Kapitel 57 - Schulball

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>>Die Tatsache, dass die Menschen mit zwei  Augen und zwei Ohren,
aber nur mit einem Mund geboren werden, lässt darauf schließen,
dass sie zweimal so viel sehen und hören als reden sollten. <<

-Marie de Sévigné-

Heute war Sonntag und der Tag des Schulballs. Ich hatte mich gemeinsam mit Rita und ein paar ihrer Freundinnen bei ihr Zuhause fertig gemacht und wir würden in einer halben Stunde von unseren Begleitungen abgeholt werden.

Ich verstand nicht ganz, warum man sich vor einer Schulveranstaltung mit so vielen treffen musste, wenn doch sowieso fast jeder einzeln dorthin fuhr, aber ich hatte mich schließlich vom Gruppenzwang mitreißen lassen. 

Naja, und jetzt saß ich hier mit Rita und drei weiteren von ihren Freundinnen. Sie kicherten und lachten und redeten über irgendwelches Zeug von dem ich keine Ahnung hatte. 

Mittlerweile bereute ich meine Entscheidung bereits, aber ich wollte ebenso wenig als einzige alleine rumsitzen und warten bis sie von ihrem Begleiter abgeholt würde. Außerdem wäre es auch für Ethan blöd gewesen, der sicher mit seinen Freunden zusammenfahren wollte. 

„Freya!" rief plötzlich eines der Mädchen die glaube ich Mandy hieß. Sie war klein und etwas asiatisch angehaucht, genau wie ich. „Du bist ja noch gar nicht frisiert! Oh Gott, und geschminkt auch nicht!" 

Sofort richteten sich auch die Blicke der anderen Mädchen auf mich. Ich wollte erklären, dass ich genau genommen schon fertig war und mein Make-up einfach nur schlicht halten wollte, aber da wurde ich schon von Rita auf einen Stuhl gezogen und alle vier Mädchen auf einmal machten sich an meinen Haaren und meinem Gesicht zu schaffen. Ich hatte gar nicht die Chance mich richtig zu wehren, also ließ ich es schnell bleiben.

Es dauerte ein wenig länger als eine halbe Stunde, bis die Mädchen mit ihrer Arbeit fertig waren, sodass einer die Jungs rein lassen musst, welche unten warteten. Als ich mich im Spiegel betrachtete, war ich zunächst erleichtert, dass die anderen mit dem Make-up nicht so übertrieben hatten wie bei sich selbst. Meine Haare waren zu einem tiefen Dutt an meinem Hinterkopf festgesteckt und irgendwoher hatte jemand ein kleines Perlenband gezaubert, das mir in die Haare geflochten war, wie ein Diadem.

Mein Liedschatten passte farblich zu meinem Kleid und ich war sehr zufrieden mit meiner Gesamterscheinung. 

Als auch alle anderen noch einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel geworfen hatte, schnappten wir uns unsere Sachen und machten uns schließlich auf den Weg nach unten. Ich ging hinten und kam als letzte unten an.

Ethan stand am Treppenabsatz und reichte mir für die letzten Stufen die Hand bevor er mich zur Begrüßung umarmte. Ich konnte nicht umhin zu bemerken wie gut er aussah und wie zuvorkommend er sich verhielt. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich hätte nicht so große Probleme mich auf ihn einzulassen.

„Hey." Sagte ich ein wenig schüchtern.

„Hi" er betrachtete mich lächelnd und hob eine Hand, damit ich mich unter ihr hindurch drehen konnte, was ich lachend tat „Du siehst unglaublich hübsch aus." Stellte er fest und ließ mich erröten.

„Danke."

„Ich stimme ihm zu." Sagte Landon, der mit Rita neben mir aufgetaucht war.

Ich boxte ihm gegen den Arm, weil er genau wusste wie verlegen mich das machte.

„Wollen wir los?" rief Mandy von der Tür und alle stimmten vorfreudig zu.

Draußen teilten wir uns auf, weil zwei Pärchen kein Auto zur Verfügung hatten. Ethan und ich fuhren mit Mandy und ihrem Begleiter.

Wir beiden Mädels hatten uns sofort bereit erklärt auf der Rückbank platz zu nehmen und wir unterhielten uns die ganze Fahrt über unglaublich viel, was ich gar nicht erwartet hatte.

Als wir an der Schule ankamen und ausstiegen, waren die anderen schon da, sodass wir nicht noch in der Kälte warten mussten sondern direkt reingehen konnten.

Nachdem wir unsere Jacken abgegeben hatten und in die Aula traten, wo der Ball stattfand, blieb mir der Mund offen stehen. Ich wusste, dass bei den Schulveranstaltungen immer viel Geld und Aufwand drauf ging, aber dieses Ergebnis hatte ich dennoch nicht erwartet. 

Die Wände waren mit Blauen Decken behangen und auch an der Decke hingen die Decken gewölbt herunter. In der Mitte hing ein leuchtender Mond und Sterne funkelten überall. In der Mitte der Tanzfläche hatte man sogar einen kleinen Brunnen aufgestellt, aus dem tatsächlich Wasser floss. 

Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus und bemerkte beinahe nicht, dass die anderen schon weiter gingen. Aber Ethan zog mich mit sich. Wir stellten uns alle bei der Fotoecke in eine Schlange. Während wir warteten und die anderen miteinander redeten, ließ ich meinen Blick automatisch über die Menge schweifen und suchte nach einem dunklen Haarschopf aber Kyle war nirgends zu sehen.

Als wir an der Reihe waren, stellten Ethan und ich uns nebeneinander und lächelten in die Kamera. In dem Moment, wo der Fotograph den Auslöser drückte, sah ich Carter, der meinen Blick erwiderte. Ich war mir nicht sicher, ob mein Lächeln auch auf dem Bild verblasste, aber als Ethan mich ansah, zwang ich es mir schnell wieder auf.

Wir folgten den anderen zu einem Tisch in einer Ecke und ich setzte mich neben Mandy.

Mittlerweile war sie zu meiner einzigen Ansprechpartnerin unter den Mädchen geworden, denn ich konnte mich echt gut mit ihr unterhalten und sie schien ein wenig offener mir gegenüber zu sein als die anderen.

„Also." Raunte ich ihr zu als ich sicher sein konnte, dass niemand zuhörte. „wie lange geht sowas normalerweise?"

Sie lachte auf. Ihr lachen war angenehm und herzlich. Sie wurde mir nur umso sympathischer.

„Sehr direkt." Stellte sie fest, schien aber nicht böse oder so, sondern zeigte vielmehr Verständnis. „Die meisten bleiben so bis zwölf. Ich glaube Ethan ist eher der Typ, der länger bleibt, aber wenn du früher gehen möchtest, dann wird er dich nach Hause fahren. Wahrscheinlich wird er ohnehin der einzige sein, der nüchtern bleibt und muss alle andern nach Hause fahren." Sie lachte wieder und ich lächelte ebenfalls.

Ich sah zu ihrem Begleiter, der eine Hand auf ihrem Bein liegen hatte und mit dem Daumen über den Stoff ihres Kleides strich, scheinbar ohne es zu bemerken.

„Na dann, werde ich das hier wohl so lange durchstehen müssen." Ich grinste.

Sie zwinkerte mir zu „Ich glaube an dich."

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile. Mit der Zeit kamen immer mehr Leute an unseren Tisch. Auch Andrew stieß dazu und die Stimmung wurde ausgelassener. Ich war mir sicher, dass jemand Alkohol in die Bowle gekippt hatte, denn einige torkelten oder nuschelten. Das war für mich auch der Grund, keine Getränke als Wasser oder Cola zu trinken.

Nach einer Weile forderte mich Ethan zu einem Tanz auf, was ich sehr begrüßte, weil ich das Gefühl hatte dringend ein wenig Bewegung nötig zu haben.

Wir tanzten eine ganze Weile und meine Füße fühlten sich tot an in den hohen Schuhen, als wir endlich eine Pause einlegten. Es war bereits recht spät und einige von Ethans Freunden hatten, wie vorhergesagt ein wenig zu viel getrunken.

Mandy nickte mir bedeutend zu, als ich an den Tisch zurückkehrte und deutete in Richtung Ausgang.

„Kommst du kurz mit an die frische Luft?" rief sie über die Musik hinweg und ich nickte heftig. 
Mir war unglaublich war und ich sehnte mich nach frischem Sauerstoff.

Wir sagten unseren Begleitern bescheid und bahnten uns einen Weg ins Freie.

faking itWo Geschichten leben. Entdecke jetzt