Ich saß im Lehrerzimmer und starrte vor mich hin. Es war Dienstag und ich hatte meine letzte Stunde schon längst hinter mir. Dennoch musste ich noch hier bleiben um ein paar Sachen auszusortieren. Mittlerweile war es schon spät.
Zu viele Sachen gingen mir durch den Kopf. Das Gespräch mit Dr. Garroway hat mich verwirrt und ich verspüre diesen ständigen Druck in mir der alles in Frage stellt. Ich fühlte mich so unverstanden.
Heute Abend würde ich Peter Pan hoffentlich wieder sehen und ich habe vor mehr auf alles zu achten. Ich wollte, dass er echt war. Ich wusste, dass er echt war. Ich kann mir so etwas nicht einbilden, oder?
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als jemand das Lehrerzimmer betrat. Im Augenwinkel konnte ich blonde Haare entdecken und als ich aufsah, bestätigte sich meine Vermutung. Alice.
Sie sah mich mit einem traurigen Ausdruck an, aber ich wendete meinen Blick ab. Ich kramte alle meine Papiere zusammen, packte sie ein und stand auf. Ich wollte nicht mit ihr reden und ich denke, dass sie das soweit verstanden hat, denn als ich vorbei ging, verlor sie kein Wort.
Es tat weh sie nicht mehr zu haben, aber es ist das beste. Die Wut, die ich in mir verspüre, würde immer im Weg stehen. Sie hat mich verraten. Sie hat ihr Versprochen gebrochen. Wie sollte ich ihr das verzeihen.
Ich machte mich also auf den Weg nachhause, allerdings blieb ich dort nur kurz um meine Sachen abzulegen und machte mich schon sofort auf den Weg zum Wald.
Der Unterschied war, dass ich nicht zur üblichen Stelle ging. Ich kenne noch eine andere Bank, die allerdings auf einer anderen Seite stand. Sie war nicht so schön wie meine Bank, aber das machte in diesem Fall nichts.
Dieses Mal ging ich 20 Minuten statt 15 Minuten. Ich sah mich um. Hier sah der Wald doch sehr gruselig aus. Ich setzte mich auf die Bank.
Hier gab es keinen Fluss. Hier gab es eigentlich nichts. Ich lehnte mich zurück und starrte in dieses „nichts", als ich hinter mir ein Rascheln hörte. Ich drehte mich nicht um. Irgendwie hatte ich doch Angst.
„Hey." sagte plötzlich jemand neben mir und erschreckte. Ich hielt meine Hand auf mein schnell pochendes Herz. Ich sah zur Seite und da saß Peter Pan. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken." meinte er. Ich schluckte.
Wie wusste er, dass ich hier bin? Er konnte es nicht wissen, dennoch sitzt er neben mir, als wäre es der normale Standort. Ich sah ihn verwirrt an.
„Eh- ja, alles gut." sagte ich. Er lächelte.
„Wie war das Gespräch mit dem Therapeuten?" fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. Das wusste ich leider selbst nicht so ganz.
„So wie ich es mir vorgestellt habe. Er fragte Fragen und versuchte in mein Inneres zu sehen." ließ ich ihn wissen. Er nickte.
„Vielleicht hilft er dir ja." sagte er und ich sah verwirrt zu ihm. „Den Tod zu verarbeiten, weißt du?" fügte er hinzu. Ich seufzte.
„Mein Leben ist zurzeit ziemlich verrückt. Ob da wirklich jemand helfen kann weiß ich nicht." ließ ich ihn wissen. Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. Auch er starrte in das Nichts.
„Wenn ich eines im Leben gelernt habe, dann das es immer weiter geht. Niemand kann das verhindern. Du lebst, egal was passiert." teilte er mir mit.
„Außer die, die sich das Leben nehmen." meinte ich. Er nickte und sah traurig nach unten. Oh, das war unsensibel. „Oh, tut mir leid. Ich habe nicht an deine Mutter gedacht." sagte ich. Er schüttelte seinen Kopf.
„Nein, entschuldige dich nicht. Es ist okay." sagte er. „Du hast Recht, für manche Menschen ist das, das schlimmste." meinte er.
„Schön ist es zurzeit bestimmt nicht." murmelte ich leise. Peter sah auf und drehte sich zu mir.
„Schlimme Dinge passieren, und man kann nichts dagegen tun, oder?" fragte er. Ich nickte stumm. „Nein, eben nicht. Wenn das Leben zu schlägt, dann wärst du dich mit ganzer Kraft" sagte er.
„Du kämpfst und gibst nicht auf. Du machst weiter, egal wie schwer es wird. Dafür wurden wir geboren und ich weiß, dass du das kannst." sagte er. Ich sah zu Boden. Hier war es wieder. Genau das was ich hören musste. „Was ist los, Alexander?" fragte er.
„Nichts, ich.. - es war einfach ein anstrengender Tag." erklärte ich. Peter nickte.
„Schläfst du wieder schlecht?" fragte er. Ich zuckte mit den Schultern.
„Manchmal." ließ ich ihn wissen. Ich wollte ihm nicht erzählen, was mir auf der Seele lag. Wie sollte ich ihm denn erklären, dass ein kleiner Teil in mir seine Existenz anzweifelt? Sowas kann ich ihm einfach nicht erklären. Er seufzte und legte seine Hand auf meine. Ich genoss es. Ich genoss seine Berührungen.
Von weitem konnten wir plötzlich Musik hören. Es hörte sich an wie.., Jahrmarkt-musik. Stimmt, zurzeit gehen die Jahrmärkte wieder los. Peter sah grinsend zu mir.
„Möchtest du tanzen?" fragte er. Ich runzelte meine Stirn. Das konnte er nicht ernst meinen, oder?
„Ich denke nicht, dass das Musik zum Tanzen ist." erklärte ich und er zuckte mit den Schultern. Er stand auf und hielt mir seine Hand hin. Zögernd nahm ich sie an.
„Ich eh- ich kann nicht tanzen." gab ich leise zu. Peter lachte.
„Das macht nichts! Folge einfach meinen Schritten." sagte er. Er zog mich nah an sich und begann sich zu bewegen. Ich machte ihm nach und ich denke, dass es gar nicht so schlecht war.
Es passte nicht wirklich zu der Musik aber ich genoss es. Ich genoss seine Nähe. Die Ruhe. Die Harmonie. Es fühlte sich an, als wäre es ein Abschiedstanz auf einem Ball.
Ich folgte jedem seiner Schritte. Er stand so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Ich hätte das ewig weiter machen können.
Irgendwann blieben wir stehen und sahen uns an. Unsere Lippen waren nah. Zu nah. Ich müsste mich nur ein wenig bewegen und meine Lippen würden auf seinen liegen.
Gerade als ich den Mut zusammen nahm und es wagen wollte, schritt er zurück. Ich sah ihn erschrocken an. Er räusperte sich.
„Ich sollte gehen." sagte er und drehte sich um. Er lief in den Wald, und schon hab ich ihn aus den Augen verloren.
Ich stand einfach nur da. Mein Herz krampfte. Es war fast schmerzhaft.
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Peter Pan
Mystery / ThrillerWIRD ZURZEIT BEARBEITET "Ich will nicht, dass du gehst." seufzte Benjamin. Peter, oder was auch immer sein echter Name war, nickte. "Ich möchte auch nicht gehen." sagte er. "Aber manchmal muss man Opfer erbringen für die, die man liebt." sagte er...