Es ist eine Woche vergangen und ich habe von den sieben Abenden, sechs im Wald verbracht. Naja, besser gesagt vor dem Wald. Peter Pan war auch jedes Mal hier. Er hat mir immer noch nicht seinen echten Namen verraten, aber das war okay. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt einen Freund namens Peter Pan zu haben.Wir redeten jeden Abend viel. Ich erzähle ihm meistens, was ich den ganzen Tag so gemacht habe. Er scheint auch tatsächlich darin interessiert zu sein. Er weiß auch, dass es mir zurzeit nicht sehr gut geht, aber warum weiß er nicht. Das konnte ich ihm noch nicht sagen. Nicht weil ich ihm nicht vertraue, sondern weil ich noch nicht darüber reden kann.
Mir fiel generell auf, dass wir meistens nur über mich reden. Er erzählte nicht wirklich etwas über sich. Ich meine, ich kenne ja nicht mal seinen echten Namen. Ich weiß nicht, ob er Geschwister hat oder wie alt er ist. Vor allem würde mich immer noch interessieren wieso er im Wald ist? Leider habe ich das Gefühl, dass er mir das nie sagen wird.
Gestern Abend war ich nicht bei ihm, da Alice bei mir war. Wir haben gemeinsam einen Film geguckt und sind eingeschlafen. Somit habe ich es nicht hinbekommen zum Wald zu laufen. Allerdings war ich nun wieder auf dem Weg dorthin. Irgendwie freue ich mich darauf ihn zu sehen. Es war das einzige auf das ich mich freute in den letzten Tagen.
Als ich ankam, setzte ich mich wie jedes Mal auf die Bank und schloss meine Augen. Schon kurz darauf spürte ich seine Anwesenheit neben mir. Mittlerweile setzte er sich schon immer neben mich und steht nicht mehr im Wald. Das war gut so, denn so konnte ich ihn ansehen.
"Hey." sagte ich mit geschlossenen Augen. Auf meinen Lippen war ein Lächeln.
"Du warst gestern nicht hier." stellte er fest. Ich bildete mir ein Traurigkeit in seiner Stimme zu hören. Langsam öffnete ich meine Augen und sah zur Seite. Er sah mich an und ich ihn.
Das Mondlicht glänzte in seinen Augen. Mir gefielen seine Augen. Sie waren fast wie Katzenaugen. Ich könnte sie die ganze Zeit betrachten, aber das würde eigenartig sein.
"Ja, tut mir leid. Alice und ich haben uns einen Film angesehen und sind dann eingeschlafen." ließ ich ihn wissen. Er nickte und lächelte sanft.
"Wie war dein Tag?" fragte er. Ich zuckte mit den Schultern und richtete meinen Blick zum Wasser. Ich war heute das Grab meiner Eltern und meines Bruders besuchen, aber ich konnte ihm das ja nicht erzählen. Davor zu stehen machte mich unendlich traurig. "Du bist sehr traurig." sagte er. Ich sah wieder zu ihm.
"Ich war heute an einem Ort, der mich traurig gemacht hat." gab ich zu. "Weißt du, jedes Mal wenn ich denke, dass ich gerade damit anfange es gut zu verarbeiten, kommt alles wieder zurück. Es ist wie ein endloses Loch." erklärte ich ihm. Ich war froh, dass ich ihm so etwas erzählen konnte.
"Es ist kein endloses Loch. Es wird vielleicht vielleicht etwas länger dauern, aber du wirst nicht für immer traurig sein." erklärte er mir. Ich seufzte und nickte. Ich weiß nicht wie er das macht, aber es ist so, als würde er immer genau das sagen, was ich hören muss. Es ist schon fast beängstigend.
"Mir ist aufgefallen, dass ich nichts von dir weiß." stellte ich fest. Ich fragte mich, ob er darauf eingehen wird oder nicht. Er zuckte mit den Schultern.
"Ich habe nie wirklich den Drang über mich zu reden, da du für mich viel interessanter bist, Benjamin." antwortete er. "Was möchtest du wissen?" fragte er. Ich überlegte. Es gab sehr viel, dass ich über ihn wissen möchte, aber mir war bewusst, dass er einige Nachrichten nicht beantworten wird.
"Hast du Geschwister?" fragte ich. Es war eine simple Frage. Etwas, dass jeder beantworten kann, ohne sich sorgen zu machen. Er lächelte.
"Nein, leider nicht." antwortete er. "Ich hätte aber gerne welche. Es kann echt einsam sein." erklärte er mir. Das kann ich gut verstehen. Ich wüsste nicht, wie mein Leben ohne meine Geschwister aussehen würde. Das muss doch eine langweilige Kindheit gewesen sein.
"Jetzt bist du wenigstens Abends nicht mehr einsam." meinte ich und lächelte mich liebevoll an. "Was ist dein Lieblingstier?" fragte ich. Das war auch noch eine sehr normale Frage.
"Katzen. Ich liebe Katzen über alles." meinte er mit einem fetten Grinsen im Gesicht. "Ich habe auch einen Kater. Sein Name ist Meow. Ein ganz ein zutraulicher Kater." fügte er hinzu. Ich lächelte. Man konnte sehen wie sehr er diesen Kater liebt.
"Wie sieht's mit deiner Familie aus? Also mit deinen Eltern und deinem Partner?" fragte ich. Das war schon eher eine riskante Frage. Würde er mich diese Frage fragen, würde ich wahrscheinlich in Tränen ausbrechen.
"Partner? Denkst du ich wäre jeden Abend hier, wenn ich einen Partner habe?" fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. Das dachte ich mir schon, aber ich wollte es nur nochmal von ihm hören. "Das mit meiner Familie ist ein wenig komplizierter. Ich denke nicht, dass dich das alles interessiert." meinte er. Ich runzelte meine Stirn.
"Ich würde nicht fragen, wenn es mich nicht interessiert." antwortete ich. "Du musst nicht darüber reden wenn du nicht willst, aber du kannst mir vertrauen. Das musst du wissen." ließ ich ihn wissen. Er nickte und lächelte liebevoll.
"Naja, ich hatte eigentlich ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, aber dann starb meine Mutter. Sie hatte sich das Leben genommen." erzählte er. Mein Herz zog sich zusammen und ich schluckte.
"Das tut mir so leid." sagte ich, doch er schüttelte seinen Kopf.
"Es ist lange her. Auf jeden Fall hat sich danach mein Vater verändert. Er respektierte mich zwar, aber nur solange ich das tat was er will. Manchmal fühlte ich mich wie sein Gehilfe." meinte er. Ich seufzte. Ich hatte Mitleid mit ihm, immerhin hat er anscheinend auch viel durchgemacht.
"Das muss schlimm für dich gewesen sein." sagte ich und er zuckte mit den Schultern. "Zumindest hat es dich zu dem gemacht was du bist, und ich mag dich, so wie du bist." meinte ich und er lächelte traurig.
"Ich mag dich auch, Benjamin." erwiderte er. Ich sah auf meine Uhr und bemerkte, dass die Zeit ziemlich schnell verflogen war. Ich müsste morgen wieder arbeiten und ich sollte davor noch Schlaf bekommen."Ich denke ich muss dann mal gehen." sagte ich mit einem traurigen Unterton. Er nickte verständnisvoll und wir beide standen auf. "Wir sehen uns morgen, Peter Pan." sagte ich. Er grinste.
"Bis morgen, Benjamin." antwortete er.
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Peter Pan
Mystery / ThrillerWIRD ZURZEIT BEARBEITET "Ich will nicht, dass du gehst." seufzte Benjamin. Peter, oder was auch immer sein echter Name war, nickte. "Ich möchte auch nicht gehen." sagte er. "Aber manchmal muss man Opfer erbringen für die, die man liebt." sagte er...