Kapitel 24 - Feldwege und andere Hindernisse

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(Charlet's Sicht)

Eigentlich dachte ich, dass es eine gute Idee war mit Wincent hier herzukommen. Doch langsam erschlich mich der Gedanke das ein Ausflug in die Vergangenheit in meinem Fall wohl nicht so sinnvoll gewesen war. Es fiel mir einfach unheimlich schwer mich zu öffnen was meine Mutter anging. Am liebsten würde ich alles einfach rausschreien, aber um mich nicht zu verletzlich zu zeigen blieb ich lieber still. Wincent merkte natürlich direkt wie sehr mich das Thema belastete und versuchte sofort wieder davon abzulenken. ,,Lass uns weiter fahren.'', sagte er weswegen wir uns mit den Fahrrädern wieder in Bewegung setzten. Meine Gedanken blieben trotzdem an der Stelle, wo ich sie eigentlich nicht haben wollte.

Eine Weile fuhren wir einfach nur ein paar schöne Feldwege entlang. Das Wetter spielte zudem gut mit, sodass man den Anblick wirklich genießen konnte. Immer mehr versuchte ich meine Gedanken und Emotionen, die ich bezüglich meiner Mutter hatte, zu verdrängen. Die Natur bewirkte da fast wahre Wunder, denn kurz darauf zeichnete sich ein ehrliches Lächeln auf meinem Gesicht ab. Ich atmete einmal tief durch und ließ meine Gedanken gehen.

So sehr ich diesen erlösenden Moment auch genoss, so schnell war er auch wieder vorbei. Wincent, der einige Meter vor mir fuhr, begann mit einem Mal zu fluchen. ,,Ach verdammte Scheiße!''

Er war mittlerweile stehen geblieben und sah sich nun verwirrt um. ,,Was ist los?'', wollte ich wissen als ich ebenfalls neben ihm zum stehen kam. ,,Wir haben uns verfahren.'', teilte er mir lediglich mit und sah sich weiter um, wahrscheinlich um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden. ,,Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?'', fragte ich, jedoch konnte ich mir mein Lachen nicht verkneifen. ,,Doch, ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt warum mir die Gegend hier nicht so bekannt vor kommt, aber hab halt gedacht das liegt bloß daran das ich so lange nicht mehr hier war.'', erklärte er mir, wobei auch er jetzt lachen musste. ,,Na super und was machen wir jetzt?'' ,,Einfach weiter fahren und schauen wo wir raus kommen?'', schlug er vor. ,,Diese Felder führen eigentlich immer zu irgendeiner Straße und von da aus weiß ich bestimmt wieder wo wir lang müssen.''

Gesagt, getan. Ich beschloss Wincent einfach mal zu vertrauen und folgte ihm weiter den Feldweg entlang. Irgendwie war es ja auch ganz lustig und davon mal abgesehen war ich schon lange nicht mehr einfach drauf los gefahren ohne zu wissen wo ich überhaupt hin will. Nicht zu wissen wo wir am Ende des Tages sein werden, wobei ich natürlich hoffte das es bei ihm zuhause war, war für diesen einen Moment wie ein kleines Abenteuer. Das wir lediglich in einer kleinen nördlichen Stadt waren blendete ich jetzt mal geschickt aus, denn ich konnte mir schlecht vorstellen, das man sich hier tatsächlich so hoffnungslos verfahren konnte. Wincents Aussage nach zu urteilen sollte die nächste Hauptstraße zudem auch nicht mehr lange auf sich warten lassen, da wir nun schon ziemlich lange diesem Feldweg folgten.

Kurz darauf blieb er wieder stehen und fluchte erneut: ,,Fuck, was soll der Scheiß denn jetzt!?!'' Ich kam neben ihm zum stehen und konnte somit direkt sehen was ihn so aufregte. Zugegeben damit hatte wirklich niemand rechnen können, doch so wie es aussah endete der Weg hier.

,,Man du kennst dich hier ja super aus.'', neckte ich ihn und wollte gerade mein Fahrrad umdrehen um den Weg wieder zurückzufahren, als er mich aufhielt. ,,Nein warte ... da hinten ist ne Straße. Wir gehen jetzt einfach übers Feld, das ist kürzer als wenn wir jetzt alles zurück fahren würden.'' ,,Bist du bescheuert? Ich laufe doch jetzt nicht mitm Fahrrad übers Feld!'', protestierte ich, musste dabei jedoch lachen da ich an einen schlechten Scherz seinerseits glaubte. ,,Doch komm.'', erwiderte er bloß, stieg vom Fahrrad ab um es dann übers Feld zu schieben.

Da das Feld scheinbar frisch aufgelockert worden war erschwerte dies den Weg, doch Wincent ließ sich einfach nicht von seinem idiotischen Plan abbringen. Ich wusste auch ehrlich gesagt nicht wo er eine Straße sah, denn ich konnte nichts außer Felder um uns herum erkennen. Nichtmal der Weg, von dem wir gekommen waren, war noch zu sehen. Wir waren irgendwo im nirgendwo und zu allem übel verschwand nun die Sonne hinter dichten, dunklen Regenwolken. ,,Wincent, bitte lass uns wieder umdrehen.'', jammerte ich mittlerweile zum wiederholten Male. ,,Wir habens doch gleich geschafft.'', erwiderte er, blieb jedoch kurz stehen um auf mich zu warten. Meine Kondition war echt nicht die Beste und immerhin liefen wir hier ja auch unter erschwerten Bedinungen. ,,Hey ich verspreche dir, das wir gleich wieder auf einen festen Weg kommen und dann fahren wir sofort zu mir nach hause, oke?''

In diesem Moment brach die Wolkendecke auf und es begann wie aus Eimern zu schütten. Meine Kleidung war innerhalb von Sekunden durchnässt und meine Haare mussten aussehen als stünde ich gerade unter einer Dusche. Der Regenschauer kam dem zumindest schon sehr nah. Auch Wincents sonst so perfekt gestylten Haare hatten mittlerweile jeglichen Halt verloren und fielen ihm ins Gesicht. Er wollte doch nicht allen Ernstes jetzt noch weiter gehen, oder?

Er wollte, da brachte selbst mein flehender Blick nichts. Ich ergab mich meinem Schicksal und stampfte ihm weiter hinterher, was blieb mir auch anderes übrig. Meine hellen Schuhe waren mittlerweile braun von der Feldmatsche und auch sonst musste ich aussehen als käme ich gerade aus einem Sumpf.

Kurz darauf stieß Wincent einen freudigen Jubelschrei aus. Oh wow, er hatte tatsächlich einen Weg gefunden. ,,Na herzlichen Glückwunsch, das wurde auch langsam mal Zeit.'', murmelte ich genervt, was er jedoch nicht mitbekam. Wieder auf festen Boden angelang schwangen wir uns auf die Fahrräder und wie durch ein Wunder wusste Wincent nun tatsächlich wo wir waren beziehungsweise wo wir lang mussten. Nach wenigen Minuten in denen wir dem schmalen Weg gefolgt waren kamen wir auch tatsächlich zu einer gut befahrenen Straße. Das Ortsschild von Eutin fiel mir direkt ins Auge und ich hätte am liebsten vor Freude aufgeschrien, da es nun wirklich nicht mehr lange dauerte bis wir wieder im Trockenen waren.

Der Regen hatte sich mittlerweile etwas gelegt, sodass es nur noch leicht nieselte. Trotzdem waren wir klitschnass und hinzu kam das mir nun wirklich extrem kalt war. Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche, weswegen ich fleißig in die Pedale trat.

5 Minuten später erblickte ich Wincent's Haus. Neben seinem Auto stand nun ein weiteres, vermutlich das seiner Mum. In mir drin breitete sich ein komisches Gefühl aus und mit einem Mal war ich überhaupt nicht bereit dazu seine Mutter kennenzulernen. Vorallem nicht wenn man bedenkt wie ich gerade aussah. Wusste sie überhaupt wer ich war? Hatte Wincent ihr von mir erzählt? Und wenn ja was hatte er ihr erzählt? Hatte sie womöglich Vorurteile mir gegenüber? Ich wusste es nicht und ich konnte nur hoffen, dass dem nicht so war. Je näher wir dem Haus kamen, desto mulmiger wurde mir, doch der Moment ließ sich nicht weiter hinaus zögern.

Wir schoben die Fahrräder zurück in die Garage und gingen dann durch eine Verbindungstür direkt ins Haus. Ich blieb hinter Wincent, sodass ich mich gut hätte verstecken können, doch das brachte natürlich gar nichts. Sobald die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war kam seine Mutter freudestrahlend aus der Küche. Ihr Blick fiel auf Wincent, denn sie mit einer so liebevollen Wärme ansah wie es nur eine Mutter konnte. ,,Hallo mein Schatz.'', sagte sie mit einer ebenso lieblichen Stimme. Sie wollte gerade auf Wincent zu gehen, als sie mich hinter ihm erblickte. Ihr zuvor so liebevoller Blick erlosch augenblicklich.

- BETWEEN THE LINES - (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt