Kapitel 2

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Benjamins POV

Ich starrte in meine Schüssel, die mit Müsli gefüllt war. Sie war halb leer, denn die Hälfte habe ich schon gegessen. Auch wenn es nicht viel war, bekam ich den Rest nicht mehr runter. Ich hatte keinen Hunger und das schon seit einer Woche. Würde mir Alice, meine beste Freundin, nicht zwei mal täglich schreiben, dass ich essen soll, würde ich wahrscheinlich nicht einmal daran denken.

Alice meinte, dass sie heute vorbei kommen will um nach mir zu sehen. Sie wollte um fünf Uhr kommen und nun war es zehn Minuten vor Fünf. Ich möchte gar nicht wissen wie ich aussehe, denn ich habe mein Bett bis vor zwanzig Minuten nicht verlassen. Außer wenn ich auf die Toilette musste, aber da ich auch nicht wirklich viel getrunken habe, kam das auch nicht oft vor.

Auch Jacob hatte mir gestern, spät Abends, nochmal geschrieben und gefragt ob es mir gut geht, aber da ich relativ früh eingeschlafen bin, habe ich das erst heute Morgen gelesen. Ich antworte Ja, denn ich wollte nicht, dass er sich Sorgen macht. Er wird sich wahrscheinlich denken können, dass es mir nicht gut geht, immerhin haben wir beide unsere Eltern verloren. Dazu noch meinen kleinen Bruder, der mir unheimlich viel bedeutet.

Ich erschrak, als es an der Tür klopfte. Ich sah auf die Uhr, es war drei Minuten vor Fünf. Seufzend stand ich auf und ging zur Tür. Ich öffnete sie und wie erwartet stand Alice davor. Sie hatte ihre langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie sah schön aus, wie immer. Sie lächelte traurig und umarmte mich sofort. Ich erwiderte die Umarmung.

Alice und Ich haben sich bei der Arbeit kennengelernt. Wir haben beide in der gleichen Sonderschule unterrichtet. Sie hatte die Nebenklasse und somit haben wir uns angefreundet. Wir haben uns oft ausgetauscht, denn es ist nicht immer einfach mit beeinträchtigten Kindern zu lernen, aber zusammen klappte es besser. Zuerst waren wir nur Kollegen, aber dann kamen wir uns näher. Ich konnte ihr alles anvertrauen und sie mir. Daraus wurde halt nun unsere beste Freundschaft.

Bei der Arbeit war ich nun seit einer Woche nicht mehr. Zum Glück war das okay, denn meine Klasse wird solange suppliert. Allerdings muss ich bald zurück. Es wird schwer auf glücklich zu tun, vor den Kindern, aber ich muss.

"Hey, du siehst echt nicht gut aus." meinte sie, nachdem sie mich losgelassen hat. Das dachte ich mir.

"Vielen Dank auch." sagte ich und ging wieder in meine Küche. Meine Schüssel stand immer noch auf dem Tisch, aber ich fühlte mich nicht danach sie wegzuräumen. Alice kam ebenfalls rein und seufzte.

"Ist das alles was du heute gegessen hast?" fragte sie, während sie ihre schwarze Lederjacke auszog. Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich auf mein Sofa fallen. Meine Wohnung war eher klein, deswegen war dieser eine große Raum die Küche, Esszimmer und Wohnzimmer. Es reicht für mich alleine. Immerhin habe ich ja niemanden an meiner Seite. Ich meine ja, ich habe Alice, aber sie ist nicht ständig da und sie hat selber einen Freund.

"Benji, ich weiß, du bist gerade nicht du selbst, aber du musst auf dich achten." sagte sie und nahm die Schüssel. "Und wenn du es wirklich nicht mehr isst, dann räum es wenigstens weg, denn ich will nicht, dass du ein Messi wirst." meinte sie und hielt mir die Schüssel hin. Ich verdrehte die Augen und nahm sie.

"Geht klar, Mom." sagte ich und leerte das Müsli weg. Alice seufzte und setzte sich auf das Sofa. Ich drehte mich zu ihr und sie deutete auf den Platz neben ihr. Unmotiviert ging ich zu ihr und setzte mich neben sie.

"Hör zu, was passiert ist, ist schrecklich und es völlig normal sich so zu fühlen. Ich kann mir nicht mal vorstellen wie genau du dich fühlst. Es ist okay, wenn du eine Auszeit brauchst, und ich werde da sein, egal wann. Du musst mir nur schreiben." sagte Alice und legte eine Arm um mich. Ich seufzte und legte meinen Kopf auf ihre Schulter.

"Danke." antwortete ich und sie lächelte. "Weißt du, es ist wie, als hätte man mir ein dreiviertel meines Lebens weggenommen." gab ich zu. Genau so fühlte es sich an. Da war nur noch dieses viertel und das waren meine anderen zwei Geschwister und Alice. Mehr war da nicht mehr. Nichts, an dem ich mich festhalten könnte.

"Oh man, ich wünschte ich könnte dir dieses Gefühl nehmen." sagte sie und ich schüttelte meinen Kopf.

"Nein, das wünsche ich niemanden." meinte ich und sie sah mich traurig an. "Wollen wir uns ablenken? Mit einem Film?" fragte ich und sie nickte. Sie nahm meine Fernbedienung und machte etwas auf Netflix an. Es war ein Liebesfilm, und daran erkannte man, dass sie den Film aussuchte. Nachdem der Film aus war, wollte sie auch schon wieder gehen, da es ungefähr halb acht war.

"So schlimm war der Film gar nicht." meinte sie verteidigend und ich lachte.

"Gut, war der jetzt aber auch nicht. Dann ist sie halt groß, das ist viel zu übertrieben dargestellt." meinte ich und sie boxte mich, was mir ein kleines Lächeln entlockte.

"Da ist es ja. Ich habe es vermisst." meinte sie. Ich umarmte sie und dann verabschiedete sie sich. Ich wollte ich wieder in mein Bett legen, aber irgendwie fühlte ich mich nicht danach.

Ich sah nach draußen. Es war schon dunkel, aber ich wollte raus. Einfach frische Luft tanken, also schnappte ich mir meine Jacke und machte mich auf den Weg. Ich begab mich zu der Sitzbank, die in der Nähe des Flusses war. Nachts ist es dort immer gruselig, denn hinter der Bank war ein großer, weiter Wald. Mich störte das allerdings nicht, denn somit sind nie Leute dort. Manche sagen sogar, dass dieser Wald verflucht sei.

Ich saß oft dort als ich kleiner war und mit meinen Eltern oder Geschwistern gestritten habe. Dort konnte mich Anfangs nie jemand finden, doch nachdem ich mich öfter versteckt habe, wusste meine Familie von dem Platz. Nun war ich schon länger nicht mehr dort, aber ich vermisste es.

Als ich ungefähr fünfzehn Minuten später ankam, setzte ich mich seufzend auf die Bank. Für den Weg brauchte ich ab und zu eine Taschenlampe, denn manchmal konnte man nicht sehen, wo man lang geht. Früher bin ich oft gestolpert.

Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Ich hörte dem Rauschen des Wassers zu und genoss es. Im Wald hinter mir hörte ich die Tiere, die man immer hörte. Rehe, Vögel, wer weiß, vielleicht auch Wildschweine. Ich öffnete meine Augen, und sah etwas helles vor mir fliegen. Ein Glühwürmchen. Ich schmunzelte, denn es war wunderschön.

Es flog herum und ich verfolgte es mit meinem Blick. Ich drehte mich, als es in den Wald flog. Von weitem sah ich im Wald mehrere Glühwürmchen, die den Wald ein wenig erhellten. Nicht viel, aber ein bisschen. Sie schwirrten herum, doch als ein wenig zur Seite flogen, sah ich etwas ungewöhnliches. Es sah fast so aus wie eine Menschengestalt. Mein Herz begann zu rasen, denn es war schon ein wenig gruselig. Ich blinzelte einmal und plötzlich war es weg. Als ich genauer hinsah, sah es eher aus wie ein Baum.

Ich schüttelte meinen Kopf. Okay Benjamin, Zeit schlafen zu gehen.

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