Kapitel 9 - Notlüge

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>>Ein Dutzend verlogener Komplimente
ist leichter zu ertragen
als ein einziger aufrichtiger Tadel.<<

-Mark Twain-


Meine Mutter war skeptisch, als ich ihr erzählte, dass ich mit Carter ausgehen wollte. Es war mittlerweile Samstag und Carter würde in nicht mal einer Stunde da sein, um mich abzuholen. Normalerweise hatte meine Mutter selten ein Problem damit, wenn ich am Wochenende ausging, aber das Problem schien auch eher woanders zu liegen. Meine Mom glaubte nämlich, dass ich mich in Wahrheit nicht mit Carter, sondern mit Kyle traf.

„Mom, er kommt mich hier abholen, dass siehst du doch, dass es nicht Kyle ist." Sagte ich protestierend.

Sie verschränkte die Arme vor der Brust „Er ist mit Sicherheit ein Freund von ihm und vermutlich hat er genauso schlechte Manieren." Sie rümpfte die Nase.

Ich hatte fast das Gefühl, dass sie sich weigerte Kyle beim Namen zu nennen.

„Sie sind nicht befreundet." Log ich.

Mir war klar, dass sie mich nicht gehen lassen würde, wenn ich ihr sagte, dass es anders war. Carter war zwar ganz anders als Kyle, aber er würde nicht mal die Chance bekommen, das zu zeigen.

„Ich werde ihn erst sehen, bevor ich zustimme." Stellte meine Mutter fest.

Ich stöhnte „Mom. Ich bin keine 10 mehr..." startete ich einen letzten Versuch aber sie blieb stur.

„Meine Bedingungen." 

Ich gab schließlich nach und zog mich in mein Zimmer zurück.

Während ich mich fertig machte murmelte ich leise Flüche vor mich hin. Ich fand es nervig, dass meine Mom glaubte, mir immer Vorschriften machen zu können. Sie behandelte mich wie ein kleines Kind, dabei war ich schon 16. 

Ich wusste, dass sie sich Sorgen um mich machte und mich nicht verlieren wollte, besonders nach dem was mit meinem Dad passiert ist, aber sie musste dennoch damit aufhören, jeden meiner Schritte zu überwachen.

fast wünschte ich mir schon, sie würde sich so wenig für mich interessieren wie damals, als sie kaum aus dem Bett kam.

Ich schüttelte erschrocken den Kopf, als ich mich bei diesem Gedanken erwischte.

Nein. SO sollte es nicht sein. Nie wieder.

Es war schrecklich gewesen, meine Mutter so leiden zu sehen. Ich hatte es kaum ertragen. Wie ich sie jeden Morgen aus dem Bett zerren musste, damit sie zur Arbeit ging. Wie ich sie jedes Mal auf dem Sofa fand, nachdem ich von der Schule kam. Meistens weinend und manchmal mit einer leeren Weinflasche neben sich.

Sie hatte sich komplett gehen lassen. Sie hatte aufgehört, die Mutterrolle zu übernehmen und den Haushalt und alles andere mir überlassen. Ständig hatten wir Briefe von meiner Schule zugeschickt bekommen, weil ich so oft zu spät im Unterricht war oder meine Hausaufgaben fehlten, aber das hatte meine Mutter nicht interessiert.

Diese Zeit war die schlimmste meines Lebens gewesen. Nie wieder, wollte ich meine Mutter so leiden sehen. 

Ja, sie hatte sich verändert und vielleicht war sie zu bestimmerisch und behandelte mich wie ein Kleinkind, aber alles war besser als ihr trauerndes, verzweifeltes Ich.

Das Klingeln unserer Haustüre riss mich aus meinen Gedanken und ich schreckte hoch.

Ich hatte die Befürchtung, dass meine Mom ihn ausquetschen würde, wenn ich mich nicht schleunigst auf den Weg nach unten machte.

Mein Blick glitt ein letztes Mal zu meinem Spiegel. Ich hatte mich nur dezent geschminkt und ein Outfit war ebenso schlicht gehalten. Da es ziemlich kalt draußen war und ich nicht wusste, wo Carter mit mir hin wollte, hatte ich mir eine schwarze Jeans und ein Schulterfreies Oberteil angezogen. Darüber trug ich einen eleganten Mantel in dunkelblau. Ich schnappte mir meine schwarzen Schuhe, die nur einen kleinen Absatz hatten und lief barfuß die Treppe runter.

Im Flur stand keiner, aber ich hörte Carters Stimme aus der Küche. Rasch streifte ich mir die Schuhe über und wickelte mir einen Schal um den Hals, bevor ich lächelnd den Raum betrat.

Meine Mom fragte Carter gerade etwas und ich bemerkte ein leichtes Stirnrunzeln auf Carters Gesicht. 

Peinlich berührt räusperte ich mich und ging auf ihn zu. Wir umarmten uns und über seine Schulter hinweg konnte ich das zögernde Nicken meiner Mom sehen.

Erleichtert atmete ich auf und lächelte dankbar. Schien so als hätte Carter den Test bestanden.

„Also, dann wünsche ich euch beiden einen schönen Abend." Sagte sie freundlich, nachdem wir uns gelöst hatten.

Ich ging voraus in den Flur und Carter folgte mir. Seine Hand lag leicht an meinem Rücken.

„Ich bringe ihre Tochter pünktlich um 12 sicher nach Hause." Versprach mein Begleiter meiner Mutter, als wir unser Haus verließen, was meine Mom mit einem zuversichtlichen Lächeln 
kommentierte.

Wir machten uns auf dem Weg zu seinem Auto und Carter öffnete mir zuvorkommend die Tür.
Ich fühlte mich befreit, als wir im Auto saßen und er den Motor startete.

„Deine Mom ist nett." Sagte er lächelnd und ich schnaubte.

„Du meinst wohl eher, dass sie nervig und ein furchtbarer Kontrollfreak ist." Ich verdrehte die Augen.

Carter lachte „naja, sie ist schon ziemlich neugierig."

„Was hat sie dich gefragt?"

Er sah mich an. „Ob ich mit Kyle befreundet bin." Erwiderte er.

Ich stöhnte und kniff die Augen zusammen. Das würde Ärger geben, wenn ich nach Hause käme.

„Keine Sorge, ich habe nein gesagt." Er grinste „ich hatte da so ein Gefühl, dass diese Frage einen bestimmten Grund hatte und da ich Kyle kenne, schien mir diese Antwort am besten."

„Danke." Sagte ich und lächelte ihn warm an. 

Er hatte für mich gelogen. Dabei kannten wir uns noch gar nicht lange. 

Ein warmes Gefühl durchströmte mich und ich konnte nicht aufhören vor mich hin zu lächeln.

***

Ich genoss meinen Abend mit Carter sehr. Es war angenehm gewesen, sich mit ihm zu unterhalten. Zuerst waren wir in ein Restaurant gegangen und danach noch ins Kino. Wir sprachen über alles Mögliche und uns schien nie der Gesprächsstoff auszugehen. 

Carter war ganz anders als ich erwartet hatte und er überschüttete mich beinahe mit Komplimenten, was mich fast durchgehend erröten ließ. 

Zum Abschied hatte er deutlich versucht, mich zu küssen, aber ich war mir unsicher gewesen, ob ich dafür schon bereit war, deshalb war ich im letzten Moment ausgewichen und hatte ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt.


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Hey,

ich weiß, momentan bin ich nicht besonders zuverlässig mit den Uploads. Ich habe einfach ein wenig stress und bin momentan noch verpeilter als sonst, aber heute kommen zwei und morgen ein Kapitel. Versprochen.

LG Kat


faking itWo Geschichten leben. Entdecke jetzt