzen und im nächsten Moment nahm Wincent mir auch schon mein Handy aus der Hand. ,,Lies das nicht, die haben keine Ahnung.'' ,,Wincent gib mir mein Handy wieder.'', sagte ich jedoch nur ohne auf ihn einzugehen. Widerwillig gab er es mir zurück, sodass ich mir weiterhin die Kommentare durchlesen konnte. Ich konnte nicht ignorieren das er mich derweil mit seiner besorgten Miene musterte, doch ebenso konnte ich nicht aufhören mir die Kommentare durchzulesen die mir wirklich von Sekunde zu Sekunde schlimmer vor kamen. Es war genau das eingetreten was ich eigentlich vermeiden wollte. Unter dem Video standen Kommentare, wie: ''Gesanglich top, Charakter flop!'' ‚ ''Fühlt sich wie ein Star, obwohl sie keiner ist.'' ‚ ''Hochmut kommt vor dem Fall, die wird mit ihrer arroganten Art nicht weit kommen.'' ‚ ''Was will die bitte bei Wincent als Support? Kann der sich nicht jemanden suchen der nicht so abgehoben ist und versucht ihn in den Schatten zu stellen?''
Das und vieles mehr las ich und mit jedem Kommentar verfinsterte sich meine Miene. Auch Wincent entging das nicht, weswegen er versuchte mich zu beruhigen. ,,Hey Charlet, jetzt hör auf diesen Mist zu lesen und genieß den Abend. Die wissen doch gar nicht was die da schreiben. An solche Kommentare wirst du dich gewöhnen müssen, aber du darfst das auch nicht zu nah an dich ran lassen.''
Wow, er hatte ja gut reden. Unter seinen Beiträgen wurde er regelrecht angehimmelt. Dort waren so wenige negative Kommentare das man sie wahrscheinlich an einer Hand hätte abzählen können. Was dachte er sich also dabei mir zu sagen ich müsse mich daran gewöhnen, wenn er sowas gar nicht kannte? ,,Man Wincent! Ganz ehrlich halt die Klappe! Du hast verdammt nochmal keine Ahnung wie sich solche Kommentare anfühlen! Deine Fans lieben dich! Die vergöttern dich! Du kennst solche Kommentare doch gar nicht! Wie kannst du also behaupten ich solle mich daran gewöhnen?'', fuhr ich ihn an was mir im nächsten Augenblick auch schon wieder leid tat, doch ich nahm meine Worte nicht zurück. Mittlerweile hatte ich auch die Aufmerksamkeit vom Rest der Gruppe auf uns gelenkt. ,,Charlet beruhig dich bitte, das ist kein Grund jetzt hier auszurasten und für Aufsehen zu sorgen.'', versuchte Wincent mich zu beruhigen, doch ich dachte gar nicht daran auf ihn zu hören. ,,Nein! Weißt du was? Wenn ich doch so abgehoben und arrogant bin wie alle sagen, dann sollte ich mich vielleicht auch wieder so verhalten damit es auch authentisch wirkt! Ich kann damit leben wenn es wirklich so ist, aber nicht wenn ich versuche genau das zu ändern!''
Mittlerweile hatte ich mich so in rage geredet das meine Stimme gefühlte 10 Oktaven in die Höhe geschossen war, sodass nun auch der Letzte im Restaurant alles mitbekommen hatte. Für einen kurzen Moment herrschte Stille ehe jeder im Raum sein Gespräch wieder aufnahm, ich mir meine Jacke schnappte und die Flucht ergriff. Ich musste dringend an die frische Luft, weswegen ich mich auch nicht aufhalten ließ.
Draußen angekommen holte ich erstmal tief Luft und lehnte mich gegen die kühle Hauswand. Vor meinem inneren Auge sah ich immer noch die ganzen fiesen Kommentare und mit einem Mal wurde mir klar das ich so auf keinen Fall sein wollte. All das was mich die letzten Jahre aus gemacht hatte, das weswegen ich mich so stark fühlte, wurde mir jetzt zum Verhängnis. In diesem Moment hasste ich Cailee dafür was für eine Person sie aus mir gemacht hatte. Natürlich war ich nicht ganz unschuldig daran, aber dennoch war sie in meinen Augen der Auslöser dafür gewesen. In mir drin fühlte ich mich so leer wie schon lange nicht mehr und gleichzeitig überkam mich eine unfassbare Wut, gefolgt von kompletter Hilflosigkeit. Ich wusste absolut nicht wohin mit mir und bereute meinen Ausraster von gerade eben zutiefst. Als wäre ich nicht schon genug überfordert mit meiner Situation kam Wincent nun aus dem Restaurant und lehnte sich neben mich an die Hauswand. Er sagte kein Wort, wofür ich ihm total dankbar war, denn ich hätte ohnehin nicht gewusst was ich hätte sagen sollen. Wir starrten beide lediglich in den Sternenhimmel und es wirkte so als würden wir einfach nur unseren Gedanken nachhängen.
Ich bemerkte gar nicht wie mir irgendwann stumme Tränen übers Gesicht liefen bis Wincent sich direkt vor mich stellte und sie mit seiner rechten Hand wegwischte. ,,Tut mir leid, ich wollte das gerade eben nicht so runter spielen ... du hast Recht ... ich bekomme relativ wenig negative Kommentare, aber trotzdem bleibe auch ich davon nicht verschohnt. Bei mir werden halt andere Dinge kritisiert und diese auch nicht direkt mir gegenüber, sondern hinter meinem Rücken. Sobald ich irgendeine coole Fanaktion plane hagelt es quasi Kritik, sei es an der Umsetzung oder allgemein wie das Ganze ausgelost wird. Man kann es nicht jedem Recht machen und du stehst halt noch ganz am Anfang. Wenn dir diese Kommentare jetzt so sehr zu schaffen machen musst du versuchen das zu ändern.'' ,,Es sind nicht nur die Kommentare ... ich bekomme langsam Angst vor den bevorstehenden Auftritten.'', teilte ich ihm ehrlich mit. Das war generell das erste Mal das ich diesen Gedanken aussprach, weswegen es mir auch erst jetzt so wirklich bewusst wurde. ,,Mal davon abgesehen habe ich mich schon verändert, aber das sehen die Leute da draußen vor den Bildschirmen ja nicht. Jeder bildet sich seine eigene Meinung und das ist ja auch gut so, aber ich habe halt einfach das Gefühl das es jetzt egal ist was ich tue ... es wird nach hinten los gehen.'', fügte ich noch hinzu.
Ich schaute Wincent direkt in die Augen und erkannte sofort das er gar nicht wusste was er dazu sagen sollte. Ihm war klar das ich recht hatte, was mich ziemlich traurig stimmte, denn so wollte ich meine Karriere eigentlich nicht beginnen. ,,Ich frage mich wirklich immer wieder wie du es geschafft hast so auf dem Boden zu bleiben, Wincent ... bei deinem schnellen Erfolg war das doch eigentlich unmöglich.'' ,,Na ja, wie du siehst war es das nicht. Also es gab tatsächlich Momente in denen ich so eine Art Höhenflug hatte, doch davon habe ich mich nicht leiten lassen. Ich hatte und habe Freunde und meine Familie die mich immer wieder erden, sodass ich gar nicht die Möglichkeit habe abzuheben. Auch wenn es nach außen vielleicht so aussieht, aber ich lebe nicht das glamouröse Leben eines gefeierten Superstars der in seiner Villa im Geld schwimmt. Ganz im Gegenteil. Ich habe nichtmal eine Wohnung und leiste mir tatsächlich nur das Nötigste. Mal davon abgesehen verwaltet meine Mutter mein Geld, weswegen ich mir zwei – dreimal überlege ob ich mir was gönne. Und im Grunde genommen ist das denke ich auch der Schlüssel des Erfolges, aber gleichzeitig auch der ausschlaggebende Punkt wieso es mir nicht schwer fällt auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Was das angeht bin ich halt auch einfach Realist.'', erwiderte Wincent und irgendwie ergab das Alles schon Sinn, nur war mir der Weg dahin noch nicht so ganz klar. Als könnte Wincent meine Gedanken lesen sagte er letztendlich: ,,Was hälst du davon wenn wir am Wochenende einfach mal zu meiner Familie fahren? Ich zeige dir die Gegend in der ich aufgewachsen bin. Das ist einerseits eine gute Möglichkeit um mal abzuschalten und andererseits verstehst du dann vielleicht besser welchen Weg ich gegangen bin.''
Meine Hilflosigkeit, die Wut und jegliche andere negative Emotion war mit einem Mal durch pure Freude ersetzt worden. Ich schaute Wincent voller Dankbarkeit an und nickte zur Bestätigung seines Vorschlags einmal, woraufhin er einladend seine Arme öffnete in die ich mich nur zu gerne fallen ließ.
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- BETWEEN THE LINES - (pausiert)
FanfictionDie 23 Jährige Charlet singt für ihr Leben gern und das auch noch ziemlich gut. Sie lebt außerdem in einer ziemlich ungewöhnlichen Wg mit ihrem Vater zusammen. Die Beiden haben einen ziemlich guten Draht zueinander, weswegen er sie unterstützt wo er...