Ich hab auch noch was zu erledigen.

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Ein Klopfen an der Haustür ließ uns beide aufblicken und ich drehte mich zum Inneren des Wohnzimmers.
"Vielleicht bringt dich das", ich deute auf seinen MP3-Player, "ein bisschen zur Ruhe."

Die untergehende Sonne tauchte den Wald um das Anwesen der Sakamakis in dunkle Schatten und nur die obersten Blätter der Bäume bekamen noch ein paar orange-goldene Strahlen ab. Das Gebäude lag schon in dämmerlicher Dunkelheit als die Limosine durch das Tor fuhr und vor dem Haupteingang hielt. Es brannte kein Licht, man erkannte nichtmal den schwachen Schein einer Kerze, aber trotzdem wusste ich, der Erfahrung bedingt, das die Bewohner des Hauses jetzt erst richtig wach wurden.
Shû hatte während der gesamten Fahrt kein Wort gesagt, nur mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen dagesessen. Ich wusste nichtmal, ob er geschlafen oder die ganze Zeit nachgedacht hatte.
Als der Chauffeur ausstieg, berührte ich den Blonden sanft an der Schulter und Shû öffnet sofort seine Augen. Ich lächele ihn aufmunternd an, was er versucht zu erwiedern, doch er merkte selbst, das ihm das nicht gelang und ließ es dann bleiben.

"Hey, hey, hey. Wenn das mal nicht unsere ausgeflogenen Täubchen sind." Raito stand am oberen Ende der Treppe im Foyer, schaute auf uns hinab und hatte das gewohnte Grinsen im Gesicht. Auf den ersten Blick hatte sich hier nichts verändert.
Shû erwiederte nichts, schenkte seinem jüngeren Halbbruder einen halbherzigen Blick und verschwand dann von einer Sekunde auf die Nächste.
"Stehst du etwa schon den ganzen Tag hier, nur um uns so begrüßen zu können?", frage ich den Hutträger, nachdem ich noch kurz auf die Stelle gestarrt hatte, an der Shû einen Moment zuvor noch stand.
"Nein, habe nur den Wagen vorfahren hören und wollte sehen, wer in unser Haus spaziert.", er grinst weiterhin.
"Erwartet ihr Besuch?" Ich ging näher auf die Treppe zu, um Raitos Gesicht, seine Mimik bei seiner Antwort, besser sehen zu können.
"Wer weiß?", säuselt er und deutet danach mit einer eleganten Handbewegung auf den leeren Platz neben mir, "Warum ist dein Kater so mies gelaunt?"
Oh nein, so läuft das hier nicht.
"Wer weiß?", ich zucke mit den Schultern. Das Grinsen des Vampirs wurde eine Spur breiter.
"Du weißt, wie man spielt. Na schön, ich verrat dir was." Er kommt mir auf der Treppe entgegen, "Wir erwarten tatsächlich Besuch."
Ich zog eine Augenbraue hoch.
Raito gluckste.
"Eine neue Opferbraut?"
Der Hutträger schnalzt mit der Zunge.
"Nicht ganz. Der Priester persönlich will sich in unser trautes Heim wagen."
"Yui's 'Vater'?"
Was will der alte Priester hier? Was verschlägt ihn in dieses Haus, an das er seine 'Tochter' verschenkt, geopfert, hat?
Mein Gegenüber nickt und auf meine Frage nach dem Grund zuckte er nur mit den Schultern und meinte, Reiji wüsste mehr. Dann hab ich ja jetzt schon zwei Gründe, dem Schwarzhaarigen einen Besuch abzustatten.
"Bekomm ich auch eine Antwort?" Raito wackelt mit den Augenbrauen.
"Ja... er hat noch was mit eurem Vater zu klären, meint er."
"Ah~ dann kann ich seine Laune sogar nachvollziehen."

Eine dringende Bitte verschlug mich noch am selben Tag vor die Tür zu Reijis Labor. Das Klopfen an der Tür klang unangenehm laut in dem sonst leergefegten Flur. Ich hörte seine Schritte, dann ging die Türklinge runter und der Schwarzhaarige stand mir gegenüber; schaute mich grimmig an.
Ja, hier hatte sich auch auf den zweiten Blick nichts verändert.
"Guten Abend, Reiji-san."
Der Angesprochene erwiedert meinen Blick, seuftzt dann und schiebt seine Brille zurecht, bevor er einen halben Schritt zur Seite tritt und mich in das Zimmer lässt.
"Was kann ich für dich tun?"
"Ich habe eine Bitte an dich."
"Damit habe ich bereits gerechnet. Worum handelt es sich?"
Die kleine Konversation folgte erst, nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte. Ich sah ihn an, studierte seinen Blick. Etwas an ihm war doch anders. Diese dezente Angriffslust mir gegenüber war aus ihm verschwunden; er behandelt mich beinahe normal. Fast so, als würde er aufpassen, mich nicht zur Weißglut zu treiben.
Sonderbar.
"Ich möchte... also... Bitte unterrichte mich im Fechten."
Reiji blinzelte ein paar Mal, als wäre er tatsächlich mal überrascht.
"Stimmt was nicht?", frage ich nach, als er nicht antwortete und mich nur unverwandt durch seine roten Augen ansah.
"Nein, alles in bester Ordnung. Ich dachte nur, du würdest mich darum bitten, dir zu helfen diese eigenartige Macht in dir auszutreiben."
Gar kein dummer Gedanke. Aber...
"Für das, was ich vorhabe, brauche ich diese Macht noch."
"Und das wäre?"
"Ich will den Hunde-Clan auslöschen."
Der Schwarzhaarige sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
"Sie haben mit Sicherheit einen neuen Nachfolger gewählt, nachdem ich ihren Prinz getötet habe. Ich habe zwar als Kind Fechtunterricht bekommen, allerdings ist das über zehn Jahre her und ein komplett anderes Niveau. Ich bitte dich, Reiji-san, bring mir das Fechten bei."
Als ich mich verbeuge, höre ich, wie er tief ein- und wieder ausatmet. Er schweigt und als ich aufblicke, bemerke ich das sein Blick gar nicht auf mir ruht, sondern auf der dunklen Nacht außerhalb des Gebäudes.
"Ich weiß, ich wollte nie wieder ins Land der Katzen und Hunde zurück, aber seid gerauner Zeit läuft mir immer wieder ein Schauer über den Rücken. Diese Macht... sie spürt etwas. Sie spürt, das sich mir etwas gefährliches nähert und wenn es sich mir nähert, seid auch ihr in Gefahr. Also, bitte. Ich-", der Schwarzhaarige brachte mich zum Schweigen, indem er eine Hand hob.
"Der faule Nichtsnutz bringt mich um, wenn ich das tue."
"Was...? Warum sollte er...? Hä?"
Das es zu kleinen Missverständnissen kommen könnte, wenn Shû sieht, das sein Bruder einen Degen gegen mich richtet, ist mir auch klar. Aber deshalb würden hier noch längst keine Köpfe rollen.
Oder?
"Weißt du es etwa nicht?", fragt er.
"Was denn?"
"Er hat es dir nicht gesagt?", fragt er wieder.
"Nein?", antworte ich mit einer Gegenfrage.
"Dann hat er es wahrscheinlich selbst nicht bemerkt."
"Wovon zum Teufel sprichst du eigentlich?"
Seine Augen schnippen auf mich, scannen mich einmal ab, dann seuftzt er.
"Er ist wirklich zu nichts zu gebrauchen. Wenn er nichtmal das bemerkt hat."
"Rede nicht so schlecht von ihm.", gebe ich zurück und spüre eine aufkommende Hitze in meinem Nacken.
Beruhige dich.
Du darfst ihn nicht angreifen.
So war er doch schon immer.
Beruhige dich.
Ein kurzes Pochen im Nacken, dann im Bauchraum und dann verspürte ich hunger. Hatten mich Gefühlsausbrüche schon immer hungrig gemacht?
Reiji schien bemerkt, oder erahnt, zu haben, was in mir vorgeht.
"Es gibt gleich Essen. Danach möchte ich mit dir und Shû reden. Hier."
"Aber Reiji-san..."
"Nach dem Essen. Hier.", wiederholt er mit Nachdruck und deutet dann auf die Tür. Als ich mich wieder außerhalb des Raums befand bemerkte ich, das er mir noch nicht gesagt hatte, ob er mir Unterricht im Fechten geben wird. Wie immer hatte der Zweitälteste nur in Rätseln gesprochen.

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Hallo meine Cookies!

Man hört auch mal wieder was von mir.😁

Es liegen zwar noch ein paar Kapitel vor uns, aber ich kann behaupten, das es so langsam aber sicher aufs Finale zugeht. 🥳

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen!
Bis zum nächsten Kapitel.

Eure _Sylfaen_

Dance with the starsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt