23 - Unerwünscht

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Hey Kurama. Wenn du das hier hören kannst, dann bitte ich dich: Komm einfach. Du brauchst keine Erlaubnis, um mich zu besuchen. Klopf einfach, dann kann ich immernoch entscheiden, ob ich dich rein lasse. Ich werde jetzt versuchen, in einen Halbschlaf zu finden. Wenn du dich zu mir gesellen würdest, wäre das toll. Ich habe echt noch viele fragen an dich. Wenn du gleich klopfen solltest, werde ich dir mit Sicherheit Einlass gewähren.

Damit lege ich mich wieder neben Vince. Er schläft immer noch seelig und ich frage mich, was er wohl träumt und hoffe, selbst von Kurama zu träumen. Oder eigentlich hoffe ich auf seinen, wenn auch telepatischen, Besuch.

Als ich nach einiger Zeit tatsächlich eindöse hoffe ich, dass ich sein Klopfen auch hören werde.

Hätte nicht gedacht, dass das klappt. Kurama? Hey, Kurama, ich bin da! Wo bist du??, denke ich so deutlich ich kann, auch wenn ich bezweifle, dass er das dann tatsächlich besser hören kann. Wahrscheinlich genau, wie wenn man durch den Regen rennt, um nicht so nass zu werden: ein Denkfehler. Nichtsdestotrotz probiere ich es nochmal: Kuramaaa!? Keine Antwort. Das ist also schonmal nicht die Lösung.
Soll ich es nochmal mit dem Vorstellen versuchen? Schaden kann es ja nicht, oder?
Ich habe keine Ahnung, aber einen Versuch ist es dennoch wert.
Dementsprechend rufe ich erneut ein Bild von Kurama vor mein inneres Auge. Ich verliere mich in den Details seiner Jacke, ergänze genau jede Tasche, jeden Reißverschluss und jede Gebrauchsspur, an die ich mich erinnern kann. Ich liebe Lederjacken - schade, dass die so teuer sind...

Ich schrecke gedanklich zurück und wäre fast wieder aufgewacht, als ich statt der gewohnten Dunkelheit meines Halbschlafes eine Gestalt vor mir erkenne. Sie wirkt mächtig und gefährlich, so, wie sie auf mich zu geht. Ihre bestimmten Schritte jagen mir einen Schauer über den Rücken und ich versuchte, einen Schritt rückwärts zu machen.
Ich löse meinen Fuß vom Boden und bewege ihn nach hinten, aber weiter komme ich nicht, da ich dort an irgendwas stoße. Eine Wand?
Ich strecke meine Hand nach hinten aus, versuche dabei nicht panisch zu werden, und ertaste eine Rundung im tiefschwarzen Raum. Es fühlt sich an, wie Eis. So kalt und tot, wie das Eis in der Antarktis sich wohl anfühlen würde. Oder eher noch mehr. Schon Sekunden später schmerzt meine Hand höllisch und ich habe den Drang, sie reflexartig zurückzuziehen, bemühe mich aber, die Kontrolle zu behalten.
...was natürlich nicht wirklich klappt.
In dem Moment, als meine Hand von dem kalten Untergrund wegschnellt, sehe ich die Augen der Gestalt aufblitzen und der gefährliche Rotton brennt brennt sich in mein Gedächtnis ein. Im nächsten Moment erkenne ich ein kantiges Gesicht im Schein seiner bestialischen Augen. Ich würde mich am liebsten gegen die Rundung hinter mir drücken. Wer ist das? Habe ich ihn her geführt? Wie soll ich das gemacht haben?

Ich zucke zusammen, als ich ein Zischen höre.
"Also, Kleine...," sagt eine dunkle Stimme bedrohlich leise und ich brauche einen Moment, um zu verstehen, dass sie nicht von dem Mann vor mir kommt, sondern von.... hinter mir!!! Panisch schrecke ich auf. Wohin?! Wohin kann ich, ohne was furchteinflößendes zu finden? Ich erinnere mich an das letzte Mal, als ich Kurama getroffen habe und mich vor dem Grab meines Vaters vorfand. Das hier endet immer schlecht. Besser, ich gehe jetzt. Zeit, aufzuwachen.

Leider scheinen mich die zwei Männer im Halbschlaf zu halten, denn egal, wie sehr ich es versuche, ich kann meine Augen nicht öffnen. Okay, das ist schlecht. So lange Vince mich nicht aufweckt, bin ich hier gefangen! Fuchterfüllt drehe ich mich der männlichen Stimme zu und erkenne eine Weitere Silhouette, kann aber keine Augen oder Gesichtszüge erkennen, wie bei dem anderen.

In dem Moment zischt ein grellblauer Blitz durch die Dunkelheit. Kurz erhellt sich alles in seinem blauen Licht und ich erkenne zwei hühnenhafte Gestalten rechts und links von meinem letzten Standpunkt. Eine davon steht hinter einem flachen, dunkelblauen Auto. Der andere steht mitten auf der gepflasterten Straße.
Wo bin ich? Ich kenne diesen Ort, hier war ich schonmal... Ich bin in einer Küstenstadt im Südosten Englands: In Brighton! Bin ich vielleicht doch nicht mehr auf der Wiese im Stadtpark?! Wurde ich teleportiert?!!

"Kura hatte Recht: Die Kleine ist echt niedlich!", lacht der Rechte der beiden Männer. Der linke bleibt still, behält allerdings die Augen auf mich gerichtet.
Ob er gerade lächelt? Wieso geht denn die Straßenbeleuchtung nicht?! Und was meint er mit 'Kura hatte Recht'? Ist Kura etwa Kurama? Zumindest passt das mit seinem amüsierten Lächeln bei unserem Treffen zusammen.

"Was denkst du? Wollen wir ihn einladen?" Die Frage war offensichtlich an seinen Kumpel gerichtet, aber 'einladen'? Jetzt klingt das Wort 'Gedankenpost' irgendwie war nicht mehr SO doof....
Mir schießt das Blut in die Wangen, als ich realisiere, dass die wahrscheinlich auch meine Gedanken hören können.

"Gut, Mädchen, du verstehst ja doch was!", grölt darauf wieder der Rechte, während der Linke mich weiterhin mit brennend roten Augen fixiert. Ich höre das Klicken eines Feuerzeugs, woraufhin sich das schwache Licht einer Zigarette in den Augen des Rechten spiegelt. Obwohl er genauso groß ist, wie sein Partner wirkt er gar nicht so, da er im Gegensatz zu diesem keinen drahtigen, sondern eher einen sehr massigen Eindruck macht, was ihn automatisch kleiner wirken lässt. Seine Augen sind das komplette Gegenteil zu denen des raubtierartigen Linken: hellblau in einem Ton, in dem auf einer Tropeninsel das Meer erstrahlen würde. Sie scheinen so unterschiedlich, dass sie schon glatt wieder perfekt zu einander passen.

"Genug der Schwärmerei. Bringen wir es hinter uns, Menos," meint der Linke ruhig, aber genervt. Seine Stimme gleicht der eines Reibeisens und klingt so gefährlich, wie ein hungriges Raubtier.

"Jetzt sei mal nicht so, wir können doch wenigstens ein bisschen Spaß haben, das wird uns keiner verübeln," antwortet der Rechte und zieht dann in einem langen Zug an seiner Zigarette.

Wer sind diese Leute? Wozu sind sie hier? Und in welchem Bezug steht Kurama zu ihnen? Kaum hatte ich das gedacht, zischte erneut ein grellblauer Blitz durch den Raum. Er streift prickelnd meinen Arm und kurz fühlt es sich so an, als ob Kurama mir die Hand auf den Arm gelegt hätte. Verwundert streiche ich über die Stelle. Was... war das?

"Also, wie heißt du noch gleich?," fragt der Rechte, kurz später arrogant. Als ob dich das interessiert. Wieso seid ihr zwei hier?, forme ich in Gedanken, weil ich mir nicht ganz sicher bin, inwiefern ich hier sprechen kann. Am Ende hört das dann vielleicht nur Vincent, lieber nicht.
Kurz scheinen die roten Augen des Linken wütend aufzublitzen. "Verarsch uns nicht, Kleine," kommentiert der Rechte jedoch entspannt und geht um das Auto herum auf mich zu. Ungefähr einen halben Meter vor mir bleibt er stehen und lehnt sich an das Auto an. Jetzt wirkt er noch massiger, was mich beinahe dem Boden gleich macht. Angestarrt von beiden Typen beginne ich zu frösteln. Ich richte meinen Blick auf irgendeinen Punkt zwischen ihnen und warte ab. Ich habe nicht länger das Gefühl, dass die beiden mir etwas antun wollen. Verängstigen, ja, aber mehr... Dann hätten sie es schon getan.

Ich zucke zusammen, als es auf einmal zu meinen Füßen zischt. Als ich jedoch erschrocken zu der Stelle sehe, ist da nur die Zigarette des rechten Mannes, die in eine Pfütze gefallen ist. Erleichtert atme ich aus und sehe vorsichtig zu den beiden auf. Was dort aber sehe, verwirrt mich ungemein, denn in den auf einmal hell erleuchteten Gesichtern der beiden, ist nur eines zu sehen: Unglaube.

Das Geheimnis der drei BücherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt