Kapitel 16

528 69 3
                                    

Es war dunkel und kalt. Die Sterne leuchteten hell und ich konnte die Grillen zirpen hören. Sonst war es ruhig. Keine Autos, keine Menschen. Nichts. So war es perfekt. Mehr wollte ich nicht.
Es hat lange gedauert bis ich mich wieder beruhigt hatte. Lange saß ich auf dem Boden und schluchzte vor mich hin. Nun war ich hier. Ich ging einen schmalen Waldweg entlang. Ich wusste gar nicht wie spät es war. Sehr spät auf jeden Fall.
Ich wusste nicht mal wo ich war. Es war nicht der übliche Weg, den ich ging aber ich wollte Abwechslung. Schlafen konnte ich danach sowieso nicht mehr.

Am Montag müsste ich zu diesem Therapeuten und ich wüsste nicht, was er mir erzählen möchte. Ja, ich bin traurig aber deswegen halluziniere ich nicht. Ich hab meinen Verstand nicht verloren.
Meine Hände steckten in meiner Jackentasche, da ich halb am erfrieren war. Ich hätte mich wärmer anziehen sollen. Ich konnte meinen Atem sehen, so kalt war es.
Ich dachte darüber nach, wie ich Alice wegschickte. Ich habe gesagt, dass ich sie nie wieder sehen möchte. Das mag wohl ein wenig harsch klingen aber vielleicht ist es besser so. Sie hat mir versprochen es niemanden zu sagen und sie hat das Versprechen gebrochen. Wegen ihr muss ich zu diesem Therapeuten.

Als ich bemerkt habe, dass ich nicht darauf geachtet habe, wo ich hingehe, blieb ich abrupt stehen. Ich sah mich um. Alles war dunkel. Dunkler als zuvor.
Ich stand mitten in einem großen, tiefen Wald. Um mich herum waren Bäume - dachte ich zumindest, denn erkennen konnte ich es ja nicht. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Es war unendlich gruselig in diesem Wald. Mir gefiel die Stimmung hier nicht.
Ich tastete nach meinem Handy, um die Taschenlampe zu benützen, aber ich realisierte, dass ich es nicht mithatte.

„Fuck!" schrie ich laut und trat dabei frustriert gegen einen Baum. Ich fuhr mit meinen Händen durch meine Haare. Das hat mir gerade noch gefehlt.
Ich drehte mich eilig um, als ich hinter mir ein rascheln hörte, allerdings sah ich nichts. Mein Herz schlug schneller und ich bekam Angst. Normalerweise habe ich davor keine Angst, aber sich mitten in der Nacht in einem riesigen Wald zu verlaufen und noch dazu kein Handy mitzuhaben ist nicht eines meiner Lieblingserlebnisse.

Erneut hörte ich es hinter mir rascheln. Okay, ich kann nicht hier bleiben. Ich begann weiter zu gehen. Ich wusste nicht wohin, aber besser als von einem Tier oder Menschen ermordet zu werden.
Das Rascheln hinter mir wurde immer laute und ich somit immer schneller. Regelmäßig drehte ich mich um, doch ich konnte nichts sehen. Da war nichts, nichts außer das Rascheln.
Mittlerweile lief ich, da es sich so anfühlte, als wäre es direkt hinter mir. Als ich mich noch einmal umdrehte, stolperte ich über eine Wurzel und fiel zu Boden. Ich stöhnte vor Schmerz.

„Fuck, fuck, fuck." fluchte ich leise. Ich lag im Blätterhaufe und wollte aufstehen aber ich tat es nicht. Ich wusste nicht wieso, aber ich tat es einfach nicht.
„Benjamin?" hörte ich jemanden von weiter weg sagen. Die Stimme kam mir bekannt vor. Wieder war da ein Rascheln, aber es war anders. „Benjamin!" sagte die bekannte Stimme nun näher.

Ich später wie sich jemand neben mich hinkniete. Ich sah zur Seite und tatsächlich hatte sich meine Vermutung bestätigt. Es war Peter Pan. Ich drehte mich auf den Rücken und sah ihn an.
„Es ist drei Uhr morgens! Was machst du hier?" fragte er verwirrt. Die Frage ist, was macht er hier? Er hielt mir seine Hand hin und ich griff nach ihr. Sie war warm. Unnormal warm. Wie konnte sie so warm sein, wenn er keine Handschuhe trug? Er half mir auf.

„Das selbe könnte ich dich fragen." sagte ich und putzte meine Hose ab. Er sah zuerst mich besorgt an und sah sich dann besorgt um.
„Ich konnte nicht schlafen." meinte er, doch wieder mal hatte ich das Gefühl er würde lügen. „Was ist passiert?" fragte er. Ich sah mich um.
„Da war dieses Rascheln. Es wurde immer lauter und es hat mich verfolgt, dann bin ich gestolpert." erklärte ich wahrheitsgemäß. Er nickte und sah sich um. Er legte seine Hand auf meine Wange.

„Du bist eiskalt." stellte er fest. „-und du siehst schrecklich aus." lies er mich wissen. Das dachte ich mir.
„Vielen Dank auch." erwiderte ich. „Wie komm ich hier wieder raus?" fragte ich und Peter seufzte.
„Ich bring dich raus." meinte er und ich nickte dankend. „Hast du dich verletzt?" fragte er. Ich schüttelte mein Kopf. „Dein Knie." sagte er und ich sah verwirrt nach unten.

Ich griff auf mein Knie und zog zischend die Luft ein. Tatsächlich blutete mein Knie, aber man konnte es wegen der Dunkelheit nicht sehen. Woher wusste er das dann?

„Woher-„
„Brauchst du eine Stütze?" fragte er und unterbrach mich. Ich sah ihn verwirrt an und schüttelte langsam meinen Kopf.

„Nein, das geht schon." antwortete ich und gemeinsam gingen wir los. Es war ruhig denn wir beide schwiegen. Es war anders als sonst.
„Was ist bei dir zuhause vorgefallen?" fragte er. Ich sah ihn verwirrt an. „Naja, sonst würdest du zuhause schlafen." meinte er. Ach ja, stimmt.
„Ich hab sozusagen meine Freundschaft mit Alice beendet." gab ich zu und da verkrampfte sich wieder mein Herz.

„Wieso?" fragte er. Ich sah zu Boden.
„Sie hat ein Versprechen gebrochen." gab ich zu. Ich wollte ihm nicht sagen, dass niemand glaubt, dass er existiert. Das wäre eigenartig für ihn und mich. „Ich weiß, ich sollte gar nicht traurig sein, immerhin habe ich die Freundschaft beendet." führte ich fort. Peter Pan schüttelte seinen Kopf.

„Es ist schmerzhaft jemanden zu verlieren, bei dem du dachtest er wäre für immer in deinem Leben." meinte er. Das war wahr. „Aber wenn du meinst, es sei das richtige, dann wird es wohl so sein." sagte er. Ich nickte. Ich atmete tief durch.
„Weißt du, ich hab ihr von dir erzählt." gab ich zu. Er sah mich an, schien aber nicht überrascht.

„Hast du?" fragte er. Ich nickte.
„Sie glaubt mir nicht. Sie denkt, dass ich verrückt geworden bin." erklärte ich und er sah zu Boden.
„Und was war dann?" fragte er leise. Ich seufzte.
„Sie hat es meiner Schwester erzählt und nun habe ich am Montag einen Termin bei einem Therapeuten." sagte ich und erst jetzt sah er mich überrascht an.

„Therapeuten?" fragte er nach. Ich nickte und er sah wieder zu Boden. Er schien fast traurig. „Du gehst wegen mir zum Therapeuten.." flüsterte er. Ich runzelte meine Stirn.
„Nein, so ist das nicht." sagte ich doch er sah nicht auf. „Alice hat es Sofia erzählt und sie überdramatisiert direkt alles." meinte ich. Er nickte stumm, und blieb plötzlich stehen.

„Wir sind da." sagte er. Tatsächlich standen wir außerhalb des Waldes. Von hier aus konnte ich sogar mein Wohnhaus sehen. Wir waren also einen ganz anderen weg gelaufen. Wie groß war dieser Wald bitte?
„Hier wohne ich." erzählte ich und zeigte auf das große Wohnhaus.

„Wir sehen uns." meinte er kühl. Kühler als sonst. Ich sah ihn an, doch er sah mich nicht an.
„Ja, wir sehen uns." erwiderte ich und ging langsam nachhause. Was war denn jetzt los?

Peter Pan Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt