Kapitel 1

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Benjamins POV

Um mich herum standen viele Menschen. Alle waren schwarz angezogen. Tiefschwarz. Niemand lachte, denn es gab nichts zu lachen. Manche weinten und manche trauerten still und ohne Ausdruck. Auch ich war schwarz angezogen und stand in der Menschenmasse. Ich hasste Beerdigungen schon immer. Sie waren immer so traurig und alle kamen und wünschten einem ein herzliches Beileid. Als ob einen das aufheitern würde.

Vor drei Jahren war meine Großmutter verstorben und schon da war ich unendlich traurig. Wir hatten ein gutes Verhältnis. Sie passte oft auf mich und meine Geschwister auf, wenn unsere Eltern keine Zeit hatten. Sie starb an einer Lungenentzündung und bei ihrer Beerdigung weinte ich.

Dieses mal weinte ich nicht. Ich konnte nicht mehr. Es fühlte sich an, als hätte ich keine Tränenflüssigkeit mehr. Dies war nicht nur irgendeine Beerdigung, es war die meiner Eltern und meines kleinen Bruders, Max.

Ich weiß noch genau, als ich den Anruf bekam. Sie waren auf den Weg zu mir um mich in meiner neuen Wohnung zu besuchen, doch sie kamen nie an. Sie kamen viel zu spät und sie gingen nicht an ihr Handy ran. Ungefähr eine Stunde später kam der Anruf. Alle drei kamen ums Leben.

Ihnen kam ein Auto entgegen und sie konnten nicht mehr bremsen. Sie krachten zusammen. Die Ärzte meinten, dass mein Max sofort tot war und meiner Eltern auf dem Weg ins Krankenhaus verstarben. Eine Welt brach für mich zusammen. Dazu war ich derjenige, der es Jacob und Sofia sagen musste. Es war schrecklich. Genauso schrecklich wie die darauffolgende Woche.

Ich verbrachte die meiste Zeit bei Sofia zuhause. Auch Jacob war bei ihr, denn niemand von uns wollte alleine sein. Ich redete mir ein, dass die beiden nun meine Unterstützung brauchten, doch eigentlich brauchte ich sie, denn ich war so einsam.

Fia hatte Paul. Sie hat ihn vor einem Jahr, während ihres Studiums zur Psychologie kennengelernt. Sie sind nun seit 7 Monaten ein Paar. Jacob hatte Klara. Er hatte sie in einer Bücherei kennengelernt vor ungefähr zwei Jahren. Das war das erste mal, dass er in eine Bücherei ging und er traf direkt die Liebe seines Lebens.

Dann gab es mich. Ich hatte niemanden. Es gab nie jemanden, an dem ich Interesse entwickelte. Ich stand auf Männer und das wusste jeder, aber trotzdem hatte ich nie eine richtige Beziehung. Ich fühlte mich auch eigentlich nie einsam, bis dieser tragische Unfall passierte. Genau deswegen brauche ich meine Geschwister.

Ich habe mir allerdings vorgenommen, nach der Beerdigung zurück in meine Wohnung zu gehen. Ich möchte Fia auch nicht belasten, denn sie hat es auch nicht leicht. Ich hoffte einfach, dass mich diese Einsamkeit in mir drinnen nicht aufisst.

Die Kirchenglocken läuteten, das bedeutet es ist soweit. Wir gehen nun zu den Gräbern. Ich spürte eine Hand, die meine Hand berührte. Ich sah zuerst nach unten, und dann nach oben. Es war Sofia, die mich mit Tränen in den Augen anlächelte. Ich nickte nur und gemeinsam stellten wir uns vor die Gräber. Die Rose, die wir in der Hand hielten, warfen wir in die Gräber.

"Auf Wiedersehen." sagte ich leise und gingen weiter. Fia schniefte, und als wir weiter weg standen, nahm ich sie in den Arm. Sie konnte wenigstens noch weinen. Nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte, wischte sie ihre Tränen weg.

„Bist du sicher, dass du heute wieder nachhause willst?" fragte sie. Ich nickte. Ich war mir irgendwie sicher, dass es einsam sein würde aber ich steh das durch.

„Ich kann nicht für immer bei dir bleiben, Fia. Ich komm schon klar." sagte ich. Sie nickte und wir gingen weiter.

Die Beerdigung war vorbei und die meisten verabschiedeten sich. Auch ich machte mich auf den Weg nachhause. Bevor ich allerdings ging nahm ich Sofia und Jacob nochmal in den Arm.

„Wenn was ist, ruf an." sagte Jacob, bevor er mich losließ. Ich nickte nur. Ich bin 20. Ich bin erwachsen. Ich schaff das.

Ich machte mich auf den Weg, zu Fuß, denn ich wohnte nicht sehr weit weg. Außerdem fühlte ich mich nicht danach öffentlichen Verkehrsmittel. Man fühlt sich immer so beobachtet und das könnte ich nicht auch noch ertragen. Dazu tut frische Luft gut.

Es war kühl und die Sonne ging langsam unter. Der Himmel war orange & lila. Es sah schön aus. Wie auf Bildern. Ich wünschte meine Eltern könnten diesen Himmel sehen.

Als ich vor meiner Tür stand, zog ich meinen Schlüssel aus meiner Jackentasche. Ich sperre meine Tür auf und betrete meine Wohnung. Seit einer Woche war ich nicht hier. Sie war dunkel und kühl. Es wurde nicht geheizt.

Ich zog meine Jacke und meine Schuhe aus. Sofort merkte ich die Einsamkeit. Es war so still. Das war es nicht als ich bei Sofia war. Dort waren immer irgendwelche Geräusche. Wenn es auch nur unser Schniefen vom weinen war.

Hier war es aber still. Totenstill. Ich legte meinen Schlüssel auf den Tisch und begab mich in mein Schlafzimmer. Ich öffnete meinen Kleiderschrank und suchte mir bequeme Sachen raus. Eine Jogginghose und ein weißes T-Shirt.

Daraufhin legte ich mich in mein Bett und starrte die Decke an. Was für ein trauriger Tag. Wie lange werde ich mich wohl noch so fühlen?  Oft fragte ich mich, wie Leute mit so etwas klarkommen und nun muss ich selbst damit klarkommen. Würde mich jemanden fragen wie man es tut könnte ich diese Frage nicht beantworten.

Plötzlich spürte ich erneut diesen Schmerz den ich fühlte, als mir gesagt wurde, dass ich die Hälfte meiner Familie verloren habe. Es war als würde ich aufhören zu atmen, aber dennoch weiterleben. Als wäre ich nicht mehr da und doch bekomme ich alles mit. Als wäre alles um mich herum eine Illusion und doch war es so real.

Ich schloss meine Augen, und spürte wie eine Träne der Trauer meinen Körper verließ und über meine Wange floss. Mit diesem Gefühl schlief ich ein.

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