(Wincent’s Sicht)
,,Du weißt doch gar nicht wie das ist…‘‘, begann sie während ihr Schluchzen heftiger wurde. Sie schien völlig außer sich zu sein und am liebsten hätte ich direkt nachgefragt was sie meinte, aber ich beschloss sie erstmal ausreden zu lassen.
,,Ich hab mich … von meinem … getrennt und bin an … schuld … ich bin einfach überfordert … und … du weißt einfach nicht wie ich mich gerade fühle.‘‘, schluchzte sie weiter, wobei sie einzelne Wörter verschluckte, sodass ich nicht entziffern konnte, was sie mir gerade gesagt hatte.
Allgemein wirkte sie so als könnte sie sich kaum noch beruhigen und ich merkte wie die Luft im Auto immer dünner wurde. Kurzerhand riss ich die Beifahrertür auf, ging auf die andere Seite und öffnete ihre Tür ebenfalls. Wie ein Häuffchen Elend saß sie dort vor dem Steuer und weinte einfach nur hemmungslos. So hatte ich sie noch nie zuvor erlebt und irgendwie machte mir das auch ein bisschen Angst. Wie holte man jemanden aus so einer Verfassung wieder raus?
Ein wenig ratlos stand ich nun an ihrer Autotür und überlegte was nun das Beste wäre. Kurzerhand beschloss ich sie aus dem Auto raus, an die frische Luft zu holen, damit sie erstmal durchatmen konnte. Ich griff nach ihren Händen, welche sie auf dem Lenkrad plaziert hatte und drehte sie so zu mir. Anschließend zog ich sie hoch und legte dabei einen Arm um sie. Mit meinem Fuß stieß ich die Autotür zu und führte sie danach auf den kleinen Grünstreifen von der Straße weg. Dort ließ sie sich kraftlos ins Gras sinken, während sie immer noch heftig am schluchzen war.
,,Hey, jetzt hol doch erstmal tief Luft und beruhig dich.‘‘, redete ich ruhig auf sie ein, nachdem ich mich neben sie gehockt hatte. Sie tat tatsächlich was ich sagte und holte mehrmals tief Luft, ehe sich ihre Atmung beruhigte und das Schluchzen leiser wurde. Nach weiteren 5 Minuten hatte sie sich komplett beruhigt und so saßen wir einfach nur schweigend am Straßenrand dieser wenig befahrenen Landstraße.
,,Und jetzt bitte nochmal in Ruhe und langsam. Was ist los? Ich habe bei deinem Schluchzen gerade kaum was verstanden.‘‘, bat ich sie sich zu wiederholen.
Sie starrte stur geradeaus auf das Feld vor uns, aber immerhin begann sie zu reden. Ihre Stimme klang noch etwas brüchig vom weinen, aber diesmal verstand ich jedes ihrer Worte klar und deutlich.
,,Ich habe letzte Nacht irgendwie mit Henry Schluss gemacht, aber irgendwie auch nicht … naja wenn man es genau nimmt bin ich abgehauen. Ich mache mir einfach solche Vorwürfe und war so überfordert mit mir selbst, dass ich es einfach nicht mehr bei ihm ausgehalten habe.‘‘
,,Weshalb hast du dir Vorwürfe gemacht?‘‘, unterbrach ich sie, da mir dieser Punkt nicht so ganz klar war.
,,Ich bin Schuld an deinem Zusammenbruch … hätte ich Henry eher bemerkt und aufgehalten oder wenn ich dir früher von ihm erzählt hätte, dann wäre es gar nicht so weit gekommen. Dann würde es dir jetzt nicht so schlecht gehen. Es tut mir so leid, Wincent.‘‘, sagte sie während ihre Augen erneut anfingen zu glitzern.Was für ein Schwachsinn redete sie da überhaupt? Es war doch ganz allein meine Entscheidung gewesen mich zu betrinken und eine noch viel dümmere daraufhin Medikamente zu mir zu nehmen.
,,Das ist doch nicht deine Schuld, für mein Handeln bin ich selbst verantwortlich.‘‘, erwiderte ich daher, woraufhin sie mich endlich ansah.,,Aber …‘‘, begann sie, doch ich ließ sie nicht weiter sprechen.
,,Nein Charlet, bitte hör auf die einzureden, mein Zustand wäre deine Schuld. Dir muss das auch nicht leid tun, es ist alles in Ordnung. Ich müsste mich eher für mein Verhalten vorhin entschuldigen. Es war nicht so gemeint, dass ich nicht mit zu deiner Tante fahren wollte … ich will nur keine Last für andere sein. Ich hätte mich ebensogut in meinem Hotelzimmer ausruhen können.‘‘,,Du bist doch keine Last … für niemanden … ich dachte nur das Gästezimmer bei meiner Tante wäre angenehmer als ein Hotelzimmer.‘‘, widersprach sie mir und konnte sich dabei sogar zu einem leichten Lächeln zwingen.
,,Das ist es auch, danke dir.‘‘, erwiderte ich lächelnd.
,,Wollen wir weiter fahren?‘‘, fragte ich sie dann woraufhin sie stumm nickte, aufstand und sich wieder ins Auto setzte.
Ich tat es ihr gleich und so waren wir wenige Minuten später wieder auf dem Weg zu ihrer Tante. Die Fahrt verlief schweigsam, aber das war vollkommen ok so. Weder sie noch ich benötigen weitere Worte. Zumindest zum jetztigen Zeitpunkt war alles nötige gesagt.Charlet sagte selbst nichts als sie das Auto vor dem Haus ihrer Tante parkte. Erst als die Haustür aufging begab sie sich in eine herzliche Begrüßung mit ihrer Tante, während ich im Hintergrund die Taschen aus dem Auto hob.
,,Wincent, du sollst dich doch ausruhen.‘‘, ermahnte sie mich auch schon im nächsten Moment, während sie auf mich zukam und mir ihre Tasche abnahm.,,Ich werde ja wohl noch ein paar Taschen tragen dürfen.‘‘, protestierte ich gespielt beleidigt, doch meine Aussage konnte ihr kein Lachen entlocken. Im Gegenteil, sie funkelte mich bloß genervt an und lief dann ins Haus. Was hatte ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?
Ich ging ihr einfach hinterher und stellte mich zunächst bei ihrer Tante vor.
,,Hallo, ich bin Wincent.‘‘, sagte ich während ich ihr meine Hand hinhielt. Sie lächelte mich freundlich an, reichte mir ihre Hand und stellte sie ebenfalls vor.,,Hallo Wincent, ich bin Sophia. Komm doch rein. Charly hat mir gerade schon kurz erzählt, dass du dich die nächsten 3 Tage hier ein wenig ausruhen sollst. Ich habe das Gästezimmer noch nicht fertig gemacht, aber nach dem Essen gebe ich dir alles was du brauchst.‘‘
Das war jetzt schon das zweite Mal an diesem Tag, dass sie Charly genannt wurde. Ohne jedoch weiter groß darüber nachzudenken betrat ich das Haus und konnte mir ein leises ,,Wow‘‘ nicht verkneifen, als ich im Flur stand.
Das Haus war sehr modern eingerichtet und überall hingen Bilder, die dem ganzen einen gewissen Charme verliehen. Ich betrachtete die Fotos auf der kleinen Kommode kurz, wobei mir ein Bild direkt ins Auge fiel. Es stand ein wenig versteckt hinter zwei anderen Bildern und doch hatte ich es gesehen und konnte nun meinen Blick nicht mehr davon abwenden. Charlet bemerkte mein Interesse wohl, denn kurz darauf stand sie neben mir und sprach mich an.
,,Kommst du? Ich wollte dir schonmal das Zimmer zeigen, ehe das Essen gleich fertig ist.‘‘ Ich hingegen ging gar nicht auf sie ein und zeigte stattdessen auf das Bild.,,Ist das deine Mutter?‘‘, entfuhr es mir und im nächsten Moment hätte ich mich dafür auch schon wieder ohrfeigen können. Damals wo die Jungs uns in den Raum eingesperrt hatten wollte sie schon nicht über ihre Mutter reden. Meine Frage erschien mir in dem Moment als komplett taktlos.
Wie ich es schon befürchtet hatte antwortete sie nicht auf meine Frage, sondern tat es mit einem ‘‘Ist doch egal‘‘ ab, ehe sie sich von mir abwendete und die Treppe hochging. Dies schien wirklich ein schwieriges Thema für sie zu sein.
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- BETWEEN THE LINES - (pausiert)
FanfictionDie 23 Jährige Charlet singt für ihr Leben gern und das auch noch ziemlich gut. Sie lebt außerdem in einer ziemlich ungewöhnlichen Wg mit ihrem Vater zusammen. Die Beiden haben einen ziemlich guten Draht zueinander, weswegen er sie unterstützt wo er...