6 - Kindergarten

51 6 0
                                    

Topografie, wie ich es liebe...
Nicht.

Wenig konzentriert auf den Unterricht fange ich an, Muster in meinen Collegeblock zu kritzeln, da der Unterricht bei dem Typen eigentlich ein einziger Monolog ist. Hier und da Mal ne kleine Frage, sonst eigentlich der Text, den er uns bereits zu Anfang ausgeteilt hat. Wie immer eben. Schaffe ich auch zu Hause, ist ja zum Glück leicht verständlich.

Irgendwann gehen mir die Ideen für Muster aus und ich klopfe nachdenklich mit der Seite des Kugelschreibers gegen das Papier.

"Hey, Carolina," höre ich von vorne, hebe den Blick - und sehe direkt in die Augen meines Lehrers.

"Carolin," murmle ich, sage dann aber laut: "Ja?"

"Was habe ich gerade erklärt?", fragt Benau mich schnippisch.

"Na, dass durch die Saale die hohe Geest geschaffen wurde, indem die Endmoräne zwischen den Gletschertoren als die ründlichen Erhebungen, die auf der Karte zu sehen sind, liegen blieb," antworte ich.

"Gut, hörst ja doch zu," säuselt er und ergänzt: "Und das kleine Kunstwerk da bekomme ich Ende der Stunde."

Ich nicke und wende mich mit einer neuen Idee wieder dem Blatt vor mir zu. Irgendwann werde ich von links abgetippt. Liz sieht mich fordernd an und deutet auf meinen Block. Hä?
Perplex stare ich sie an.

Seufzend steckt sie ihren Arm in Richtung des Blocks aus. Eigentlich dachte ich, sie wolle irgendetwas in meiner Zeichnung kommentieren, aber ihre Hand verfehlt sie knapp und greift stattdessen nach einem Zettel rechts daneben und zieht diesen auf den Block.

Jetzt sieht sie mich noch fordernder an, weshalb ich mich schlussendlich dem Zettel zu wende und die ordentlich in die Zeilen geschriebenen Sätze lese: Also Caro? Carolina/ South Carolina? Wie heißt du?

Ich verdrehe die Augen und schreibe: Carolin - Caro, bitte.
Dann schiebe ich den Zettel zurück neben meinen Block und nach kurzem Zögern zu Vincent.

Der wiederum kritzelt schnell was drauf und hält ihn mir dann direkt vor die Nase. Gott, wie kindisch das ist!

Danke, steht da - ordentlicher, als ich bei seiner schnellen Kritzelei erwartet hätte.

Ich ziehe ihm das Blatt möglichst leise aus der Hand und schreibe: Wenn du schon auf diese Weise mit mir kommunizieren musst, dann bitte unauffällig!

Damit lege ich das Blatt zwischen uns.

Du passt doch sowieso nicht auf, schreibt er.

Weil ich das Thema auch ohne den Typen als 'Dozeten' kapiere. Ich habe den Zettel schon überflogen, das Thema ist einfach, schreibe ich wieder. So langsam fängt seine Fragerei an, mich zu nerven.

Da jetzt kein Platz mehr für neue Muster ist, fange ich an, Schattierungen zu setzen und Körper farbig auszumalen, zu schraffieren oder zu bepunkten.

Was ist ein Gletschertor nochmal?, fragt er jetzt.

Die Schneise, die sich bildet, wodurch das Gletschereis (wenn aufgetaut) abfließt, antworte ich erneut und füge hinzu: Dick gedruckt im Text, Zeile 156.

Danke, antwortet er.
Vielleicht hört er ja jetzt auf, zu nerven.

Das Geheimnis der drei BücherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt