Kapitel 25

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Fünf Monate. Fünf ganze Monate bin ich nun schon hier. Es hört sich nach einer langen qualvollen Zeit an, aber das war es nicht. Vor allem nicht im letzten Monat. Es geht mir besser. Viel besser. Nicht 100% gut, aber auch nicht mehr schlecht.

Die ersten Monate waren hart aber von Zeit zu Zeit ging es und ich habe mich Menschen wider mehr anvertraut. Ich habe angefangen wieder mehr zu reden mit Alice, Izzy und Alan. Ich konnte manchmal sogar schon wieder lachen.

Ich nehme immer noch meine Tabletten aber nur noch eine am Tag. Bald werde ich ganz absetzen. Ich bin mir sicher, dass ich auch ohne klar kommen werde, auch wenn ich davor ein wenig Angst habe. Ich bin nicht alleine und das weiß ich.

Camille war immer noch hier, oder besser gesagt wieder. Sie durfte einmal nachhause, kam aber nach zwei Wochen wieder zurück. Sie hatte weitere Panikattacken und es ging ihr schlecht. Ich denke es war einfach zu früh für sie. Ich habe versucht für sie da zu sein, so wie sie für mich.

Wir sind mittlerweile richtig gute Freunde und ich habe ihr auch sehr viel anvertraut. Alan hatte recht. Sie erinnert mich ein wenig an Peter Pan, denn sie kümmerte sich genauso mehr um andere Menschen als um sich selbst. An wen ich sie erinnere, wissen wir leider noch immer nicht, obwohl mich das eigentlich richtig interessieren würde.

An Peter Pan denke ich immer noch oft, aber es macht mich nicht mehr so traurig. Ich denke ich schaff es gut damit umzugehen, dank Alan. Ich wüsste nicht, was gewesen wäre, hätte ich der Therapie nicht zugestimmt.

Ich klopfte drei mal an der Tür des Therapie Zimmer's bis ich ein "Herein" hörte. Ich betrat das Zimmer und begrüßte Alan. Er lächelte mich an und ich nahm Platz. Dies sollte heute meine letzte Therapie hier sein, denn Morgen darf ich endlich nachhause. Danach muss ich allerdings noch regelmäßig zu Dr. Garroway, aber das störte mich nicht. Sicher ist sicher.

"Hallo Alec, wie geht es dir?" fragte er. Es erleichterte mich, dass ich diese Frage nun viel leichter beantworten kann als damals.

"Ganz gut, denke ich. Ich freue mich wieder nachhause zu können." meinte ich. Er nickte lächelnd. Ich lächelte zurück.

"Das freut mich zu hören. Wie du weißt ist das unsere letzte Therapiestunde und ich habe noch eine Aufgabe für dich." meinte er. Ich runzelte meine Stirn. Ich ging eigentlich davon aus, dass wir heute nur noch einige Dinge besprechen, die wichtig sind zu beachten, wenn ich zuhause bin, aber dies scheint wohl nicht der Fall zu sein.

Alan drehte sich um und holte Papier und Stift hervor. Was sollte das werden? Er hielt es mir hin und ich nahm es verwirrt.

"Ich möchte, dass du einen Brief schreibst." sagte er. Ich sah ihn verwirrt an. "An Peter Pan." ließ er mich wissen. Ich schluckte. Damit hatte ich nicht gerechnet.

"Wieso und was soll ich schreiben?" fragte ich. Was sollte mir das bringen?

"Ich möchte, dass du dich ein letztes mal verabschiedest. Schreib alles rein, wie du dich in den letzten Monaten gefühlt hast, wie es dir ohne ihn ging und was du ihm gern noch sagen möchtest, wenn du die Chance hättest." meinte ich. Ich sah auf das leere Blatt. Ich hatte das Gefühl, dass das nicht so leicht wird.

"Und was mach ich dann damit?" fragte ich.

"Was würdest du gerne mit diesem Brief machen?" antwortete er mit einer Gegenfrage. Ich überlegte und kurz darauf kam mir eine Idee.

"Ich würde ihn gerne in den Wald legen. Da wo wir uns immer getroffen haben." erklärte ich. Alan lächelte und nickte. Ich wusste nicht, wie es sein wird, nach so langer Zeit wieder in den Wald zu gehen. Wie würde sich das anfühlen.

"Du kannst nun gerne gehen und den Brief verfassen. Ich denke du wirst dafür ruhig einige Zeit benötigen. Morgen gehen wir dann gemeinsam in den Wald und legen ihn dorthin." meinte er. Ich nickte und bedankte mich. Ich stand auf und ging zurück in mein Zimmer.

Ich erschrak, als ich Camille auf meinem Bett lagen sah. Sie lachte nur. Das machte sie oft. Sie wartete immer wenn ich Therapie habe, und ich wartete auf sie. Ich seufzte und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Das Papier und den Stift legte ich auf den Tisch vor mir.

"Für was brauchst du das Papier? Wirst du jetzt Künstler?" fragte sie. Ich rollte lachen meine Augen und schüttelte meinen Kopf.

"Nein, ich soll einen Brief an Peter Pan schreiben." sagte ich. "Alan meinte, ich solle mich damit ein letztes mal verabschieden." erklärte ich.

"Brauchst du Hilfe?" fragte sie. Ich schüttelte meinen Kopf.

"Danke, aber ich denke, ich muss das alleine schaffen." meinte ich. Sie nickte lächelnd und stand auf.

"Gut, dann sehen wir uns beim Abendessen, Sportsfreund. Unser letztes Abendessen." sagte sie mir einem Schmollmund. Ich lächelte.

"Ich werde dich oft besuchen, Cami." meinte ich. Sie nickte lächelnd und verschwand aus meinem Zimmer. Nun widmete ich mich dem Brief. Ich starrte eine Weile auf das Blatt, bis ich erstmal rein kam. Sobald mir etwas einfiel, begann ich zu schreiben.

Lieber Peter Pan,
Es ist länger her, ich weiß und dennoch komme ich erst jetzt und verabschiede mich. Du fragst dich bestimmt wieso. Ich konnte es vorher einfach nicht. Weißt du, du warst mein Anker. Du hast mir geholfen in Zeiten wo es niemand anders konnte und als du gegangen bist, ist alles zusammen gebrochen. Ich konnte dir alles anvertrauen und das habe ich auch. Du wusstest alles von mir, außer von den Gefühlen, die ich für dich empfand. Weißt du noch, als du mir erklärt hast, was Liebe ist und wie sich das anfühlt? Genau da habe ich gemerkt, dass ich dich liebe, Peter Pan. Ich habe dich geliebt und das tue ich immer noch nur zerstört es mich nun nicht mehr.
Als du gegangen bist, hat es mich zerstört. Ich war fünf Monate lang in einer Psychiatrie, denn nichts in meinem Leben hatte noch einen Sinn. Nicht einmal mehr atmen. Ich habe aufgehört zu fühlen. Ich war kalt. Ich habe Menschen ausgeschlossen und habe aufgehört zu reden. Der schlimmste Schmerz ist von der Person verletzt zu werden, der man seinen Schmerz erklärt hat. Ich war nie wütend auf dich, eher auf mich. Es war meine Schuld, aber mittlerweile weiß ich, dass es einfach nur ein verzweifelter Versuch meines Verstandes war, mich zu retten. Sowie Dr. Garroway einst sagte: "Manchmal braucht man Fantasie um Realität zu überleben".
Ich habe dich immer angesehen, als wärst du ein Traum und später habe ich auch realisiert, dass du einer warst. Ich will nur, dass du weißt, dass ich dir alles gegeben hätte, was ich habe. Ich habe damals gehofft, dass du mich umarmen würdest und mir sagen würdest, dass du mich liebst, denn ich schaffte es nie, doch das tatest du nicht. Auch wenn ich in tausend kleine Teile zersprungen war, bin ich froh, dass meine Familie und vor allem ich, mich nicht aufgegeben hat. Ich weiß, du hättest es auch nicht getan. Ich würde dich so gerne noch ein letztes mal sehen, aber auf der anderen Seite hoffe ich, dass ich es nie wieder tue.
Mit diesem Brief möchte ich mich ein allerletztes Mal verabschieden. Danke, Peter Pan, für alles was du für mich getan hast.
In liebe, dein Alexander.

Ich faltete den Brief zusammen und wischte diese einzelne Träne, welche meine Wange runter rannte, mit einem ehrlichen Lächeln weg.

Peter Pan Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt