Suizid

1.1K 24 8
                                    

Jackie's Sicht

Es waren mittlerweile die Sommerferien vorbei, Carolin daher wieder Arbeiten und ich hatte mir die Woche wieder Frei genommen. Warum? Weil ich für unsere Hochzeit eines ihrer Lieblingslieder einstudiere, zumindest den Gesang und die Gitarre.

"Ich will nicht aufstehen" murmelt Caro an meinen Hals und bleibt angekuschelt bei mir liegen. "Du musst aber, das weißt du" flüstere ich leicht und streiche durch ihre Haare. Sie grummelt vor sich hin, als ich mir mein Handy schnappe und ein paar alte Freunde hierher einlud. Caro wusste nicht warum, aber sie wusste dass sie herkommen würden. Und das war mir am wichtigsten. "Du hast noch 20 Minuten dich fertig zu machen, wenn du pünktlich sein willst" grinse ich frech und lasse meine Hand an ihre nackte Taille rutschen. "Hättest du jetzt kalte Hände, hätte ich dir eine gefeuert" grummelt Caro und ich muss lachen. Zu meinem Glück hatte ich immer warme Hände. "Na komm, ich bring dich auch hin" biete ich Caro an, die sich fester an mich drückt. "Du willst garnicht aufstehen, huh?" lache ich leicht. "Nein, ich hab das NB-Syndrom" grinst sie und legt sich auf mich. "Das Null-Bock Syndrom also?" hauche ich gegen ihre Lippen und sie nickt leicht. Ihre Hände legen sich um meinen Hals, der den ein oder anderen Knutschfleck aufweist, während meine Hände ihren Rücken hinunter gleiten. "Komm jetzt nicht auf dumme Gedanken" haucht Caro gegen meinen Hals und ich kralle ihr in den unteren Rücken, was sie dazu veranlasst mir in den Hals zu beißen. Langsam ziehe ich die Hände zu ihrem Hals, was auf ihrem Rücken rote Streifen zurücklässt. Ich sauge mich an ihrem Hals fest und verpasse ihr einen schönen Knutschfleck, den man so schnell nicht mehr abdecken kann. Und dann stehe ich mit ihr auf den Armen auf, trage sie ins Bad und reibe ihren Rücken mit Creme ein. "So. Du machst dich jetzt fertig, ich leg dir Klamotten raus" grinse ich frech, gebe ihr einen kurzen Kuss und suche wie versprochen Klamotten heraus.

Mit einem angepissten Blick sieht Caro mich an. Dabei sieht ihr Outfit doch wunderbar aus. Ein T-Shirt in weiß, darüber meine Sweatshirt Jacke, eine enge darkblue Jeans. Ich dagegen trage ein Rammstein T-Shirt, darüber mein Holzfällerhemd, eine schwarze Ripped Jeans und meine weißen, kaputten Converse Chucks, bei denen schon ab Knöchelanfang die Schnürsenkel fehlen.

"Du hast zwar Geschmack, aber zur Schule will ich trotzdem nicht" grummelt Caro und ich packe sie an den Schultern, ehe ich sie fest an mich ziehe. "Ich bring dich gerne hin und hole dich gerne ab. Aber du wirst heute zur Schule. Ob du willst oder nicht" spreche ich ihr Ernst entgehen. Betrübt und erschlagen sieht sie mich an, ich würde sie hinfahren. Ich weiß nicht was los ist, seit ein paar Wochen scheint sie kaum mit mir reden zu wollen. Irgendwas muss bei ihr los sein.

"Festhalten, wir fahren" murmel ich und trete auf das Gas meines RS7's. Da wir sonst zu spät sind, missachte ich einige Verkehrsregeln. Und innerhalb weniger Minuten bin ich an der Schule angekommen. Caro steigt aus, ohne jegliches Wort und geht rein. Ich warte noch kurz, und was ich da sehe lässt mein Herz in mindestens eine Million Teile zerspringen. Eine mir unbekannte Lehrerin küsst MEINE Verlobte, und diese erwidert! Wut entbrannt lasse ich den Motor aufheulen, rase dorthin wo ich so nah wie möglich stehen kann, steige aus und renne hin. Während ich renne, fliegen mir gefühlt die Schuhe weg und ich kremple die Ärmel vom Hemd hoch. "Carolin!" rufe ich und sie dreht sich geschockt um. "Lass mich das erklären ..." murmelt diese Kleinlaut und ich ignoriere sie. "Wie lange geht das schon?!" frage ich das Blöndchen mir gegenüber und sehe runter. "Ein paar Wochen" antwortet das Püppchen eingeschüchtert und ich sehe enttäuscht, sowie wütend und fassungslos zu Caro. "Dein Ernst alter?! Ich habe mir den Arsch im Haus abgeackert, im Garten, bei deinen Eltern und dir jedes Wochenende Frühstück gemacht! Versteh es nicht falsch, ich habe es gerne und aus Liebe getan. Aber dass das so endet, hätte ich nie gedacht. Weißt du was? Ich habe meine Freunde eingeladen, um dein Lieblingslied einzustudieren. Für unsere Hochzeit. Was hast du gemacht, als ich Fernfahrten hatte? Bist du zu der aufgebrezelten Tusse gerannt?" brülle ich so wütend wie nie zuvor und alle sehen uns an. "Ich bin-" setzt die Blonde an, ich unterbreche sie aber mit "Wer hat dir erlaubt die Lipgloss Lippen aufzumachen? Warum klebt der Rotz nicht? Du hast so viel Make-Up in der Fresse, ich muss dir einmal in den Nacken kloppen und mir fällt eine Maske von deiner Hackfresse in die Hand du Gesichtsgrätsche! Also sei gefälligst still oder ich bringe dich dazu!" knurre ich dieses Wesen an und wäre sie ein Hund, hätte sie den Schwanz eingezogen. "Jetzt weiß ich, wieso du so viel 'Überstunden' hattest" lache ich spöttisch und ziehe den Verlobungsring von meinem Finger und werfe ihn Caro vor die Füße. Das Blondchen will wieder was sagen, aber ich boxe ihr gekonnt genau auf das Nasenbein und ihre Nase beginnt in Strömen zu bluten, sie ist gebrochen. "Jackie!" keift Caro und ich grinse böse. "Gleichberechtigung für alle" ich klatsche ihr so dermaßen eine Backpfeife, dass es mit Sicherheit über den halben Schulhof hallt und es mit einem Mal Still wird. "Wenn du mich nochmal sehen willst, sei in einer viertel Stunde im Haus. Wenn nicht, komm später oder garnicht. Wenn du zu früh da bist, werde ich trotzdem nicht zu hören" sage ich noch, gehe zurück zum Auto und fahre mit quietschenden Reifen zur Apotheke.

Zehn Minuten später bin ich schon im Haus, gehe in das Schlafzimmer, suche alles zusammen und lege es unten auf die Kommode. Dann gehe ich nach oben ins Badezimmer, öffne die Dose und beginne zu grinsen. In meiner Hand, mehr als 7 starke Schlaftabletten. In der anderen, eine Wasserflasche. Als unten die Tür aufgeschlossen wird, nehme ich so viele Tabletten auf einmal wie ich schlucken kann, spüle sie herunter und nehme noch mehr. Gerade als Caro zur Badezimmertür herein kommen will, kippe ich nach hinten, reiße dabei die Schlaftabletten mit und knalle mit dem Hinterkopf auf den Badewannenrand. Ab da, alles schwarz.

Carolin's Sicht

Verdammte scheiße! Ich hätte es schon mit Iana beenden sollen, bevor es überhaupt angefangen hat! Mit dem Gedanken renne ich zum Haus, schnappe den roten Umschlag und sehe einen Brief, eine Seite lang. Schönschrift. Ich renne hoch ins Badezimmer und dann geschieht das, was ich niemals wollte. Jackie kippt nach hinten, somit werden überall Schlaftabletten verteilt und sie schlägt genau mit dem Genick am Rand der Badewanne auf. Sofort rinnt Blut aus der Wunde und ich bin mir fast schon sicher etwas knacken gehört zu haben. Geschockt hebe ich Jackie in den Badewanne, lege sie auf die Seite und stecke ihr meine Finger in den Hals. Mit einer bestimmten Methode versuche ich, sie zum brechen zu bringen. Vergebens. "Jackie! Bitte!!" flehe ich schreiend und ich reiße eiskaltes Wasser auf. Ich fühle ihren Puls, scheiße, der ist zu schwach! Ihre Lippen beginnen bereits sich blau zu färben und ihre Atmung versagt nach und nach. "Jackie, tu mir das nicht an! Verdammt, wieso musste ich nur so dumm sein?!" fluche ich, rufe einen Krankenwagen und versuche Jackie wieder zu beleben.

Der Notarzt stürmt ins Badezimmer, lässt aber eine Liege unten in den Flur stellen. "Also Frau Meyer ... sie hat momentan unregelmäßigen und sehr schwachen Puls. Ich nehme an, dass schon einige Gehirnzellen abgestorben sind durch den Sauerstoffmangel. Wir setzen alles daran sie zurück zu holen" sagt er  hektisch als seine Kollegen sie mit den ganzen Kabeln und Geräten in den RTW fahren. Ich darf vorne einsteigen und das Recht nutze ich auch, was sich als Fehler betiteln lässt. Mit dem typischen Fachchinesisch verständigen die sich und das langsame und unregelmäßige piepen, wird zu einem monotonen Ton. "Schock, alle weg" ruft einer und schon höre ich das typische Geräusch von dem Defibrillator. Doch auch die Herzdruckmassage bringt nichts. Sie ist tot.

Im Krankenhaus

Nachdem der Arzt einen Hirntod festgestellt und sie somit für Tod erklärt hat, beginnt mein Gedankenstrudel erneut zu rasen.


Jackie hat sich umgebracht, wegen meiner Dummheit. Und ich wusste, ich hätte es nur erklären müssen und sie hätte mir verziehen. Ob sie überreagiert hat? Nein, ich hätte es auch getan. Denn ich wusste, wie sehr Jackie mich zum Leben gebraucht hat. Ich hatte ihr damals versichert, ihr niemals Fremd zu gehen, sie so schwer zu verletzen und zu hintergehen. Und trotzdem habe ich es getan und war dann auch noch zu feige es zu beichten, wo ich wusste, dass Jackie am Leben geblieben wäre. 

Und jetzt? Ich habe den Brief gelesen. Er ist in ordentlicher Schönschrift geschrieben, jedes Komma ist richtig gesetzt und alles ist sowas von richtig, dass ich schlucken muss. Jacke hatte sich damals für den Abschiedsbrief verdammt viel mühe gegeben ... und ich bin dran Schuld, dass ich ihn zu Gesicht bekomme.


Ich, Carolin Meyer, habe meine Verlobte, Jackie Lindner, auf dem Gewissen ...



Ich und meine Lehrerin ...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt