- BETWEEN THE LINES - (pausiert)

Kapitel 18 - Provokation

(Wincent's Sicht)

Überraschender Weise erschien Charlet die folgende Woche jeden Tag pünktlich zu den Proben. Nach meiner Ansage hatte ich ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, aber wie ich schon bereits zuvor bemerkt hatte fehlte es ihr nicht an Selbstvertrauen und Ergeiz. Sie wirkte dennoch ein wenig abwesend, weswegen ich sie ab und zu auf kleine Fehler aufmerksam machte. Diese freundlich gemeinten Tipps ignorierte sie jedoch gekonnt und sie machte einfach so weiter wie es ihr gerade passte. Lediglich Manu durfte ihr Tipps geben. Warum sie von mir nichts annahm war mir ein Rätsel.

Es war aber nicht nur die Tatsache, dass sie sich von mir nichts sagen ließ, die mich aufregte, sondern auch ihre ganze Art gegenüber allen Anderen. Mit ihr zu arbeiten war einfach mega stressig und zeitweise richtig unangenehm. Man wusste nie so genau auf welchem Fuß man sie gerade erwischte und das zog logischerweise auch meine Laune in den Keller.

Wenn ich daran dachte, dass sie bei der Sommertour dabei sein würde verging mir augenblicklich die Lust daran. Ich hatte einfach überhaupt keine Lust auf diesen Stress, weswegen ich mir am Mittwoch Amelie schnappte um sie davon zu überzeugen einen anderen Support zu suchen.

,,Amelie, kann ich dich mal kurz sprechen?'', sprach ich sie an, als Charlet gerade auf der Bühne stand und ein paar ihrer Songs probte. Das Zusammenspiel mit ihrer Band wurde dabei immer besser, aber vor ihnen lag trotzdem noch ein weiter Weg. Für einen Auftritt war es gerade mal ausreichend. ,,Klar Wincent, was gibt's denn?'', erwiderte Amelie und schaute mich erwartungsvoll an. Ich fühlte mich ehrlich gesagt ein kleines bisschen schlecht Charlet jetzt so los werden zu wollen, aber mir blieb keine andere Wahl. Sie hatte genug Zeit gehabt sich zu ändern, doch ihre arrogante Art war geblieben und sie zu ignorieren würde auf Dauer einfach nicht funktionieren.

Ich zog Amelie noch ein Stückchen beiseite damit wir außer Sichtweite der Bühne waren. ,,Du musst einen anderen Support suchen. Bitte Amelie, ich halte es mit der nicht mehr aus.'', fiel ich direkt mit der Tür ins Haus. Amelie sah mich überrascht an. ,,Oh, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Ich dachte es läuft ganz gut mir ihr?'' ,,Nein überhaupt nicht. Sie lässt sich gar nichts sagen. Ihre ganze arrogante Art regt mich tierisch auf und wenn ich daran denke mit ihr auf Tour gehen zu müssen habe ich schon gar keine Lust mehr! Allein schon der Gedanke mit ihr im Tourbus unterwegs zu sein. Ich kann dir jetzt schon versichern, dass ich dauerhaft schlecht gelaunt sein werde wenn die mitkommt!'', erklärte ich ihr woraufhin sie anfing leicht zu lachen. ,,Was ist daran jetzt so komisch?'', fragte ich verwirrt nach, da ich ihre Reaktion nicht mal ansatzweise verstand. ,,So kenne ich dich gar nicht. Normalerweise kommst du doch mit jedem klar.'', entgegnete Amelie und unterdrückte ihr Lachen als sie merkte, dass ich es wirklich ernst meinte. ,,Ich weiß, aber Amelie glaub mir ich habe es wirklich versucht. Ich war nett zu ihr, in Situationen wo andere schon längst an die Decke gegangen wären. Sie hat mich persönlich beleidigt und trotzdem hab ich ihr weiterhin geholfen. Ich habe ihre Band perfektioniert und sie ist weiterhin einfach nur undankbar. Es bringt nichtmal etwas sie zu ignorieren. Davon hat sie sich anfangs zwar verunsichern lassen, aber jetzt scheint ihr sogar das egal zu sein.''

