Zuhause schmeiße ich mich quasi direkt auf mein Bett.
Nach einem Nutellabrot und dem Holen einer Flasche Arizona.
Ich weiß. Schrecklich.
Aber das Gute daran: Dick werde ich so oder so nicht.Nach einem ausführlichen Studium meiner Lider (von innen versteht sich), drehe ich mich auf den Bauch, schalte mein Tablet ein und dröne mich mit Musik zu. Jetzt noch ein Buch und es ist perfekt, denke ich, stelle dann aber fest, dass das viel zu weit weg ist, weshalb ich meine Hände übereinander lege und mit dem Kopf darauf vor mich hin zu dösen beginne.
Irgendwann schlafe ich dann doch ein...
"Cari? Hey, hörst du mich?", fragt eine mir unbekannte Stimme.
Ich stöhne. "Ja, du brüllst ja quasi in mein Ohr!", maule ich die Person an, die mich blöderweise geweckt hat - Tja, mit gefangen, mit gehangen. Was weckt der mich auch?
Moment, wie ist er in mein Zimmer gekommen und woher kennt er meinen Namen?
"Entschuldige bitte, ich wusste nicht, dass du ein Morgenmuffel bist," meint der Typ, auf seinen Knien sitzend und die flachen Hände auf den Oberschenkeln.
"Es ist Mittag," kommentiere ich immernoch maulig.
Der Kerl vor meinem Bett hat weiße Haare, die ihm zugleich verstrubbelt und geordnet ins Gesicht fallen. Seine Haut ist sehr blass, fast schon weiß. Seine Augen dagegen sind von strahlendem hellbraun, das bereits eher wie orange wirkt.
Braune Hose, verwaschenes, hellblaues T-Shirt, schwarze, lockere Lederjacke.
Um den Hals trägt eine Art ID, die stählern glänzt. Bestimmt schwer, das Teil, denke ich bei mir."Oh nein, sicher nicht, sie ist mir eigentlich schon zu leicht," sagt der Blasse.
Was? Ich dachte, nein, ich bin mir sicher, dass ich das nicht laut ausgesprochen habe.
Leicht verunsichert schaue ich von der ID auf und direkt in seine orange-roten Augen.Er lächelt jedoch nur, wobei ein erfreutes Glitzern in seine Augen tritt. Nicht amüsiert, nicht überheblich, einfach nur erfreut. Was freut er sich denn? Dass ich ihn nicht direkt rausschmeiße?
"Es ist deine Art, zu denken," kommt er mir mit meiner Thesenbildung zuvor.
"Komplett offen und rational. Du denkst, bevor du handelst. Es freut mich, dass du dir über die Folgen und den Einfluss deines Handelns bewusst bist," erklärt er daraufhin."Wieso bist du hier?", frage ich trocken.
"Ich wollte dich kennenlernen."
"Und warum?"
"Du bist einfach ein interessanter Mensch," lächelt er strahlend.
Enttäuscht über meinen Misserfolg senke ich meine Lider wieder.
"Carolin," sage ich nach ein wenig Stille.
"Das wusste ich doch," erwidert er zugleich amüsiert und erfreut klingend.
"Dessen bin ich mir bewusst," drücke ich mich möglichst förmlich aus, um ihm zu signalisieren, dass ich ohne seinen Namen zu wissen, so förmlich bleiben und nichts mehr über mich Preis geben werde. Entweder er kapiert es oder er liest meine Gedanken, kann ich mir jetzt aussuchen.
Nach einiger Zeit seufzt er. "Moriata," flüstert er und wirkt gedemütigt, den Kopf gesenkt.
"Ich habe nach deinem Vornamen gefragt," erwidere ich.
Glaub nicht, dass du mich mit japanischen Namen austricksen kannst. So unwissend bin ich nun auch wieder nicht.Er seufzt erneut.
Komm mir jetzt nicht mit 'Takashi' oder 'Kogoro', denke ich mir. Wohl genau das richtige, denn jetzt hebt er den Kopf wieder und sieht mich entschlossen an.
"Kurama," sagt er mit fester Stimme. "Kurama Moriata."
"Okay, schön dich kennenzulernen, Kurama Moriata," lächle ich und strecke ihm meine Hand entgegen, während ich mich auf dem linken Arm abstütze.
Er nimmt sie tatsächlich, zieht aber so daran, dass ich vorneüber aus dem Bett und somit direkt auf seinen Schoß falle. Überrascht nimmt er mich an den Schultern und zieht mich direkt an seine Brust. Okaaayyyy... Das schlimmste ist eigentlich, dass mir seine Berührungen gar nicht unangenehm sind. Sie fühlen sich freundlich an, warm. Vielleicht klingt das komisch, aber ich habe das Gefühl, als würden durch sie alle seine Emotionen auf mich übertragen - und das fühlt sich verdammt gut an. Er scheint zu spüren, dass ich diese Offenheit brauche, um mich hier nicht komplett als verrückt einzustufen.
Kurze Zeit später schiebt er mich von sich weg und sieht mir unmittelbar in die Augen. Jetzt sitze ich ebenso auf den Knien. "Danke," sagt er und lächelt noch glücklicher als vorher.
Nett... für 'nen Einbrecher, denke ich zynisch."Ich mag deinen Zynismus, aber ich bin kein Einbrecher," erwidert er.
"Du sitzt vor meinem Bett. Und ich erinnere mich nicht, dich ins Haus gelassen zu haben."
Und Mama ist noch bei der Arbeit, weil ich heute früher Schluss hatte, ergänze ich in Gedanken.
Ich habe heute schon zu viel oft offen gegrübelt. Obwohl das bei ihm ja auch egal zu sein scheint. Ich nehme keines dieser Wörter gern in den Mund, aber er scheint entweder ein Telepath oder ein Magier zu sein....Oder ich bin einfach noch müde und verrate mich durch meine Gesichtsmuskulatur.
"Die ist tatsächlich sehr neutral, wenn ich das so sagen darf."
"Da du eh alles mitbekommen hast: Was bist du?"
Er sieht mich nur verwirrt an, weshalb ich ergänze: "Telepath oder Magier? Einbrecher oder Fatamorgana?""Ich? Das glaubst du mir eh nicht und wenn doch hast du extreme Vorurteile."
"Sag schon!", dränge ich.
"Okay... Ich habe telepathische Fähigkeiten," sagt er mit einem Unterton, der sagt: 'Da ist mehr, aber dir das zu sagen liegt mir so fern, wie irgend möglich'. Dann eben nicht, denke ich beleidigt. Und zwar mit voller Absicht.
Kurama beachtet diesen bissigen Kommentar nicht weiter und geht dazu über, mir seine Anwesenheit hier zu erklären:
"Momentan wirke ich eine Art Telepathie. Die Zeit, die ich dabei habe ist stark begrenzt, weshalb ich nur noch ungefähr fünfundzwanzig Minuten haben dürfte. Insgesamt schaffe ich das durchgängig eine dreiviertel Stunde. Wenn es tatsächlich nur darum geht, mit jemand anderem verbunden zu sein, schaffe ich das auch eine Stunde lang," fängt er an und fragt nach kurzem Zögern: "Kann ich dir was zeigen?"
"Klar," zucke ich mit den Schultern.
Daraufhin steht er auf und hält mir seine Hand hin. "Dann komm."
"Wohin?"
"Nirgendwo."
"Wie, 'nirgendwo'? Verstehe ich nicht."
"Das ist es ja gerade. Was ich dir erklären will, scheint komlett unrealistisch und ist auf deiner aktuellen Wissensbasis kein Stück logisch zu erklären."
Na dann ... Das kann ja heiter werden.
Ich ignoriere seine Hand und stehe auf.
Als er mich daraufhin an der rechten Schulter packt und mich somit an seiner Seite fixiert, wird mir dann doch etwas mulmig zu Mute: "Was wird das, wenn es fertig ist?", frage ich daher unsicher."Schon gut, dir wird nichts passieren."
Ohne Zeit, darauf zu antworten, beginnt sich die Welt um uns zusammenzuraffen. Alles kommt auf uns zu, was mich dazu veranlasst, die Augen zuzukneifen.
"Hey, Cari, alles gut? Su solltest eigentlich nicht von dem Raumwechsel beeinflusst werden... Das ist ungewöhnlich. Was ist denn los?" Er dreht sich zwischendrin von mir weg und hebt die Hand ans Kinn, sodass er gar nicht merkt, dass ich die Augen minimal geöffnet habe und nun ein kleines Stück weiter aufgemacht habe. Ich erstarre noch mehr zur Salzsäule, als ich sehe, wo ich bin.
DU LIEST GERADE
Das Geheimnis der drei Bücher
RandomDrei Bücher, sieben Geheimnisse, Gedankenleserei und zu viele Wesen, die eigentlich nicht existieren sollten - und sie mittendrin: Carolin, ein eigentlich unauffälliges Mädchen, vermeidet näheren Kontakt mit den meisten anderen Schülern und versucht...