Ich saß wie gestern im Lehrerzimmer und versuchte mich auf meine Arbeitskollegen zu konzentrieren. Der Unterricht war eigentlich schon längst beendet, aber wir hatten noch eine Konferenz. Da besprechen die ganzen Lehrer das wichtigste. Normalerweise melde ich mich oft zu Wort, aber ich fühlte mich nicht danach. Ich saß eher still am Tisch und hörte zu. Leider fiel mir auch das schwer, denn oft versank ich in meinen Gedanken.
Ich dachte ständig an diesen mysteriösen Mann, der gestern Abend einfach wieder verschwunden ist. Fast so, als hätte er sich aufgelöst. Ich verstehe einfach nicht, wieso er immer wieder verschwindet und sich nicht zeigt. Es ist so seltsam.
"Benjamin?" sagte jemand und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich sah auf und bemerkte, dass alle Mitarbeiter mich anstarrten, auch Alice. Wobei sie eher besorgt aussah. Viktor - der Direktor der Schule sah mich erwartungsvoll an. Ich räusperte mich.
"Ähm, tut mir leid. Was gibt es?" fragte ich während ich mir mit zwei Fingern die Schläfe massierte. Gott, hatte ich Kopfschmerzen.
"Geht es Ihnen gut?" fragte er. Ich blinzelte einige Male und nickte dann. Wie unangenehm.
"Ja, alles bestens." meinte ich. Er sah mich ein wenig skeptisch an, führte dann aber fort. Ungefähr zehn Minuten später war die Konferenz vorbei. Ich packte alles zusammen, hing mir meine Tasche um und begab mich aus dem Lehrerzimmer. Ich konnte es kaum erwarten nachhause zu kommen.
"Benji, warte!" schrie mir Alice nach. Ich blieb kurz stehen und drehte mich um. Sie kam angelaufen und stellte sich neben mich. Gemeinsam gingen wir weiter. "Du siehst ziemlich fertig aus." stellte sie fest. Wow, danke, dachte ich.
"Ich hab nur Kopfschmerzen. Ich lege mich zuhause schlafen und dann geht's mir wieder gut." antwortete ich. Alice hob ihre Augenbraue.
"Ich habe das Gefühl, dass du in letzter Zeit leider gar nicht mehr schläfst." meinte sie. Ich seufzte. "Hast du in den letzten Tagen mit Sofia oder Jacob gesprochen?" fragte sie. Ich sah sie verwirrt an und zuckte mit den Schultern.
"Ab und zu. Sie haben selbst Probleme, Alice." antwortete ich schnippisch. Sie sah mich überrascht an. "Tut mir leid, ich wollte nicht unfreundlich sein." seufzte ich. Sie stoppte und hielt meine Hand fest. Ich sah ihn ihre Augen, die mich besorgt anglänzten.
"Ben, du bist mir wichtig. Sehr wichtig und ich möchte dir nur helfen." meinte sie und ich nickte. Das wusste ich. Alice war immer so und würde sie so drauf sein, würde ich das gleiche tun. "Versprich mir einfach, dass du dich zuhause hinlegst." fragte sie.
"Ja, werde ich. Versprochen." antwortete ich. Sie lächelte mich an und nahm mich in den Arm.
"Ich hab dich lieb, Benji." sagte sie liebevoll.
"Ich dich auch." erwiderte ich und ließ sie los. Wir verabschiedeten uns und ich machte mich auf den Weg nachhause. Es war kühl, aber nicht zu kühl. Ich mochte dieses Wetter. Perfekt für Hoodies.
Zuhause angekommen nahm ich etwas gegen die Schmerztabletten und ließ mich sofort ins Bett fallen. Ich wollte am liebsten einschlafen, doch ich konnte nicht. Ich wollte so gerne zurück in den Wald. Ich fragte mich, ob er vielleicht auf mich wartet. Vielleicht erwartet er ja, dass ich komme. Außerdem wollte ich unbedingt wissen, wer er war.
Nachdem ich mich zwei Stunden lang hin und her gewälzt habe, sah ich es für sinnlos. Ich stand also auf und machte mich auf den üblichen Weg. Die Sonne war schon untergegangen und das war gut. Mein Gefühl sagte mir, dass er nur bei Dunkelheit hier war. Ansonsten könnte ich sehen, und so einfach funktioniert das nicht.
Ich setzte mich auf die Bank und wartete bis ich das übliche Geräusch hinter mir im Wald hörte. Ich drehte mich und da stand er wieder. Ich war froh ihn zu sehen. Ich wusste nicht wieso, es war einfach so.
"Du bist hier." sagte er. Ich stand auf und ging hinter die Bank. Ich tat dies allerdings langsam, um ihn nicht zu verschrecken. Ich lehnte mich gegen die Lehne, denn ich wollte nicht weiter auf ihn zugehen. Ich dachte mir, dass es seine Entscheidung ist, wie nah er mir kommen möchte.
"Ja, das bin ich." meinte ich.
"Herzen sind da, um gebrochen zu werden." sagte er und ging einen Schritt auf mich zu. Verwirrt sah ich ihn an. Wie kam er auf das und was meinte er?
"Wovon redest du?" fragte ich.
"Du bist hier, weil dein Herz gebrochen ist." meinte er und ging einen weiteren Schritt auf mich zu. Das war wahr. Mein Herz war gebrochen. Wie könnte es noch ganz sein, nachdem ich die Menschen verloren habe, die mir am meisten bedeutet haben. Ich frage mich nur, woher er das weiß.
"Und was willst du mir damit sagen?" fragte ich. Ich konnte ihn atmen hören, was mir zeigt, dass er näher ist als je zuvor.
"Ein gebrochenes Herz ist nichts Schlechtes." sagte er und ging erneut einen Schritt näher. Er war so nah, dass er nur noch ein wenig nach vorne musste, damit ich ihn erkenne. "Ganz im Gegenteil sogar, es ist etwas Gutes." sagte er und ging seinen letzten Schritt nach vorne.
Zum ersten Mal konnte ich sein Gesicht sehen. Klar, ich sah es nicht so gut wie am hellen Tag, aber ich konnte es sehen. Er war asiatisch und seine Augen waren schwarz geziert. Seine schwarzen Haare waren lagen, er trug einen Mittelscheitel und seine Augen schienen schön im Mondlicht. Er sah schön aus. Sehr schön.
"Was meinst du?" fragte ich erstaunt. Nun wusste ich zumindest, dass er ein Mensch ist, und kein böser Geist oder sonstiges.
"Unsere Herzen müssen erst gebrochen werden, um stark zu sein." erklärte er. "Wenn du nie die Erfahrung mit Schmerz machst, kannst du nicht behaupten, dass du stark bist." fuhr er fort. Er war weise. Sehr weise. Das was er sagte machte Sinn und war wahr.
"Wurde dein Herz schon mal gebrochen?" fragte ich. Er kam wieder einen Schritt näher und stand nun vor mir. Er betrachtete mich, denn ich gehe davon aus, dass er mich auch nicht sehr gut vom Wald aus sah. Wahrscheinlich besser als ich ihn.
"Nicht nur einmal." meinte er. "Aber nun weiß ich, wie ich damit umgehen kann." erklärte er. Erst jetzt bemerkte ich, dass er Nagellack trug. Schwarzen Nagellack. Auch das stand ihm sehr gut.
"Wieso sagst du mir das?" fragte ich. Sein Mundwinkel ging ein wenig nach oben.
"Weil du das vielleicht hören musstest." sagte er. Er hatte Recht. Es fühlte sich gut an, das zu hören. "Ich wünschte ich könnte länger bleiben, aber ich muss gleich wieder zurück." ließ er mich wissen. Ich wollte fragen wo er wohnt, aber das fühlte sich nicht richtig an.
"Kommst du morgen wieder?" fragte ich. Er lächelte leicht. Ich mochte sein Lächeln. Es war schön und sah ehrlich aus.
"Ich bin immer hier." sagte er. "Wirst du denn hier sein?" fragte er und ich nickte. "Dann sehen wir uns Morgen." sagte er und drehte sich wieder um, um in den Wald zu gehen. Ich sah zu wie er im Wald verschwand und ich fragte mich, wo er wohl hingeht. Musste er erst durch den ganzen Wald laufen, damit er nach Hause kommt? Er war so mysteriös, dass es mir normalerweise eigenartig vorkommen würde, aber bei ihm war das einfach nicht der Fall.
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Peter Pan
Mystery / ThrillerWIRD ZURZEIT BEARBEITET "Ich will nicht, dass du gehst." seufzte Benjamin. Peter, oder was auch immer sein echter Name war, nickte. "Ich möchte auch nicht gehen." sagte er. "Aber manchmal muss man Opfer erbringen für die, die man liebt." sagte er...