31 - Dämliche Vergangenheit

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"Und jetzt? Für mich sieht das ja nicht wie Teig aus," nörgelt Vince links von mir. Nach einem kurzen Blick erkenne ich allerdings schon, was das Problem ist und lasse ihn schulterzuckend ein wenig zappeln. Mal gucken, ob er selbst drauf kommt.

Mühevoll wäscht er sich die Hände und greift dann zum Kochbuch. "Mehl? Drin. Zucker? Drin. Backpulver? Drin. Milch? Drin? Butter?! Drin??", höre ich ihn murmeln. Fast muss ich lachen, als er beginnt, zu überlegen, was er alles drin hat und was nicht, während sein klumpiger und viel zu fester Kuchenteig mich leidend ansieht - Zumindest kommt mir das so vor.

Mein Grinsen muss mir bis zu den Ohren reichen, denn auf einmal fährt er mich aufbrausend an: "Jetzt spuck's endlich aus, du Sadistin!" Ich erkenne den aberwitzigen Tonfall in seiner Stimme, mit dem er versucht, seine Wut zu überspielen. Und trotzdem sage ich nichts weiter.

Er seufzt und greift zur Butter. Bäh, dieser...dieser... suchend unterbreche ich meine Arbeit am Herd. Schnell halte ich ihm die Schachtel Eier hin, die er mir wortlos abnimmt und sich dem Kochbuch zuwendet.
So stake Wörter gibt es gar nicht!, entscheide ich.

Vincent schlägt zwei Eier am Rand der Rührschüssel auf und gibt sie zum Teig dazu. Nach kurzem Rühren sieht der dann tatsächlich auch aus, wie Teig, statt wie Haferbrei. "Danke," murmelt er fast unhörbar unter dem Rattern der Rührmaschine. Als er meinen Blick bemerkt lächelt er, dreht sich dann aber zum Einfetten der Backform um.

* * *

Piep, piep.

Piep, piep!

Piep, piep!!

Das ist offiziell das nervigste Geräusch, das ich kenne. Schon seit ein paar Minuten piept der Trockner, aber. ich. will. nicht! Ich will einfach auf dem Sofa liegen und hoffe dann halt, dass er irgendwann aufhört, zu piepen. Würde er nur nicht so nerven...

"Sicher, dass es dich nicht nervt? Du siehst sauer aus," fragt Vincent zum gefühlt hundertsten Mal. Ich nicke. Er seufzt. Zehn Minuten. Dann muss ich sowieso den Kuchen raus holen.

"Es macht mir nichts aus, ihn kurz auszuschalten," wiederholt er und genau wie die letzten Male ignoriere ich seinen Vorschlag. Er seufzt erneut. Das tut er ganzschön oft in letzter Zeit.

Nach zehn Minuten, die mir wie Stunden vorkommen, schäle ich mich aus der Decke und stelle den Ofen aus. Den Kuchen stelle ich zum Abkühlen auf einen Teller auf der Arbeitsfläche. Dann gehe ich in due Waschkammer und ziehe die überfällige Wäsche daraus in einen Korb. Dann leere ich noch den Fusselfänger und nehme die Wäsche mit ins Wohnzimmer. Vincent betrachtet mich mit einer Mischung aus Belustigung und Hohn, als ich diese sofort zusammenlege und ordentlich in den Korb staple. Ein wütendes Schnalzen entfährt mir, als er mir nach zwei T-Shirts schon helfen will und er setzt sich zurück auf das Sofa.

"Machst du das immer so?", fragt er mich belustigt, als ich fertig bin.

Verwundert sehe ich ihn an. Ich habe die Art, wie ich Wäsche zusammenlege für normal gehalten, aber offensichtlich ist sie das wohl nicht. "Wie soll ich sonst Wäsche zusammenlegen?", frage ich daher, bekomme aber nur ein Kopfschütteln. Was meinst du dann? Sprich klare Worte!, schimpfe ich ihn innerlich an, sehe ihn aber weiter neugierig an.

"Dass du die Wäsche sofort machst?", ergänzt er daher und sieht mich erwartungsvoll an.

Oh. "Dann hab ich's hinter mir," antworte ich. Er kommentiert das mit einem Brummen und nimmt sich wieder ein Fleischbällchen aus der Schüssel vor ihm.

"Sag mal, Vincent..." Ich schlucke die miesen Kommentare und Mutmaßungen runter und versuche stattdessen Infos und vielleicht sogar ein Geständnis aus ihm heraus zu kitzeln. "Was machen deine Eltern eigentlich? Also beruflich," setze ich daher an, merke aber schnell, dass ich einen Schritt übersprungen habe: Shit, die Namen!

Innerlich ohrfeige ich mich für meine Dummheit, aber Vincent antwortet trotzdem: "Das glaubst du mir wahrscheinlich nicht, aber bei uns geht's zu, wie bei Kim Possible. Mein Vater ist Biologieprofessor und Hirnchiug, während Mama eine der besten Anwälten ist - zumindest wird sie bei Geschäftsessen immer in den höchsten Tönen gelobt. Meine beiden Brüder leben mittlerweile in Amerika: Der eine lernt Raumfahrttechnik und der andere geht zum Militär und hat gerade ein Jahr Pause, um sich mit Neurobiologie den Schädel zu zermatern - deshalb ist er nach Harvard. Meine kleine Schwester ist schon mit der Schule fertig und assistiert zurzeit einem alten Physiker bei seinen Forschungen. Alle meine drei Geschwister sind also - zurzeit, wie auch sonst - alle in Amerika verstreut, während ich hier festsitze und noch keine Ahnung habe, was ich später machen will und - Gott gnade! - kein perfekter Einserschüler bin, sondern nur einen Durchschnitt von 1,6 habe!", erklärter bitter und steht auf. Kurz denke ich, er würde jetzt vor der Situation fliegen wollen, aber falsch geraten: Er kommt auf mich zu, bleibt aber eine Hand breit vor mir stehen.

Kurz überlege ich, ob ich das darf, frage aber nichtsdestotrotz: "Du fühlst dich wie das fünfte Rad am Wagen, oder?"

Er nickt und senkt den Blick.
"Ich kann mir vorstellen, wie unfair das für dich klingen muss. Sie können schließlich nichts dafür."

Mein Kopfschütteln bemerkt er nicht und dreht sich stattdessen zum Fernseher. Das ist für mich das stille Signal, das Thema aufzuschieben und erstmal die Wäsche in die entsprechenden Zimmer zu räumen. Irgendwie fühle ich mich schuldig. Ständig quetsche ich die Antworten, die ich haben will aus ihm raus und lasse ihm dennoch nicht die Freiheit, bei mir näher nachzufragen.

In Mamas Zimmer räume ich schnell die wenigen getragenen Klamotten in den.. äh.. Schmutzwäschebehälter. Danach öffne ich ihren geräumigen Wandschrank und sortiere die gewaschene Wäsche ein.
Dabei fällt mir erneut das Foto auf, das sie in der hintersten Ecke unter ihren Socken versteckt hat. Man, ich bin Kleinkind!, denke ich verärgert und stopfe schnell die Wäsche in den Schrank, um möglichst schnell aus dem Zimmer meiner Mutter zu kommen und diese grausigen Erinnerungen in der dämlichen Schrankecke zurückzulassen.

Zeit, sich ein paar Infos zu beschaffen!

Das Geheimnis der drei BücherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt