Kapitel 35 - Einsicht und stumme Tränen

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(Wincent’s Sicht)

Durch die Infusion ging es mir tatsächlich von Minute zu Minute besser, weswegen ich mich vorsichtig aufsetzte. Charlet weinte immer noch an Tobis Schulter und eigentlich wollte ich sie gerade zu mir rufen, als die Band meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. 

,,Das wird ihm nicht gefallen.‘‘, hörte ich Manu sagen, der gerade mit den Anderen und dem Sanitäter auf mich zu kam. 
,,Was wird mir nicht gefallen?‘‘, fragte ich in die Runde und schaute dabei skeptisch drein. 
,,Herr Weiss, es ist wirklich wichtig, dass sie sich in den nächsten Tagen ausruhen.‘‘, meldete sich der Sanitäter nun zu Wort. 

,,Okay … ja kein Problem, dann verkürzen wir die Proben halt um ein bis zwei Stunden …‘‘ 
,,Nein Wincent, ausruhen bedeutet keine Proben und Bettruhe! Das mag jetzt vielleicht etwas drastisch klingen, aber du willst doch für die Konzerte fit sein oder? Dieser Zusammenbruch hat deinem Körper viel abverlangt und deswegen solltest du dich wirklich für mindestens 3 Tage ausruhen und einfach mal gar nichts tun.‘‘, sagte Manu nun und sah mich dabei fast schon strafend an. 

,,Leute ihr übertreibt … mir geht’s doch gut.‘‘, protestierte ich und schwang meine Beine von der Trage runter. Ehe einer von ihnen überhaupt reagieren konnte stand ich auch schon auf meinen Beinen. Ich wollte weiter proben, doch mit dieser Nadel im Arm würde das schwierig werden, weswegen ich mich daran zu schaffen machte mir selbst die Braunüle zu ziehen. 
,,Man Wincent! Lass den Scheiß.‘‘, hielt Benni mich letztenlich davon ab. 

,,Herr Weiss, bitte sein Sie doch vernünftig. Es wird doch wohl nicht so schlimm sein, sich mal für 3-4 Tage auszuruhen. Es ist doch nur zu Ihrem Besten.‘‘, pflichtete der Sanitäter ihnen bei, während er mich dazu brachte mich wieder auf die Trage zu setzten. 
,,Aber die Proben sind wichtig …‘‘, versuchte ich es nochmal, woraufhin ich mir einen mahnenden Blick von Allen einfing. 

,,Deine Gesundheit ist wichtiger! Und jetzt hör auf dagegen zu protestieren. Du wirst in den nächsten 3 Tagen nicht alleine gelassen. Einer von uns wird immer bei dir im Hotelzimmer sein und darauf achten, dass du dich auch wirklich ausruhst.‘‘, entschied Manu, womit ich überhaupt nicht einverstanden war. 

,,Ey ihr tut ja gerade so als wäre ich ein kleines Kind auf das man aufpassen müsste.‘‘, erwiderte ich genervt, wohl wissend, das es wenig Sinn machte weiterhin zu widersprechen. 

,,Wincent kann auch mit mir zu meiner Tante kommen.‘‘, meldete sich nun Charlet zu Wort. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass sie sich dazu gesellt hatte, doch ihren Vorschlag fand ich nun wirklich mehr als unnötig. 

,,Auf keinen Fall.‘‘, erwiderte ich direkt. Zwar tat sie mir auch irgendwie leid, aber ich hatte wirklich keine Lust die nächsten drei Tage bei ihr und ihrer Tante zu verbringen. Dann lieber das Hotelzimmer.
,,Eigentlich ist die Idee gar nicht so schlecht.‘‘, kam Benni nun ins grübeln. 
,,Dann könnten wir mal wieder zu unseren Familien fahren.‘‘ Fassunglos sah ich die Anderen an, die Benni nacheinander zustimmten und kurz darauf zu Charlet schauten. 

,,Ja, also wie gesagt, das wäre kein Problem.‘‘, bestätigte sie und lächelte mich vorsichtig an. 
,,Hab ich jetzt hier gar nichts mehr zu sagen, oder wie?‘‘, protestierte ich weiter und warf dabei theatralisch die Hände in die Luft. 
,,Doch natürlich, aber so wäre es halt am einfachsten.‘‘, versuchte Flo mich nun zu besänftigen, was ihm nicht gelang. Stattdessen steigerte ich mich weiter rein. 
,,Ja toll, für euch scheine ich ja gerade echt ne Last zu sein.‘‘ 

Mit diesen Worten stand ich wieder auf und riss mir die Braunüle aus dem Arm. Ich gebe zu, das war nicht meine schlauste Idee, denn prompt tropfte Blut aus meinem Arm. Der Sanitäter reagierte schnell und gab mir eine paar Kompressen, welche ich direkt auf den blutenden Einstich drückte. 

,,Ach verdammt.‘‘, fluchte ich vor mich hin. 
,,Ich lasse Sie nur ungerne alleine, Herr Weiss, aber wenn sie die Infusion verweigern gibt es hier für mich nichts mehr zutun. Außerdem sind Sie denke ich in guten Händen und bitte nehmen Sie sich das mit dem Ausruhen zu Herzen.‘‘, verabschiedete sich der Sanitäter schließlich. 

Nun stand ich, inmitten meiner Freunde, welche mich allesamt mitleidig ansahen. ,,Ist ja schon gut, wir machen 3 Tage Pause.‘‘, gab ich schließlich nach.
,,Und du fährst mit zu Charlet’s Tante?‘‘, fragte Benni sicherheitshalber nochmal nach.

,,Ja, mir bleibt ja nichts anderes übrig.‘‘, erwiderte ich und verdrehte dabei genervt die Augen. Als ich daraufhin allerdings Charlet’s gekränkten Blick sah, tat es mir direkt wieder leid, weswegen ich ihr einen entschuldigenden Blick zuwarf. Zwischen uns bestand wirklich dringend Redebedarf und vielleicht war es daher ja auch gar nicht so schlecht, wenn wir die nächsten 3 Tage miteinander verbringen.

Wenig später hatte ich aus dem Hotel ausgecheckt und stieg zu Charlet ins Auto, die vor dem Hotel auf mich wartete. Die ersten 10 Minuten schwiegen wir beide und ich sah einfach nur gedankenverloren aus dem Fenster, während wir aus Berlin raus Richtung Heiligensee fuhren. Ich hörte wie sie ausatmete als würde sie zu einem Gespräch ansetzten wollen, weswegen ich neugierig zu ihr rüber sah. 

Was ich dann allerdings in ihrem Blick sah, schockierte mich im ersten Moment. Sie wirkte alles andere als gefasst, ganz im Gegenteil. Über ihre Wangen liefen stumm einzelne Tränen, während sie sturr geradeaus starrte.
,,Charlet…‘‘, sprach ich sie vorsichtig an, woraufhin sie leicht zusammenzuckte ehe sie ihren Blick mir zuwendete. ,,Was ist los?‘‘, fügte ich ebenso vorsichtig hinzu. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl sie würde neben mir zerbrechen und das war ein Zustand den ich von ihr nicht kannte. Sie war doch sonst eher eine starke Persönlichkeit und gerade nach der gestrigen Aktion mit ihrem Freund hatte ich sowas ganz sicher nicht erwartet. 

Als sie mir auch nach wenigen Minuten nicht antwortete, aber auch nicht aufhörte zu weinen wurde es mir zu viel. Ihre Sicht musste durch die Tränen ja schon ganz verschwommen sein. ,,Halt bitte an.‘‘, bat ich sie ruhig, doch sie reagierte nicht. 
,,Charlet, halt an. Du kannst so nicht weiter fahren.‘‘, versuchte ich es weiter. Keine Reaktion, als würde ich gegen eine Wand reden. 

,,Verdammt Charlet! Halt an!‘‘, rief ich letztendlich etwas lauter, woraufhin sie ihren Fuß vom Gas nahm und sich auf den Seitenstreifen rollen ließ wo wir letztendlich zum stehen kamen. Erleichtert atmete ich aus, ehe ich die Handbremse anzog um sicher sein zu können, dass sie nicht einfach wieder losfahren würde. 

,,Was ist los?‘‘, versuchte ich es zum 2. Mal, wobei ich mich ihr diesmal komplett zuwandt. Ihren Kopf hielt sie derweil gesenkt, weswegen ich mit meiner rechten Hand unter ihr Kinn griff, um sie dazuzubringen mich anzusehen. 
,,Rede bitte mit mir.‘‘, sagte ich mit einem gewissen Nachdruck, während ich ihr dabei tief in die Augen sah. Ich konnte rein gar nichts aus ihrem Blick deuten, außer diese unzähligen Tränen die einfach nicht versiegten. Letztendlich setzte sie doch zum reden an und was sie dann sagte, verschlug mir glatt die Sprache, denn damit hatte ich wirklich am wenigsten gerechnet.

- BETWEEN THE LINES - (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt