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„Was ist das Problem?"
Myalo sah mich entnervt an und deutete auf den Stein zwischen uns: „Beweg den verdammten Stein! Das kann doch nicht so schwer sein."

Ich presste die Lippen aufeinander und fokussierte mich auf den grauen Stein vor uns. Wir beide saßen im Schneidersitz auf dem Waldboden, im Schatten eines Baumes. Myalos Augen waren rabenschwarz ohne das Licht der Sonne und funkelten mich ungeduldig an. Gleichzeitig zupfte er mit einer Hand frustriert Gras aus dem Boden.
Das machte mich kirre.

„Kannst du das bitte sein lassen?", fragte ich ihn und sah von dem Stein zu meinem Trainer.
Er zupfte ohne Inne zu halten weiter: „Ich höre auf, wenn du es schaffst den Stein zu bewegen."
„Was wenn ich einfach in den Geist anderer eindringen kann und das war's?"
„Du bist wie ich. Das spüre ich. Du kannst diesen Stein bewegen du strengst dich nur nicht genug an!"
Ich stieß die Luft aus und bedachte den Stein erneut
Beweg dich, beweg dich, beweg dich!

„Es nützt nichts ihn einfach anzustarren.", Myalo warf das Büschel, das er gezupft hatte weg und begann von Neuem, „Du musst nach deiner Magie greifen und sie den Stein aufzwingen. Das ist kein Lebewesen also auch null Widerstand."
Er wiederholte das jetzt zum zehnten Mal.
„Ich weiß"
„Nein weißt du nicht.", er rieb sich die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen, „Wenn du es wüsstest, würde es funktionieren!"

Ich gab es auf den Stein bewegen zu wollen und sah stattdessen zu der sonnigen Wiese vor uns. Ein paar Blumen wuchsen noch auf dem Waldboden, aber schon bald war der Herbst auch für sie zu kalt. Ein brauner Vogel pickte nach Würmern, bis er einen fand und flatternd davon flog.

„Wie kann es sein, dass deine Mentale Barriere praktisch unzerstörbar ist, du es aber nicht schaffst einen Stein zu bewegen?"
Ich drehte meinen Kopf zurück zu Myalo. Er hatte aufgehört das Gras zu rupfen, stattdessen ruhte seine Hand unbewegt auf dem Boden. Den anderen Arm hatte er auf seinen Oberschenkel gestützt und seinen Kopf in die Hand gelegt. Sein schwarzes Haar fiel ihm diesmal nicht ins Gesicht und seine schwarzen Augen sahen mich aufmerksam an. Er wollte sich kein Detail entgehen lassen.

„Ich weiß nicht.", log ich.
Der Grund war: ich hatte Angst. Der Dunkle Mond in mir wurde von keinen Trackles-Fesseln mehr aufgehalten. Ein einziger Kontrollverlust genügte und die Saver würden sehen, was ich war.
Ich konnte diesen Stein bewegen und das wusste ich. Aber das war die Magie des Dunklen Mondes und ich hasste es sie zu benutzen.
Als ich Devon retten konnte, war mir das egal gewesen. Aber jetzt... ich wehrte mich dagegen. Blockierte mich mehr oder weniger selber.

„Was erzählst du mir nicht?", fragte Myalo jetzt. Er hatte seinen Blick nicht abgewandt.
„Es gibt nichts, was ich dir verschweige."
Er schnalzte mit der Zunge und richtete seinen Oberkörper auf: „Erzähl mir keinen Quatsch, du verschweigst so einiges."
„Woher willst du das wissen?"
Myalo sah mich einmal von oben bis unten an. Dann seufzte er und seine Stimme verlor ein wenig von ihrem genervten Ton.
„Jeder der dir aufmerksam in die Augen sieht, weiß, dass du gelitten hast."

Ich senkte den Blick. Zwar hatte ich seit Tagen nicht in den Spiegel gesehen, aber ich wusste auch so, dass meine Augen stumpf und leer waren. Ein Abklatsch des früheren Glanzes.

„Lillith, ich erwarte nicht von dir, dass du mir erzählst, was dich so werden ließ oder wer für diese... Stille verantwortlich ist, die von dir ausgeht. Aber ich bitte dich, dass du es entweder ausblendest oder dich damit auseinandersetzt.", Myalo sah mich eindringlich an. Ihm schien es wirklich ernst zu sein.
„Ich rate dir letzteres. Man sollte sowas nicht zu lange in sich tragen. Es frisst einen nach und nach auf."

Ich war zu verblüfft von dem plötzlichen Wechsel seiner Tonlage, dass ich nichts darauf antwortete. Stattdessen ließ ich mir seine Worte nochmal durch den Kopf gehen.
Hör auf den Gedankenleser.
Ich zuckte sichtlich zusammen und meine Hände wollten meine Ohren zuhalten, aber ich zwang sie still.
Natürlich war das Myalo nicht entgangen, aber er reagierte nicht darauf.
Dir wird es nicht besser gehen, wenn du mich weiter ignorierst. Du kannst dich nicht selbst verleugnen.
Ich schnappte nach Luft. Diese Stimme jagte mir jedes mal einen Schauer über den Rücken und schon schoben sich die Bilder vor meine Augen. Ich hasste ihn, weil er mich dazu gezwungen hatte. Ich hasste mich noch mehr, weil ich es zugelassen hatte.
„Was ist?", fragte Myalo jetzt doch, aber ich schüttelte bloß den Kopf.
Er merkte wohl, dass es was mit meiner Leere zu tun hatte und bohrte nicht mehr nach. Insgeheim gab ich ihm einen Pluspunkt dafür.

Lillith die Quelle der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt