"Schlüsselwörter?"
"Ach, hatten wir das noch gar nicht?"
Wir schütteln einvernehmlich den Kopf. Nie gehört, Lady.
"Guuut... nicht schlimm. Es ist sehr leicht zu verstehen, also schreibe ich ein paar Übungen an und dann machen wir das selbe in unserer Kurzgeschichte," labert unsere Deutschlehrerin und klatscht daraufhin die Tafel mit Sätzen voll. Ohne jedweden Kontext, einfach zusammenhangslos. Wenn sie meint...
"Also: Schlüsselwörter sind bezeichnende Wörter in einem Satz. Wenn ein Wort dessen Bedeutung oder Kontext definiert, ist es ein Schlüsselwort dieses Satzes. So gesehen der Schlüssel zur Bedeutung eines Satzes, besonders in Monologen." Das klingt sogar mal logisch!
Die Sätze werden tatsächlich besser verständlich, je länger ich sie auf Schlüsselwörter untersuche und irgendwann sehe ich tatsächlich einen Zusammenhang zwischen ihnen. Dieser jedoch ist und bleibt nur winzig klein.
Vielleicht sollte ich das mal mit einem anderen Satz probieren...
Ich schnappe mir ein kleines Stück Papier von Vincents Tisch und notiere alles, was ich darin finde, sowie Bedeutungsmöglichkeiten und Assoziationen:
wenn - zeitlich / Bedingung (situativ)
wiederkommen - Abwesenheit / Besuch / Weg(/Pfad)?
dürfen - Erlaubnis erteilt bekommen / rein gebeten werden / erwartet werden? / erwünscht sein /
helfen - körperlich oder geistig? / rein lassen / ...Oder sollte das allgemeiner sein?
Ich fühle mich, als würde ich den Kern des ganzen nicht finden.
Toll, jetzt weiß ich schon nicht mehr, was das Wort helfen bedeutet! Das ist ja zum Haare raufen!Ich schiebe das Blatt vorsichtig zu Vincent, da die Lehrerin bereits skeptisch zu mir gesehen hat. Woran sie gemerkt hat, dass ich mich nicht den Sätzen an der Tafel widme, weiß ich nicht. Bin doch fertig, was will sie denn noch? Ich tippe auf den letzten Punkt und Vince zieht das Papier näher zu sich. Nach kurzem denken ergänzt er:
Erreichen eines (angestrebten) Ziels erleichtern / für jdm. da sein/ ihn unterstützen
Wow, das trifft es ziemlich genau. Darauf wäre ich nicht gekommen.
Er guckt sich noch die anderen Wörter an und ergänzt nach kurzem Zögern gesetzlich (Übermacht)? bei dürfen.
Aber wer macht die Gesetze für Kurama? Er? Der, den er Erreichen will? Eine höher stehende Gesellschaft... sowas wie eine VTG oder so? Ich schreibe: 》Selbst? Medium? Empfänger? VTG? hinter seine zweite Ergänzung und bekomme sofort einen fragenden Blick für Letzteres. Also ergänze ich dahinter: - Vereinigte Telepathen Gesellschaft.
Grübelnd warte ich darauf, dass wir mit dem Vergleichen der ach so tollen Aufgaben anfangen können. Mit wir könnte allerdings auch gemeint sein: Nick, Vince, Liz, Maya, die Lehrerin und ich. Der Rest ist entweder inaktiv oder albert rum. Die gehen wohl nach 10 ab..
* * *
Einfach unnütz, diese Übung. Es wird nichts passieren, das garantiere ich.
Vincent scheint meinen Unmut zu spüren, denn er betont erneut, dass wir von Telepathie keine Ahnung haben und daher erstmal alle Thesen, die auch nur im Geringsten zutreffen könnten, überprüfen sollten.Dementsprechend lege ich meinen Kopf wieder in das Gras und konzentriere mich auf Kurama. Ich denke an sein symmetrisch-asymmetrisches Gesicht, versuche das Portrait, das ich von ihm gezeichnet habe, hervorzurufen. Ich sehe ihn wie bei unserem ersten Treffen vor mir: Braune Hose, verwaschenes, hellblaues T-Shirt, lockere, schwarze Lederjacke. Seine weißen Haare fallen ihm verstrubbelt und doch irgendwie ordentlich ins Gesicht und seine blasse Haut strahlt matt im Sonnenlicht. Seine hellbraun strahlenden Augen glitzern vergnügt und sein schmaler Mund zeigt wieder dieses geduldig-gütige Lächeln, das mich aus irgendeinem Grund mächtig aufregt. Es wirkt so künstlich, so... unberechenbar und falsch! Und trotzdem glaube ich ihm jedes einzelne Wort. Er wirkt vertrauenswürdig und verständnisvoll. Hat er mich manipuliert? Mich gezwungen, ihm zu vertrauen? Hat er so eine Macht?
Mehrere Minuten liege ich mit Vincent so im Gras und warte darauf, dass irgendwas passiert. Ich versuche möglichst intensiv an Kurama zu denken, aber es tut sich einfach nichts.
Irgendwann setze ich mich auf. "Das bringt nichts."
"Okay, dann anders. Leg dich wieder hin," flüstert er müde.
Widerwillig tue ich, was er sagt und warte auf seine nächste Idee. Nachdem ein paar Minuten verstrichen sind, in denen ich seinen ruhigen Atemzügen gelauscht und sie Sonne auf meiner Haut genossen habe, frage ich: "Und? Deine Idee?"
Ich bekomme keine Antwort, sondern höre nur weiter sein ruhiges Atmen. Ich warte weiter. Vielleicht denkt er noch. Ich sollte ihn nicht hetzen. Ich habe schließlich selbst keine Ideen.
Irgendwann reicht es mir und ich drehe mich auf den Bauch, um ihn anzutippen, bringe es dann aber nicht über's Herz:
Er ist eingeschlafen.
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Das Geheimnis der drei Bücher
RandomDrei Bücher, sieben Geheimnisse, Gedankenleserei und zu viele Wesen, die eigentlich nicht existieren sollten - und sie mittendrin: Carolin, ein eigentlich unauffälliges Mädchen, vermeidet näheren Kontakt mit den meisten anderen Schülern und versucht...