Ich sprach mir alles von der Seele und Amelie schien ins grübeln zu kommen. ,,Amelie, denk doch mal nach. Charlet verhält sich jetzt schon so als wäre sie die Größte, das wird ihr auf lange Hinsicht das Genick brechen, aber ich möchte einfach nicht, dass das auf meiner Sommertour passiert. Das würde auch ein schlechtes Licht auf mich werfen wenn ich jemanden unterstützen würde der jetzt schon total abgehoben ist.''

Eine Weile lang sagte Amelie nichts, sie schien zu überlegen. ,,Ich verstehe deine Ansichten ja, aber wo sollen wir jetzt noch einen neuen Support her bekommen? Alle die wir kennen haben wir bereits gefragt und mit einem neuen Talent reicht die Zeit einfach nicht. Es sind nur noch knapp 8 Wochen.'', sagte sie letztendlich und nahm mir damit alle Hoffnungen. ,,Ich kann doch nicht mit jemanden auf Tour gehen der so arrogant und abgehoben ist wie sie, da merken die Fans doch sofort, dass das nicht authentisch ist.'', versuchte ich es nochmal. ,,Dann zeig ihr doch wie es richtig geht. Wincent ganz ehrlich, du bist seit deinem Erfolg so auf dem Boden geblieben wie kein anderer Künstler den ich kenne. Wenn es einer schafft sie auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, dann bist du das.'', erwiderte Amelie. ,,Und wie soll ich das bitteschön machen?'', entgegnete ich und klang dabei wie ein trotziges Kleinkind. ,,Verbring Zeit mir ihr, lern sie kennen. Versuch sie von ihrem hohem Ross runterzuholen.'' Amelie hatte leicht reden. Sie war ja nicht diejenige die vor dieser Herausforderung stand. ,,Ich bin doch nicht ihr Babysitter!'', antwortete ich genervt. ,,Und trotzdem bin ich mir sicher, dass du das hinbekommst.''

Meine Diskussion mit Amelie führte scheinbar zu nichts, weswegen ich mich wieder zu meiner Band begab. Dort angekommen artete die Situation wieder einmal aus. ,,Na will der Herr auch mal weiter proben?'', sprach Charlet mich provozierend an. ,,Ich habs nicht so sehr nötig wie du.'', feuerte ich zurück. Ja ich weiß, ich wollte eigentlich versuchen mich mit ihr zu verstehen, aber wer würde bei sowas ruhig bleiben? Sie überzog das Maß meiner Geduld einfach komplett. ,,Ohh du denkst also nur weil du schon ein Superstar bist hast du es nicht nötig zu proben, oder wie?'', legte sie noch einen drauf. Ich kochte innerlich vor Wut und hätte ihr am liebsten alle meine Gedanken an den Kopf geknallt, inklusive der Kündigung als mein Support bei der Tour. Doch ich tat es nicht.

Ich atmete einmal tief durch und sagte etwas, was sie hoffentlich viel mehr treffen würde. ,,Ich muss wenigstens keine Angst haben zu versagen! Dich kennen die Leute noch nicht und von daher kann deine Karriere vorbei sein bevor sie überhaupt angefangen hat. Da spielt es dann keine Rolle mehr ob du mein Support warst oder nicht.'' Ich stand mittlerweile so dicht vor ihr, dass ich ihren Atem auf meiner Haut spüren konnte. Wir starrten uns regelrecht an und keiner wagte es den Blick zuerst abzuwenden. Charlet wollte gerade etwas erwidern, als Benni und Manu dazwischen gingen. ,,Okay ihr Beiden, es reicht jetzt! Ständig seid ihr am streiten! Merkt ihr denn gar nicht wie sehr sich das auf eure Arbeit auswirkt?'', bemerkte Manu. Ich wollte was erwidern, mich verteidigen, aber er ließ mich gar nicht zu Wort kommen. ,,Nein Wincent, sein still! Du bist gerade kein Deut besser als sie. Ich glaube ihr beide habt ein gehöriges Problem und keiner von uns hat Lust darauf so mit euch weiter zu arbeiten.'' Seine Worte klangen hart, aber auf der einen Seite hatte er vollkommen recht. Warum habe ich mich bloß so von ihr provozieren lassen?

,,Ihr beide kommt jetzt mal mit.'', mischte Flo sich dann ein und nahm uns beide wie ein Vater an die Hand. Was sollte der Scheiß denn jetzt? Wo zum Teufel wollte er mit uns hin?